Glückwunsch zum 80. Geburtstag von Michael Krüger

»Danke«

8. Dezember 2023
von Martin Schult

Der langjährige Hanser-Verleger, Schriftsteller, Dichter und Übersetzer Michael Krüger wird am 9. Dezember 80 Jahre alt. Es gratuliert ihm Martin Schult.

Michael Krüger: ein Mensch für wunderbare Gespräche und unvergessliche Begegnungen.  

»Lesen!«, ruft Michael Krüger laut durch den Raum. »Ihr müsst lesen!« Denn das steht lange Zeit – eigentlich noch ­immer – im Mittelpunkt seines Lebens: lesen, schreiben, Bücher machen.

Jetzt wird er 80, ist vielfach ausgezeichnet und hat nicht nur ein beeindruckendes literarisches Œuvre geschaffen, sondern auch für Jahrzehnte das Programm des Hanser Verlags so nachhaltig geprägt, dass es unwahrscheinlich ist, ein Bücherregal zu finden, in dem kein Buch steht, für das er verantwortlich war.

In diesen Tagen werden viele Artikel über ihn erscheinen. Da es unmöglich ist, auch nur das Wichtigste auf einer Seite zusammenzufassen, wage ich einen Blick auf seine frühen Tage, um eine Antwort darauf zu finden, woher seine Leidenschaft für die Literatur stammen könnte.

Michael Krüger ist ein leidenschaftlicher Fürsprecher und Beschützer der ernsthaften Literatur.

Susan Sontag

In Wittgendorf, vor 800 Jahren von einem Ritter gleichen Namens gegründet, kommt er am 9. Dezember 1943 zur Welt, dort wohnen die Großeltern, bei denen Luise Krüger die Kriegsjahre verbringt, auf dem Gutshof, den der Hauptzollamtsrendant Friedrich ­Leberecht Garcke, ein Vorfahre Michael Krügers, Anfang des 19. Jahrhunderts ersteigert hat. Der Vater, ein Postbeamter, muss in Berlin bleiben, wohin die Familie nach Kriegsende zurückkehrt. Im Archiv finde ich Hinweise auf eine Schulzeit am Nikolassee, doch immer wieder zieht es den jungen ­Krüger zurück nach Wittgendorf. Dort weiht ihn die Großmutter in die Geheimnisse der Pflanzenwelt ein und geht mit ihm ins Theater, besonders von Beckett begeistert. Der Großvater kann über 100 Vögel an Stimmen erkennen und hat ein Glas­auge, das er ab und zu falsch einsetzt: »Dann kann man nach ­innen sehen, in den Kopf hinein, wo die Gedanken leben.«

An beide erinnert er in seinen Gedichten, vielleicht sind sie ­sogar die Motivation, selbst zur Feder zu greifen, mit 14 einen ­ersten, verschütt gegangenen Roman zu verfassen, in dem er erlauschte Gespräche von ­Kaffeetrinkern wiedergibt. Das Buch, die Geschichte, das Gedicht sollen sein Leben bestimmen, sowohl, um als Autor der Realität eine Fiktion hinzuzufügen, als auch um als Büchermacher die Fiktion in die Realität zu bringen. 

Die Schulzeit empfindet er als zu langweilig, um zu studieren. Doch auch die Lehre zum Buchhändler und Schriftsetzer scheint ihm nicht zu genügen, trifft man ihn doch abends auf Vorlesungen an der FU Berlin, wo er Schriftsteller und Intellektuelle kennenlernt. Kurios sind die Erlebnisse in London, als er für drei Jahre bei Harrods als Buchhändler arbeitet.

Michael Krügers Autoren sind nicht seine Beute. Auch nicht sein Zoo. Er lässt ihnen ihren Wald und ihren Himmel. Aber sie fühlen sich von ihm gesehen und in guter Gesellschaft.

Peter von Matt

Aus dieser Zeit stammt auch die Anekdote mit dem Bibliothekar von Queen Elizabeth II.: Dem empfiehlt Krüger die Romane von Günter Grass, Uwe Johnson, Peter Weiss. Drei Tage später wird alles zurückgeschickt. Der Bibliothekar hat in »Katz und Maus« die Szene gelesen, in der »ein Bub sich das Eiserne Kreuz um ein bestimmtes Körperteil hängt«. Das sei der Queen nicht zuzumuten. Was London folgt, ist in den zahlreichen Artikeln und Interviews nachzulesen, die über die Jahrzehnte verfasst wurden – über sein Leben als Dichter und Romancier, Lektor und Verlagsleiter, Familienmensch und Freund. Alle Autor:innen berichten von wunderbaren Gesprächen und unvergesslichen Begegnungen. Und auch ich habe eine.

Irgendwann während einer Sitzung des Stiftungsrats für den Friedenspreis, in dem er sechs Jahre mitgewirkt hat, standen wir für eine Zigarettenpause auf einem Balkon. Wir schwiegen, hingen unseren Gedanken nach, zogen an den Kippen und bliesen Rauch. Am Ende sagte er einfach nur »Danke« und meinte es ernst. Ich, mit diesem Artikel, auch. Happy Birthday, lieber Michel!