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Das ratlose Geschlecht

8. Oktober 2020
von Marcus Schuster

Männer um die vierzig beschleicht häufig ein diffuses Gefühl der Unzufriedenheit, das sich im Job manifestiert. Businesscoach
Susanne Lübben hilft ihnen, zu sich selbst zu finden.

Sie coachen hauptsächlich Männer in einer Art Midlife-Crisis. Die wichtigsten Tipps verraten Sie in Ihrem neuen Buch »Dry Aged. Wie Mann ab 40 die Weichen neu stellt« (Campus). Warum haben Sie sich auf diese Zielgruppe spezialisiert?
Ich arbeite seit mehr als zehn Jahren als Businesscoach und -trainerin. Von Anfang an waren viele meiner Klienten Männer zwischen etwa 40 und 59 Jahren, sodass ich mich gefragt habe: Was ist eigentlich mit denen los? Als gestandene Führungskräfte, viele sogar selbstständige Unternehmer, müssten sie doch so viel Erfahrung haben, dass sie stets wissen, wie es weitergeht. Aber viele wissen es nicht.

Was ist deren Problem?
Viele Männer kommen nicht darauf, was ihnen fehlt und welche ihrer Bedürfnisse nicht erfüllt werden. Das liegt daran, dass ihnen oft der Zugang zu ihren Gefühlen fehlt. Sie wissen nicht, was ihnen wirklich Freude macht, weil sich diese Frage in ihrem Leben nie gestellt hat. 

Wie finden Sie es heraus? 
Durch spezielle Fragetechniken. Eine erfolgreiche Methode nennt sich das »innere Team«. Dabei werden in einer Art Zwiegespräch alle inneren Stimmen zu einem bestimmten Thema berücksichtigt, unter Benennung des jeweiligen Teammitglieds, zum Beispiel »der Zögerliche«. So etwas lässt sich unter anderem vor wichtigen Entscheidungen durch­spielen, etwa bei der Frage, ob man einen bestimmten neuen Job annehmen soll. Die Gedanken dazu werden aufgeschrieben, denn hinter den Gedanken verstecken sich häufig Gefühle, die wiederum Ausdruck für Bedürfnisse sind …

Selbst wenn das gelingt: Sind Männer nicht häufig auch beratungsresistent?
Nein. Coaching ist ja auch keine Beratung. Meine Klienten wissen logischerweise mehr über ihre Gefühle als ich, sie kommen nur nicht an sie heran. Das ist meine Aufgabe. Außerdem sind Männer meistens Macher: Wenn sie in diesem Prozess einmal herausgefunden haben, welche Entscheidungen für sie die besten sind – wenn Gefühl und Verstand zusammenpassen –, dann setzen sie diese schnell um. Bei Frauen ist es in der Regel umgekehrt: Sie haben mehr Zugang zu ihren Gefühlen und wissen, was ihre Bedürfnisse sind – aber missachten diese, weil ihnen für die Umsetzung vielfach das Selbstbewusstsein fehlt. 

Wie oft ist bei Ihren Klienten eher das Privatleben das Problem und weniger der Job?  
Ich bin keine Paar- oder Familientherapeutin, aber natürlich gehört die gesamte Umwelt des Betroffenen bei einem systemischen Coaching dazu. Übrigens auch Fragen des körperlichen Empfindens, denn ab ca. vierzig beginnt ganz sachte der eigene Verfall. Aber selbst wenn diese Faktoren eine Rolle spielen, entsteht bei den meisten die Unzufriedenheit trotzdem am Arbeitsplatz.

Viele Männer kommen nicht darauf, was ihnen fehlt und welche ihrer Bedürfnisse nicht erfüllt werden.

Susanne Lübben, Businesscoach