Stadt will sich für Änderungen des Vergaberechts einsetzen

Medienbeschaffung für Stadtbibliothek Hannover nur nach EU-Recht

16. Januar 2024
von Michael Roesler-Graichen

Die Stadt Hannover muss die Medienbeschaffung für die Stadtbibliothek europaweit ausschreiben. Dies hat ein Gutachten einer auf das Vergaberecht spezialisierten Rechtsanwaltsgesellschaft ergeben, das die Stadt in Auftrag gegeben hatte.

Damit bestätigt die Sozietät Dageförde den Standpunkt, den das Rechnungsprüfungsamt und die Rechtsabteilung der Stadt und in Folge auch der Direktor der Stadtbibliothek, Tom Becker, bereits Anfang März 2023 vertreten hatten. Demnach sei die bisherige Ausschreibungspraxis bei der Medienbeschaffung nicht mit EU-Vergaberecht vereinbar gewesen.

Mit Veröffentlichung des Gutachtens ist der Beschluss des Rates der Landeshauptstadt Hannover vom 14. Februar 2023 Makulatur. Das Gremium hatte damals erklärt: "Die Stadtbibliothek und ihre Filialen in den Stadtteilen gestaltet den Ankauf und die Verarbeitung von Medien rechtskonform weiterhin so, dass der Ankauf von Medien nach Fachgebieten und Medienformen in einzelnen Aufträgen zugunsten des örtlichen, überwiegendinhaber*innengeführten Buchhandels und die Verarbeitung bzw. Veredlung von Medien (Folierung, Laminierung und Kodierung) gesondert durch andere Einrichtungen, zum Beispiel den Stützpunkt Hölderlinstraße oder eine andere soziale Einrichtung, erfolgt. Auf diese Weise soll sichergestellt werden, dass im Sinne der lokalen Wirtschaftsförderung örtliche, überwiegend inhaber*innengeführte Buchhandlungen an dem Verfahren mit Erfolgsaussicht teilnehmen können."

Die Nachricht, dass die Medienbeschaffung künftig EU-weit ausgeschrieben werden müsse, hatte im März 2023 beim örtlichen Buchhandel, der bisher immer an der Auftragsvergabe durch die Stadt beteiligt war, Unmut und Existenzängste ausgelöst. Neben Gesprächen zwischen Volker Petri, Geschäftsführer des Börsenvereins-Landesverbands Nord, und der Stadtbibliothek und Politiker:innen, startete eine Initiative lokaler Sortimenter:innen eine Petition, die am 17. Juli Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay übergeben wurde. Zuvor hatte sich bereits der Kulturausschuss der Landeshauptstadt die Forderungen der örtlichen Buchhändler zu eigen gemacht.

Das Gutachten von Dageförde sieht aber durchaus Chancen dafür, "mittelfristig über eine Modifizierung des EU-Vergaberechts (Ausnahmetatbestände im Vergaberecht) neue Wege gehen zu können". Eine Erweiterung des Katalogs der Ausnahmetatbestände könne aber nur auf EU-Ebene geschehen, da es sich bei den entsprechenden Vorschriften im Gesetz für Wettbewerbsbeschränkungen um eine Umsetzung der EU-Vergaberichtlinie aus dem Jahr 2014 handelt.

Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay forciert zurzeit "entsprechende Gespräche mit den für Hannover zuständigen Europaabgeordneten". Auch für die Vergabe von Aufträgen unterhalb des EU-Schwellenwertes von 215.000 Euro, für die die Landesgesetzgebung maßgeblich ist, müssten Änderungen der Vergaberegeln erreicht werden.

Parallel zu diesen politischen Bemühungen sollen die Gespräche von Stadtbibliothek und dem Börsenvereins-Landesverband Nord erneut aufgenommen werden. Ziel ist es, gemeinsam das Vergabeverfahren EU-rechtskonform und partnerschaftlich aufzustellen und die Vergabe so zu gestalten, dass der örtliche Buchhandel ebenfalls eine Chance hat, berücksichtigt zu werden.

Volker Petri

Volker Petri vom LV Nord sagt auf Anfrage: "Das Ergebnis des Gutachtens ist für den mittelständischen und regionalen Buchhandel eine herbe Enttäuschung." Man müsse jetzt darüber sprechen, ob eine Einbindung des örtlichen und regionalen Buchhandels in die Medienbeschaffung nun noch möglich ist und wie diese aussehen könnte. "Neben veränderten Vergaberegeln wäre eine Überlegung, die Stadtteilbibliotheken in Hannover mit eigenen Budgets auszustatten, die dann unterhalb des EU-Schwellenwertes lägen", so Petri. "Auch ein veränderter Zuschnitt der Lose wäre eine Option." Petri will jetzt die örtlichen Buchhandlungen zum Gespräch einladen, um nach Lösungswegen zu suchen. Wird der Fall Hannover prototypisch für andere Städte in Deutschland, dann hätte dies negative Folgen für den örtlichen, mittelständisch geprägten Buchhandel.