Messe-Podium der Verlage gegen Rechts

"Propaganda? Wir wünschten, es wäre so..."

18. Oktober 2025
Sabine Cronau

Haltung zeigen gegen Rassismus und antidemokratische Tendenzen: Wie das geht, machen Initiativen in Halle, Berlin und auf den beiden Buchmessen vor. Dass ihnen dabei auch Hass entgegenschlägt, wurde bei einer Podiumsrunde in den Frankfurter Messehallen deutlich.

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Das Diskussionspodium: Theresa Donner, Lena Luczak, Derviş Hızarcı, Lara Eckstein, Mario Pschera (von links)

Antisemitismus ist kein Geist. Er lässt sich einfangen.

Derviş Hızarcı, Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus

Pöbeleien auf der Buchmesse? Das erlebt das Messeteam der "Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus" durchaus. Zum zweiten Mal ist die "KIgA" in Frankfurt dabei – "und wir überlegen, ob wir im nächsten Jahr wirklich wieder kommen sollen", berichtete Derviş Hızarcı, Vorstandsvorsitzender der Initiative, am Messesamstag bei einer Diskussion der Verlage gegen Rechts. Ähnliches erlebt die "KIgA" auch bei anderen Großveranstaltungen wie dem Kirchentag oder der Didacta: Für das Team werde das Engagement dadurch manchmal zur Zumutung, so Hizarci.

Gegründet hat sich die Initiative vor gut 20 Jahren nach einem Anschlag auf eine Synagoge in Istanbul. Damals sei klar gewesen, dass es mit einer Demo nicht getan sei, so Hizarci – deshalb entwickelt die "KIgA" innovative Bildungskonzepte für Schulen, beispielsweise das kooperative Escape-Room-Brettspiel "Rätselräume", das spielerisch Themen wie Vielfalt und Toleranz vermitteln soll. Die Erfahrungen sind ermutigend: "Man kann Vorurteile abbauen", so Hizarcis Beobachtungen: "Antisemitismus ist kein Geist – er lässt sich einfangen."

Wir wollten das nicht mehr hinnehmen.

Mario Pschera, Verlage gegen Rechts

Plakate der "Verlage gegen Rechts"

Hizarci gehörte zu den Gästen der Podiumsrunde "Zwischen Hass und Haltung. Eine Gesellschaft in Bedrängnis", organisiert vom losen Bündnis "Verlage gegen Rechts" – das sich nach lautstarken und aggressiven Auftritten der rechten Szene auf den beiden Buchmessen in Leipzig und Frankfurt gegründet hat. "Wir wollten das nicht mehr hinnehmen", berichtete Verleger Mario Pschera (Dağyeli Verlag).

Das Bündnis sei aber nicht nur gegen etwas, sondern trete auch für etwas ein – "nämlich für Menschenrechte, für Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit". Plakate und weitere Materialien wurden auf der Frankfurter Buchmesse verteilt, sind aber auch online bestellbar.

Viele Leute in Halle sind dankbar, dass sich andere gegen die rechte Buchmesse engagieren – und sie einfach nur mitmachen können, etwa mit einer Spende.

Theresa Donner, Buchhandlung "heiter bis wolkig, Halle

Das "Wir"-Festival in Halle

Dass es hilft, sich zusammenschließen: Diese Erfahrung macht Theresa Donner von der Buchhandlung "heiter bis wolkig“ aktuell in Halle. Sie ist Mitveranstalterin des "Wir"-Festivals, mit dem engagierte Bürger:innen Flagge gegen rechts zeigen – bevor und während sich Anfang November Verlage aus der neurechten Szene dort zu einer Buchmesse treffen (mehr dazu hier).

"Viele Leute in Halle sind dankbar, dass sich andere dagegen engagieren – und sie einfach nur mitmachen können, etwa mit einer Spende“, berichtete Donner auf der Messebühne in Frankfurt. Dem "Wir"-Festival geht es auch darum, Aufklärungsarbeit zu leisten. In Halle würden eben nicht alle wissen, dass dort keine normale Buchmesse geplant sei, sondern dass es um ein Treffen der rechten Szene gehe.

Eigene Ängste von der Seele geschrieben

Was wäre wenn – die Demokratie in Deutschland kippt und ein Krieg ausbricht? Das spielt Aktivistin und Autorin Lara Eckstein in ihrem dystopischen Roman "Verbrannte Träume" (Querverlag) durch – ein Stück weit habe sie sich damit auch die eigenen Ängste von der Seele geschrieben, berichtete Eckstein bei der Diskussionsrunde.

Zumindest auf der Bühne waren sich alle einig: Es ist nicht fünf vor, sondern fünf nach zwölf, wenn es um die Zukunft der Demokratie geht. Und jede und jeder kann dabei mithelfen, gegen Rassismus und Ausgrenzung einzutreten – durch Zivilcourage im Alltag und nicht zuletzt durchs Lesen: "Politische Sachbücher oder schwierige poetische Romane sind leider keine Kassenschlager", so Theresa Donner: "Dabei gibt es nichts Besseres als ein gutes Buch, um in den Kopf und die Gefühlswelt eines anderen Menschen hineinzuschauen."

Als eine Zuschauerin mitten in der Debatte plötzlich aufstand und rief: "Das ist alles eine reine Propaganda-Veranstaltung", konterte die Podiumsrunde mit der ebenso coolen wie klugen Antwort: "Wir wünschten, es wäre so."