Lesetipp: Nachfolge-Dilemma im Buchhandel

100 Schließungen pro Jahr, aber nur 40 Neugründungen

23. Februar 2024
Redaktion Börsenblatt

Am Beispiel der renommierten Buchhandlung "Proust Wörter + Töne" in Essen beschreibt die "Süddeutsche Zeitung" ein ihrer Ansicht nach gesamtdeutsches Problem: Buchhandlungen finden keine passenden Nachfolger. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels sieht hier auch den demografischen Faktor am Werk. 

Peter Kolling und Beate Scherzer

Der Beitrag "Die letzte Generation" von Max Florian Kühlem ist am 23. Februar in der "Süddeutschen Zeitung" erschienen (Online hinter der Zahlschranke). Der Autor steigt mit der renommierten Buchhandlung "Proust Wörter + Töne" in Essen ein, deren Inhaber Beate Scherzer und Peter Kolling seit vier Jahren keine passenden Nachfolger finden. Die Situation sei symptomatisch für ganz Deutschland.

"Es kommt nicht genug Nachwuchs nach"

Beate Scherzer hat beobachtet, dass die heute 40-Jährigen haben eine andere Vorstellung von Work-Life-Balance haben, sie möchten sich nicht unbedingt lange an einen Ort binden. Und man könne auch als Buchhändler auf eine normale Wochenarbeitszeit kommen. "Aber eine Viertagewoche und dreimal im Jahr in den Urlaub – das ist eher nicht möglich."

Daher sehe Thomas Koch, Sprecher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, beim Verschwinden von Buchhandlungen durchaus den demografischen Faktor am Werk. "Viele geben aktuell aus Altersgründen Buchhandlungen ab. Gleichzeitig kommt nicht genug Nachwuchs nach", wird er zitiert. Der Börsenverein habe das als Problem erkannt und lege einen Schwerpunkt auf Beratung und Vermittlung zu diesem Thema. Deutschland habe zwar mit rund 4.500 Buchhandlungen immer noch ein weltweit vorbildliches Netz. Aber: "Wir verlieren jedes Jahr deutschlandweit ungefähr 100 Mitglieder, vor allem aus Altersgründen und wegen wirtschaftlicher Probleme. Auf der anderen Seite kommen nur ungefähr 40 Neugründungen dazu." Das sei nicht nur für die Vielfalt in den Innenstädten ein Problem, sondern auch für die Vielfalt am Buchmarkt ganz generell. Denn Buchhandlungen wie Proust in Essen würden ein handverlesenes Programm präsentieren, in dem sich auch die Titel vieler kleiner Verlage wiederfinden.

Thomas Koch nennt ein Pro-Argument, das selbst die Generation Z überzeugen könnte: "Buchhändler ist ein Job mit Sinnhaftigkeit, mit einem sozialen und gesellschaftlichen Auftrag." Es gehe nicht nur darum, Bücher zu verkaufen. Man gestalte kulturelle Vielfalt und Debatten mit, lade zu Gesprächsrunden zu politischen Themen, positioniere sich als Begegnungsort.