Frankfurter Buchmesse

Israel, Iran, Türkei im Fokus der Buchmesse

25. Oktober 2023
von Matthias Glatthor und Michael Roesler-Graichen

Die Frankfurter Buchmesse ist ein hochpolitischer Ort – seit ihren Anfängen vor 75 Jahren. Diesmal ging es vor allem um Israel und den Gazastreifen, aber auch um die Türkei und den Iran.   

Einspruch: Uwe Becker, hessischer Antisemitismusbeauftragter, betritt während der Eröffnungsrede von Slavoj Žižek die Bühne und wirft ihm vor, den Terror der Hamas zu relativieren 

Es hat fast schon etwas Ritualisiertes, und man könnte darauf Wetten abschließen: Wenige Tage, bevor die Frankfurter Buchmesse eröffnet wird, geht ein mittleres bis mittelschweres Beben durch die (Buch-)Welt und macht aus der weltgrößten Bücherschau einen Ort der politischen Auseinandersetzung – über die selbst gesetzte Agenda hinaus. Sei es eine Schwarze Autorin, die sich auf der Messe bedroht fühlt, seien es rechte Verlage, die auf der Messe ausstellen – oder sei es das beispiellose Massaker der Hamas an der israelischen Zivilbevölkerung wie in diesem Jahr: In jedem Fall wird die Frankfurter Buchmesse durch diese Ereignisse politisiert wie keine andere Messe auf diesem Planeten. Das war von Beginn an so, und wird hoffentlich auch so bleiben.

Turbulenz-Garantie

Denn die Buchmesse ist immer auch eine Messe des demokratischen Austauschs und der Presse- und Meinungsfreiheit, wie Buchmessedirektor Juergen Boos vor der 75. Frankfurter Buchmesse noch einmal betonte. Die sehenswerte Dokumenta­tion "Geist, Geschäft und Party" zeigt, dass die Messe noch nie frei von politischen Turbulenzen war (bis 15. Januar 2024 zu sehen in der Arte-Mediathek).

Die Trauer über die barbarische Attacke der Hamas und das Bekenntnis, Israel habe ein Recht zur Selbstverteidigung, schienen noch bei der Messeeröffnung ein einigendes Band zu sein – wäre nicht der slowenische Philosoph Slavoj Žižek ans Pult getreten und hätte an diesem Konsens gerüttelt, indem er das Geschehen in Israel in den Kontext der weiteren Zeitgeschichte stellte und damit nach dem Empfinden zahlreicher Teilnehmer:innen relativierte. 

Uwe Becker (CDU), Antisemitismusbeauftragter des Landes Hessen, eilte daraufhin zur Bühne und warf Žižek "Relativismus" vor – woraufhin das argumentative Pferd, auf dem der Philosoph saß, vollends mit ihm durchging. Es mache der europäischen Rechten immer schon Freude, Israel zu unterstützen, wie einst – so Žižek – auch Reinhard Heydrich, Leiter des Reichssicherheitshauptamts und Chefplaner des Holocausts, einen jüdischen Staat in Nahost befürwortet habe. Becker antwortete darauf: "Das ist eine Schande."

Nach dem Eklat trat Juergen Boos ans Pult und zeigte sich tief betroffen: "Für die Worte, die du sprechen musstest, im Namen der Menschlichkeit, um die trauere ich. Und es ist mir sehr ­wichtig, dass wir uns alle einig sind in der Verurteilung der Unmenschlichkeit, in der Verurteilung des Terrors." Es sei dennoch gut gewesen, die Rede bis zu Ende gehört zu haben – "auch wenn wir sie vielleicht sogar verurteilen", so Boos.

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