Wolfgang Tischer zu Thalias China-Affäre

"Den Großen sollte man weder online noch in den Fußgängerzonen trauen"

24. September 2020
von Börsenblatt

Thalia hat mit seinen vom chinesischen Staatsunternehmen CNPIEC – China National Publications kuratierten und bezahlten Regalen für mächtig Wirbel gesorgt. Sollte bezahlte Regalfläche im Buchhandel generell gekennzeichnet werden? Diese Frage wirft Wolfgang Tischer in seinem literaturcafè auf. 

Erst durch Thalias China-Aktion sei vielen bewusst geworden, dass es bei zumindest bei den großen Filialisten üblich sei, Bücher und Aktionsflächen gegen Geld zu platzieren, so Tischer in seinem Beitrag. "Der vermeintliche Bücher-Tipp ist bisweilen gar keiner, stattdessen fließen vier oder fünfstellige Beträge von den Verlagen an die Buchkette." Sogar Self-Publisher könnten sich über Dienstleister gegen Bezahlung einen Regalplatz in bestimmten Buchhandlungen sichern, weiß Tischer.

Er wirft die Frage auf, ob Buchhandlungen nicht in jedem Fall Buchpräsentationen, die von Verlagen bezahlt worden sind, ausweisen müssten, "anstatt irreführend den Eindruck zu erwecken, es handle sich um eine Empfehlung der Buchhandlung". 

"Jeder Instagramer muss Beiträge als Werbung kennzeichnen, wenn Geld fließt"

Kritisch wird es für Tischer wenn die Auswahl nicht inhaltlich oder nach Verkäuflichkeit kuratiert sei, sondern finanziell motiviert und dann auch noch irreführend als "Tipp" gekennzeichnet sei. Tischer: "Jeder Blogger und Instagramer muss einen Beitrag als 'Werbung' kennzeichnen, wenn dafür Geld geflossen ist. Selbst eine euphemistische Umschreibung wie 'Kooperation' sehen Juristen kritisch." Bezahlte Verlagspräsentationen sollten ausgezeichnet werden, so seine Meinung - wobei das schwierig sei, wenn zum Beispiel statt direkter Bezahlung die Rabatte erhöht werden. 

"Den großen Ketten und Konzernen sollte man weder online noch in den Fußgängerzonen trauen"

Letztendlich mache Thalias Zusammenarbeit mit einem chinesischen Staatsunternehmen deutlich: "Den großen Ketten und Konzernen im Buchhandel sollte man weder online noch in den Fußgängerzonen trauen", so Tischers Fazit. Wieder einmal scheine es sinnvoller, die kleine Buchhandlung vor Ort zu unterstützen, "die ihr Sortiment hoffentlich noch nach inhaltlicher Qualität und Verkäuflichkeit auswählt und die gar nicht die Marktmacht hat, dass sie für solche 'Kooperationen' interessant wäre".

Im Fall der China-Verkaufsflächen hat Thalia übrigens reagiert und Ausdrucke über den Regalen angebracht mit dem Hinweis "Kooperation mit CNPIEC – China National Publications", so die Sinologin Monika Li, die den Stein in der vergangenen Woche ins Rollen gebracht hatte, in einem weiteren Facebook-Post. Außerdem habe man vor den Regalen einen Aktionstisch mit chinakritischen Büchern aufgebaut.