Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz

Höcke-Buch kommt nicht auf den Index

12. September 2022
von Börsenblatt

Hessens Antisemitismusbeauftragter Uwe Becker hatte gefordert, dass das Björn Höcke-Buch "Nie zweimal in denselben Fluss" auf den Index gesetzt wird. Die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz hat sich nun dagegen entschieden. Warum, das lesen Sie hier.

In ihrer Sitzung am 1. September habe die bei der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) in Bonn angesiedelte Prüfstelle für jugendgefährdende Medien entschieden, das Buch "Nie zweimal in denselben Fluss" nicht in die Liste jugendgefährdender Medien aufzunehmen ist, teilte die BzKJ Ende der vergangenen Woche mit.

Abwägung: Grundrechte versus desorientierende Wirkung

Bei der Prüfung, ob die Voraussetzungen für eine Aufnahme in die Liste jugendgefährdender Medien vorliegen, müsse die Prüfstelle in einem ersten Schritt beurteilen, ob das Buch geeignet ist, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden (Jugendgefährdung). Dies sei der Fall, wenn durch das Medium eine sozialethische Desorientierung von Kindern und Jugendlichen begründet oder verfestigt werden kann. Entscheidende Kriterien für die Auslegung des Begriffs der sozialethischen Desorientierung seien die Menschenwürde und andere Grundrechte des Grundgesetzes sowie sonstige wesentliche Elemente der grundgesetzlichen Werteordnung wie z. B. das Toleranzgebot und das Demokratieprinzip.

Die Bewertung erfolge, so die Mitteilung weiter, stets mit Blick auf gefährdungsgeneigte Minderjährige – also solche, die aus verschiedenen Gründen wie Veranlagung oder Lebensumstände besonders empfänglich für eine desorientierende Wirkung sind.

Liege eine Jugendgefährdung in diesem Sinne vor, sei in einem zweiten Schritt eine Abwägung der Belange des im Grundgesetz verankerten Kinder- und Jugendschutzes mit weiteren Grundrechten wie der Meinungs- und Kunstfreiheit vorzunehmen. Ein Medium dürfe etwa nicht allein wegen seines politischen, sozialen, religiösen oder weltanschaulichen Inhalts in die Liste aufgenommen werden.

Das zur Entscheidung berufene Gremium der Prüfstelle kam zu dem Ergebnis, dass zwar eine desorientierende Wirkung des Buches besteht. Bei der im zweiten Prüfungsschritt erfolgenden Abwägung hätten im konkreten Einzelfall jedoch die gegen eine Aufnahme in die Liste sprechenden Grundrechte überwogen. Die Meinungsfreiheit, insbesondere die Meinungsbildungsfreiheit, auch unter Würdigung der Rolle von Parteien für die politische Willensbildung des Volkes nach Artikel 21 Abs. 1 GG hätten hier nach Einschätzung der Prüfstelle den Ausschlag gegeben.

Eine Ausfertigung der ausführlichen Entscheidungsbegründung erfolge in den kommenden Wochen.

So funktionieren Indizierungsverfahren

Die Entscheidung über die Aufnahme eines Mediums in die Liste jugendgefährdender Medien wird in gerichtsähnlichen Indizierungsverfahren der bei der BzKJ angesiedelten Prüfstelle für jugendgefährdende Medien in pluralistisch und interdisziplinär besetzten Prüfgremien getroffen, erläutert die BzKJ weiter. Bei diesen Verfahren haben die Urheberin oder der Urheber, die Inhaberin oder der Inhaber der Nutzungsrechte sowie bei Telemedien der Anbieter und / oder ihre Verfahrensbevollmächtigten Gelegenheit zur Stellungnahme, entweder schriftlich oder mündlich im Rahmen der Prüfsitzung.

Bei den Entscheidungen der Prüfstelle sei im Einzelfall stets das Verfassungsgut Jugendschutz mit den Grundrechten der Rechteinhaberinnen und Rechteinhaber abzuwägen, wie z. B. der Kunst- und Meinungsfreiheit. Ein Indizierungsverfahren kann dabei grundsätzlich nur durch den Antrag einer vom Gesetz dazu besonders ermächtigten Stelle oder durch die Anregung einer Behörde bzw. eines anerkannten Trägers der freien Jugendhilfe zustande kommen.

Die maßgeblichen Normen lauten wie folgt: § 18 Abs. 1 Satz 1 JuSchG: Medien, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden, sind von der Bundeszentrale nach Entscheidung der Prüfstelle für jugendgefährdende Medien in eine Liste (Liste jugendgefährdender Medien) aufzunehmen.

§ 18 Abs. 3 Nr. 1 JuSchG: Ein Medium darf nicht in die Liste aufgenommen werden

  1. allein wegen seines politischen, sozialen, religiösen oder weltanschaulichen Inhalts,
  2. wenn es der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre dient,
  3. wenn es im öffentlichen Interesse liegt, es sei denn, dass die Art der Darstellung zu beanstanden ist.