Audio im Umbruch

"Digitalisiert, verjüngt und diversifiziert"

2. Oktober 2025
Redaktion Börsenblatt

Der Boom der Hörbuchplattformen verändert den Audio-Markt. Christian Kessler beschreibt aktuelle Entwicklungen – Teil 1 einer Miniserie über den Hörbuchmarkt,  geschrieben von Fabely-Manager:innen.

Christian Kessler vor Backsteinwand

Christian Kessler

Gerade haben wir 100 Jahre Hörspiel gefeiert. Die reiche deutsche Hörbuch- und Hörspieltradition bildet zweifellos ein wichtiges Fundament des anhaltenden Audio-Booms. Zugleich treiben internationale Plattformen wie Audible, BookBeat und Spotify die Entwicklung voran: Sie operieren in Deutschland geschickt lokal und bringen das „Spoken Word“ so in jedes Wohnzimmer und auf jedes Smartphone.

Digital ist besser?

Es ist heute kaum mehr vorstellbar, dass noch 2019 der "Media Control Hörbuchkompass" für den deutschen Markt einen physischen Anteil von rund 40 Prozent auswies. Von da an verschoben sich die Anteile fast erdrutschartig zu digitalen Streaming- und Downloadangeboten. Die Corona-Pandemie wirkte dabei zwar als Beschleuniger und ließ die CD-Umsätze rapide einbrechen, doch der eigentliche Treiber waren die Plattformen.

Zu Beginn der Pandemie setzte Thalia konsequent auf die digitale Karte und bewarb sein Hörbuch-Abomodell mit zahlreichen Aktionen. Deezer brachte in Deutschland exklusiv eine eigene Hörbuch-App auf den Markt, stellte sie jedoch leider wieder ein. Spotify hingegen erzielte mit intelligent kuratierten Playlists von Autoren, Verlagen und Vertrieben rasant steigende Umsätze. In der Folge verlagerte sich der Hörbuchkonsum nahezu vollständig ins digitale Streaming- oder Abomodell. 2024 weist der Media Control Hörbuchkompass nur noch sieben Prozent physische Umsätze aus.

Community

Dass eine jederzeit abrufbare Streaming-App die praktischere Alternative zu einer MP3-Doppel-CD ist, liegt auf der Hand. Doch der Wandel reicht weiter: In Shops und Apps bildet sich eine aktive Community, die sich austauscht und vernetzt. Sprecher-Charts und Community-Ratings sind längst zu echten Gradmessern geworden und sorgen immer wieder für Diskussionen. Die Hörer haben "ihren" Kanal gefunden, auf dem sie Hörbücher konsumieren und sich vor allem in ihrer Bubble austauschen können. Besonders BookBeat treibt diese Entwicklung mit groß angelegten Influencer- und Digitalkampagnen voran und ist damit ganz nah am "BookBeat" seiner Community.

Diversität in der Shoplandschaft

Deutschland kann mit einer unvergleichbaren Diversität in der Shoplandschaft aufwarten. Branchenprimus Audible hat vor 20 Jahren begonnen, den Markt für Hörbücher ins Internet zu verlagern und groß zu machen und ist seit der Übernahme durch Amazon genau da, wo Bücher (online) sind. Aber auch die skandinavischen Hörbuch Plattformen BookBeat, Nextory und Storytel sind seit 2019 auf den deutschen Markt gekommen und haben mit ihrem Streamingansatz und geschicktem Influencermarketing eine ganz neue Zielgruppe angesprochen.

Zusätzlich haben die großen Multis wie Amazon Music, Apple und Spotify neben dem Hörspiel auch auf Hörbücher gesetzt. Erst im April dieses Jahres hat Spotify – immerhin der weltweite größte Player für Audio in Form von Musik und Podcasts – sein Audiobook Programm in Deutschland gelauncht, das den Markt für Hörbücher sicher noch größer macht. Und seit zwei Jahren setzt RTL+ in seinem digitalen Abo ganz fest auf das Thema Hörbuch und erweitert die Zielgruppe mit Millionen von Abonnenten noch einmal.

Dass Thalia und Hugendubel mittlerweile auch ins Hörbuchgeschäft investieren und ihr Angebot seit Jahren kontinuierlich ausbauen, verdeutlicht die breite Aufstellung des deutschen Marktes. Der dänische Podcastanbieter Podimo hat sein Portfolio schon früh um tausende Hörbücher erweitert, und mit ihrem Fokus auf Kinderinhalte sind Tiger Media und die Tonie-Audiothek längst erfolgreich in deutschen Kinderzimmern vertreten.

