Arbeitsbericht der Preisbindungstreuhänder

"Never stop a running engine"

19. September 2022
von Sabine Cronau

Ob Sortiment, Online-Buchhandel oder E-Book-Markt: Die Buchpreisbindung sei derzeit „in eher ruhigem Fahrwasser“ unterwegs. Das schreiben die beiden Preisbindungstreuhänder der Verlage in ihrem neuen Arbeitsbericht. „Erhebliche Bedenken“ haben sie jedoch gegen den Vorstoß, gebundene Mindestpreise nach österreichischem Modell einzuführen. Und eine Idee zum Thema Mängelexemplare.

Ermutigende EuGH-Entscheidung

Das Beruhigende vorab: „Gefahren von außen drohen der Buchpreisbindung derzeit nicht“, urteilen die beiden Juristen Christian Russ und Dieter Wallenfels in ihrem Arbeitsbericht als Preisbindungstreuhänder.

In der Politik sei die Buchpreisbindung weiterhin unumstritten: „Die neue Staatsministerin für Kultur, Claudia Roth, ist dem Buchhandel ebenso zugetan wie ihre Vorgängerin Monika Grütters.“ Von Wirtschaftsminister (und Autor) Robert Habeck, dessen Ministerium für das Preisbindungsgesetz zuständig ist, erwarte man ebenfalls keinen Gegenwind.

Auch der Europäische Gerichtshof beurteile grenzüberschreitende Regulierungen, wenn sie für ausländische und inländische Wirtschaftsteilnehmer in gleicher Weise gelten, mittlerweile milder als noch bei seinem Urteil zur grenzüberschreitenden Arzneimittelpreisbindung im Jahr 2016.

Russ und Wallenfels verweisen dabei auf eine aktuelle Entscheidung: Eine niederländische Versandapotheke, die verschreibungspflichtige und somit preisgebundene Arzneimittel nach Deutschland liefert, versprach den Einsendern eines Rezeptes die Teilnahme an einem mit wertvollen Preisen ausgestatteten Gewinnspiel. Gegen diese Werbung wurde geklagt. Der Bundesgerichtshof legte dem EuGH die Frage vor, ob ein Verbot dieser Werbung mit europäischem Recht vereinbart sei.

Kopplungsverbot ist zulässig

„Der EuGH bejahte dies mit der Begründung, das Verbot einer Gewinnspielwerbung zur Förderung des Verkaufs von Arzneimitteln sei nicht vergleichbar mit dem absoluten Verbot eines Preiswettbewerbs“, so die Preisbindungstreuhänder. Die noch in der früheren Entscheidung hervorgehobene standortbedingte Benachteiligung ausländischer Firmen im Wettbewerb mit inländischen, die in irgendeiner Weise ausgeglichen werden müsse, habe in der aktuellen Entscheidung keine Rolle mehr gespielt.

„Das Verbot der Koppelung der Teilnahme an einem Gewinnspiel mit dem Kauf eines preisgebundenen Buches nach deutschem Preisbindungsrecht ist somit auch mit europäischem Recht zweifelsfrei vereinbar. Das dürfte auch für weitere wirtschaftliche Vergünstigungen in Verbindung mit dem Kauf preisgebundener Bücher gelten, denen Paragraf 7 Absatz 4 des Buchpreisbindungsgesetzes enge Grenzen setzt.“

In den Augen des Verbrauchers wären die Buchhändler die preislich intransparenten Apotheken, der Online-Handel die transparente und immer günstigste Alternative.

Aus dem Arbeitsbericht der Preisbindungstreuhänder

Viele Gründe gegen Mindestpreise

Sollten Buchhandlungen die Möglichkeit haben, die Preise für Bücher nach oben anzupassen – so wie in Österreich, wo es einen gesetzlich festgelegten Mindestpreis gibt? Darüber diskutiert die Branche nach einem Vorstoß von Thalia, gerade im Hinblick auf die Kostensteigerungen im Handel (mehr dazu hier).

