Fall Mohammed al-Ajami

PEN erinnert an eingesperrten katarischen Dichter

21. November 2022
von Börsenblatt

Vor dem Hintergrund der Fußball-WM und den Verteidigern des Herrscherhauses erinnert das deutsche PEN-Zentrum daran, dass Presse- und Meinungsfreiheit von der Gnade des Emirs abhängig sind. Der Fall des Dichters Mohammed al-Ajami, der gleich zweimal zu „lebenslänglich“ verurteilt wurde, zeige das Verständnis des Herrscherhauses von Grund- und Menschenrechten.

Kaum sei die Fußball-WM mit 60000 Zuschauern und einem Millionen-Publikum vor den Fernsehern eröffnet, rolle der Ball wieder ohne Hindernisse. Informationen über Funktionäre, katastrophale Arbeitsbedingungen und Zweifel an einer WM in der Wüste würden in den Hintergrund treten, da sich prominente Fans und Funktionäre zu Wort melden würden, das Herrscherhaus verteidigen würden und auf die Reformen in Katar verwiesen.

„Unverändert allerdings hängen Presse- und Meinungsfreiheit ab von der Gnade des Emir“, schreibt das deutsche PEN-Zentrum. Sie erinnern an zwei konkrete Fälle.

Die Brüder Ali Abu Shurayda al-Marri

Im Mai 2022 wurden die Anwälte und Brüder Hazza und Rashed bin Ali Abu Shurayda al-Marri zu lebenslanger Haft verurteilt worden, weil sie ihre Meinung frei äußerten. Ersterer kritisierte auf Twitter das neue Wahlgesetz des Emir vom November 2021, weil es seinen Stamm in Katar vor der Wahl ausschloss, und die Freilassung von Kritikern des Gesetzes gefordert. Sein Bruder wurde wiederum in Gewahrsam genommen, weil er als Anwalt Zugang zu seinem Bruder forderte. Davin berichtete die MENA Rights Group.

Ihr Prozess begann im Januar 2022 hinter verschlossenen Türen, ohne die freie Wahl eines Anwalts. Die Anklage: Gefährdung der öffentlichen Ordnung und die Sicherheit des Staates. Das Urteil im Mai 2022 lautete für beide „lebenslänglich“.

Der Fall Mohammed al-Ajami

Lebenslänglich verurteilt wurde auch der Dichter Mohammed al-Ajami alias Mohammed Ibn Al-Dheeb, denn er habe die Anwälte in ihrer Kritik mit Videos über Social Media unterstützt.

Al-Ajami war bereits im November 2011 schon wegen seiner Gedichte festgenommen worden. Die Anklage: Er habe zum Sturz des herrschenden Systems aufgerufen. Sein Pflichtverteidiger durfte sich nur schriftlich äußern. Beobachter waren beim Prozess nicht zugelassen. Das Urteil „lebenslänglich“ wurde, nach dem Besuch einer PEN-Delegation in Katar 2013, auf fünfzehn Jahre reduziert. 2016, nach vier Jahren zumeist in Isolationshaft, wurde Mohammed al-Ajami begnadigt. Im Gefängnis hatte er gedichtet:

Wer bin ich? Frag nicht die Tage nach mir -
Ich bin nichts als ein Gefangener
in einer Isolationszelle
Hier in meinem Land Unterdrückung
ist das, was uns unsere Rechte nimmt

Zur Situation von Katar

2018 hat Katar das Internationale Abkommen zu Bürgerrechten und politischen Rechten unterzeichnet, das die Menschenrechte garantiert, auch die Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz und das Recht, einen Anwalt frei zu wählen. Nichts davon war im Fall Mohammed al-Ajami gegeben. Auch seine Verurteilung in diesem Jahr in Abwesenheit verstößt gegen die International Covenant on Civil and Political Rights (ICCPR).

„Katar hat sich – abseits aller Image-Kampagnen in Kunst und Sport – abgeschottet und verfolgt eine rigide Informationspolitik. Nachrichten über die Situation von Autor:innen heute dringen kaum an die Öffentlichkeit. Vieles ist Spekulation. Auch über Mohammed al-Ajami kursieren verschiedenste Mutmaßungen, vermutlich befindet er sich außer Landes“, schreibt das deutsche PEN-Zentrum in seiner Pressemitteilung.

Cornelia Zetzsche, Vizepräsidentin und Writers in Prison Beauftragte des deutschen PEN-Zentrums, schreibt: „Katar ist eine absolute Monarchie. „Die WM in Katar verändert unseren Blick auf den Sport. Sie schärft unseren Blick auf die Situation der Menschenrechte im Golfstaat. Der Fall Mohammed al-Ajami ist symptomatisch für das Verständnis des Herrscherhauses von Grund- und Menschenrechten. Das sollten europäische Clubs und deutsche Unternehmen, die mit Katar Geschäfte machen, dringend überdenken.“

Mohammed al-Ajami, 46, als erster Poet in Katar gleich zweimal zu „lebenslänglich“ verurteilt, ist einer der renommiertesten Dichter des Golfstaats und Ehrenmitglied des deutschen PEN.