Whenever, wherever: Hörbücher „on the go“

Der jüngere Podcast hat es vorgemacht: Audio ist mobil. Kaum jemand hört Inhalte noch zu Hause am PC – konsumiert wird „on the go“, beim Pendeln, beim Sport oder bei der Arbeit. Hörbücher sind längst kein Nischenprodukt mehr, sondern Teil des alltäglichen Medienkonsums. Die Zahl der Hörer ist stark gestiegen, besonders unter den Jüngeren unter 40, die zuvor nur selten zu Hörbüchern griffen.

 … in Serie: Binge listening

Zur Explosion der Nutzung haben vor allem die praktischen Abo- und Streamingmodelle beigetragen: monatliche Credits für Hörbücher (Audible, Thalia), Inklusivangebote wie bei Spotify, Deezer und Amazon Music oder bis zu 100 Stunden „All you can listen“ bei BookBeat, Nextory und Storytel. Das Ergebnis ist ein nahtloses Binge-Listening. Die Hörbuchverlage reagieren darauf seit Jahren, indem sie verstärkt in Serienformate investieren: Trilogien dienen nur als Einstieg, Prequels und Sequels verlängern erfolgreiche Reihen, und über mehrere Staffeln hinweg werden Spannung – und damit auch der Konsum – hochgehalten. Der Effekt: regelmäßiger Hörbuchkonsum statt vereinzelter Käufe.

Vielfalt und neue Inhalte

Nicht nur die Verlage liefern Hörstoff – auch die Plattformen produzieren selbst. Audible hat mit seinen "Originals" den Anfang gemacht, andere ziehen mit "Exclusives" nach oder gründen gleich eigene Verlage wie Thalia und Storyside. Mit interaktiven Hörspielen sowie Staffel- und Serienformaten nähern die Plattformen ihre Angebote zunehmend dem Podcast an – und bieten damit weit mehr als das klassische Hörbuch. Gerade bei einer wachsenden Vielzahl an Plattformen sind Angebote, wie beispielsweise Fabely, wichtig: Sie schaffen Sichtbarkeit für Hörbuchtitel und ermöglichen es Machern wie Fans, sich über ihre Titel und Lieblingswerke zu vernetzen.

Innovation: AI, Alexa, Voice Switcher, Whisper Sync

Auch wenn Künstliche Intelligenz viel diskutiert wird: Dass synthetische Stimmen menschliche Sprecher – oft echte Idole – verdrängen, scheint wohl noch in weiter Ferne. Die Realität sieht anders aus: Amazons Alexa öffnet vor allem im Kinderbereich den Zugang zu Audio, und Audibles "WhisperSync", das nahtlose Wechseln zwischen E-Book und Hörbuch, erfreut sich großer Beliebtheit. Mit dem "Voice Switcher" hat Storytel zudem ein innovatives Projekt gestartet, bei dem Hörer:innen vor oder während der Wiedergabe zwischen verschiedenen Stimmen wählen können.

Fazit

Der Boom der Hörbuch-Plattformen hat den deutschen Audiomarkt digitalisiert, verjüngt und diversifiziert. Zugleich hat er einen Kulturwandel im Umgang mit Audioinhalten angestoßen: Hörer:innen wollen nicht nur konsumieren, sondern auch bewerten, empfehlen und interaktiv teilhaben. Mit Plattformen wie Audible, BookBeat oder Spotify hat sich der Konsum fast vollständig ins digitale Streaming- und Downloadmodell verlagert – und eröffnet nun allen Zielgruppen einen schnellen Zugang zu Hörbüchern. Es ist ein großer Schritt nach vorne für die Sichtbarkeit und Reichweite von Hörbüchern … and it´s only the beginning!

Christian Kessler vor Backsteinwand

Christian Kessler

Über Christian Kessler:

Christian Kessler war viele Jahre in der Musikbranche tätig und kennt daher einen stetigen Wandel, neue Geschäfts- und Erlösmodelle. Als Head of Audio DACH bei Bookwire begreift er sich als enger Partner der Verlage und Shops. Ein besonderes Anliegen ist das Audiobook Marketing, der Fabely Podcast und die Fabely App, damit jeder Hörbuchfan "sein nächstes Lieblingshörbuch" finden kann.

Plattform-Boom, Genre-Vielfalt, Creator Economy, Personalisierung

Der Beitrag von Christian Kessler ist der erste in einer Miniserie über den Hörbuchmarkt, geschrieben von Fabely-Manager:innen. So geht es weiter:

  • Audio-Boom: Welche Genres wachsen und warum? (Autorinnen: Friederike Kolck / Lena Görtz / Charline Vorherr; 7. November)
  • Social Media meets Audio: Creator Economy, Shortform & neue Hörformate (Autorin: Chiara Scherz; 5. Dezember)
  • Personalisierung im Audiomarkt: Wie Hörer kuratiert neue Titel entdecken wollen (Autor: Carsten Lambrecht; 2. Januar 2026)