Die Meinungen im Buchhandel hierzu seien geteilt, bilanzieren die Preisbindungstreuhänder. „Die einen - wohl eher eine Minderheit - befürworten eine solche Gesetzesänderung, weil sie jedenfalls bei bestimmten Titeln die Möglichkeit von Preisaufschlägen und mehr Flexibilität für ihre Kalkulation sehen. Andere haben die Sorge, dass eine solche Flexibilität die Preisbindung insgesamt gefährden könnte.“ Genau diese Besorgnis teilen die Preisbindungstreuhänder – und zwar gleich aus mehreren Gründen:

  • In der Politik käme die Botschaft an, die Branche würde nur noch eine „Buchpreisbindung light“ wollen (weshalb sie dann vielleicht auch ganz verzichtbar wäre).
  • In der Politik käme weiter die Botschaft an, der Buchhandel betreibe mit der Preisbindung Rosinenpickerei: Die Händler wollten die Preise zu Lasten der Verbraucher nach unten fix haben - aber nach oben offen.
  • Das wichtige Argument „Bücher haben feste Preise“ entfiele komplett und damit auch das psychologisch wichtige Vertrauen des Verbrauchers „...ich zahle beim örtlichen Buchhändler nicht mehr als anderswo...“.
  • In den Augen des Verbrauchers wären die Buchhändler die preislich intransparenten Apotheken, der Online-Handel die transparente und immer günstigste Alternative.
  • Alle gehen davon aus, dass die Händler dann immer zwei Preise haben müssten: Den transparenten Online-Preis, der dem Mindestpreis entspricht, dann den Ladenpreis, den jeder Buchhändler selbst kalkuliert.
  • Unterschiedliche Preise und die notwendigen Umetikettierungen brächten für den Buchhandel einen erheblichen organisatorischen Aufwand mit sich – und die Gefahr versehentlicher Preisbindungsverstöße.
  • Never stop a running engine.

Klare Botschaft von Christian Russ und Dieter Wallenfels: „Eine Lösung des Problems sollte also eher in einer Preispolitik der Verlage zu finden sein, die zusammen mit der Gewährung angemessener Konditionen die Auskömmlichkeit für den Handel gewährleistet.“

Hätten wir eine solche Regelung in Deutschland, die auch Bücher mit Mängeln nicht völlig aus der Preisbindung entlässt, würde dies die „Mängel“-Problematik vermutlich wesentlich entschärfen

Aus dem Arbeitsbericht der Preisbindungstreuhänder

Strategie gegen "Künstliche Mängelexemplare"?

Beim Dauerthema Mängelexemplare dagegen würden sich die Preisbindungstreuhänder durchaus gerne an Österreich orientieren. Bei den Nachbarn entfällt die Preisbindung bei Mängelexemplaren nicht ganz, zulässig ist nur ein „Abweichen vom Ladenpreis im handelsüblichen Ausmaß im Verhältnis zum Mangel“, wie im Arbeitsbericht erläutert wird.

„Hätten wir eine solche Regelung in Deutschland, die auch Bücher mit Mängeln nicht völlig aus der Preisbindung entlässt, sondern bei geringem Mangel auch nur geringe Abweichungen vom Ladenpreis zulässt, würde dies die „Mängel“-Problematik vermutlich wesentlich entschärfen", meinen Russ und Wallenfels – "allerdings um den Preis einer Diskussion, welche Reduzierung im Verhältnis zu welchem Mangel im jeweiligen Einzelfall angemessen ist“.

Die Preisbindungstreuhänder beziehen sich auf einen aktuellen Fall. Eine Buchhandelskette hatte Mängelexemplare unter dem Slogan „Drei für 12 Euro!“ beworben. Doch nur ein Teil der Aktionsware war wirklich verschmutzt oder zerkratzt. Viele Bücher waren dagegen absichtlich beschädigt worden – was sich an den gleichförmigen Macken ablesen ließ, wie sie entstehen, wenn Bücher mit Wucht an eine Tischkante geschlagen oder mit stumpfen Gegenständen bearbeitet werden.

Ein Vorgehen, dass die Preisbindungstreuhänder „besonders unerträglich“ finden. „Dabei handelte es sich in vielen Fällen auch noch um Bücher, die älter als 18 Monate waren, und für die die Preisbindung einfach hätte aufgehoben werden können.“