Lesetipp: Porträt von Stephanie Krawehl "Hamburger Abendblatt"

"Ich habe schon immer für die Sache Buch gebrannt"

5. Juli 2021
von Börsenblatt

Jens Meyer-Odewald hat für das "Hamburger Abendblatt" ein absolut lesenswertes, liebevolles Porträt der Buchhändlerin Stephanie Krawehl geschrieben, die in der Hansestadt den "Lesesaal" in den Stadthöfen betreibt.

"Das kleine Geheimnis des urigen Kunststoffhundes auf der Kasse kennen nur Eingeweihte", steigt Jens Meyer-Odewald in sein Porträt "Besondere Bücher an einem besonderen Ort" ein, das am 3. Juli im Hamburger Abendblatt erschienen ist – und hinter einer Zahlschranke zu lesen ist. "Der putzige, pinkfarbene Pudel verfügt über die spielerische Begabung, mit dem Kopf wackeln zu können. Auch das unterscheidet ihn von seiner Besitzerin. Stephanie Krawehl ist eine selbstbewusste Persönlichkeit, die einen aufrechten Gang bevorzugt – in jeder Lage. Den Begriff Dickschädel empfindet sie keinesfalls als Beleidigung. Ihre Buchhandlung führt sie nach ureigener Façon." Weil das Gebäude historisch vorbelastet ist, sollte hier kein Mainstream einziehen.

Die unkonvetionelle Buchhandlung mit dem Namen "Lesesaal", gelegen auf dem denkmalgeschützten Gelände des früheren Gestapo-Hauptquartiers der Nazis, erfordere ein passendes, würdiges Konzept, so Meyer-Odewald. Neben einer klassischen Buchhandlung gebe es ein Café sowie einen Erinnerungsort als Gedenkstätte. Insbesondere kleine, unabhängige Verlage, politische Inhalte, Frauenthemen seien präsent – alles andere sei zügig bestellbar. Die Stammkundschaft wisse diese Note zu schätzen.

Meyer-Odewald schildert den Weg Krawehls, eigentlich eine ausgebildete, dreisprachige "Europasekretärin", zur Buchhändlerin. Dabei geht es auch um schwierige Phasen, etwa einen Burn out, den die heute 57-Jährige vor 20 Jahren als alleinerziehende Mutter erlitt – den 11. September 2001 erlebte sie in einer Klinik. "Der Kraftakt, sich aus den psychischen Fesseln zu befreien, machte sie dauerhaft stark", so Meyer-Odewald. "Letztlich kommt man mit allem klar, wenn man weiß, dass man auf dem richtigen Weg ist", zitiert der Autor Krawehl.

Die Liebe zu Büchern hat sie schon seit ihrer Kindheit in Blankenese begleitet. In der Wohnung der Eltern standen in jedem Zimmer Bücher, in der Buchhandlung Kötz in den Elbvororten durften sie und ihre Schwester nach Herzenslust stöbern – das hatte ihr Vater arrangiert.

"Ich wollte etwas Eigenes machen"

Rund sechs Jahre jobbte Stephanie Krawehl in einem Buchlädchen in Eimsbüttel, 2011 wagte sie sich dann an ein eigenes Geschäft. "Ich bin ungern eine Angestellte, die von oben Befehle empfängt", habe sie erkannt, "Ich wollte etwas Eigenes machen." Ihr Grundgedanke, zwar Bücher für jedermanns Geschmack, aber keine Massenware feilzubieten, sei auf Widerhall gestoßen. Der Lohn: Mittlerweile ist der "Lesesaal" viermal mit dem Deutschen Buchhandlungspreis ausgezeichnet worden. "Ich war immer schon eine Leseratte und habe für die Sache Buch gebrannt", wird Krawehl zitiert. Lesen sei eine Lebenseinstellung: "Gute Bücher spiegeln eine Menge wider."

Im Januar 2017 hatte die Hamburger Kulturbehörde sie gebeten, ein Konzept für eine Buchhandlung in den künftigen Stadthöfen zu entwickeln. "Das Ergebnis: Im Mai 2018 wurde Stephanie Krawehls Lesesaal erster Mieter im neuen Quartier an der Stadthausbrücke." Sie möchte zum Stöbern einladen. "Wir sind keine politische Buchhandlung", betont Krawehl im Artikel des "Hamburger Abendblatts", "aber wir haben eine Haltung."

Der Link zur Buchhandlung: https://lesesaal-hamburg.de/