Juliane Voorgang: Mit Buchparfüm von Günter Grass zum Erfolg

Jede große Karriere fängt klein an: Heute ist Juliane Voorgang Leiterin des Krimibereichs beim Stuttgarter Kosmos Verlag, doch auch sie verfasste einst Artikel über Kaninchenzüchtervereine. Das war noch in ihrer Heimat Limburg an der Lahn, wo die heute 36-Jährige nach dem Abi für die Lokalzeitung schrieb. Allerdings nicht nur über Kaninchen – schon früh bewies Voorgang Kreativität und Eigeninitiative bei der Themensuche. „Einmal war ich nachts mit auf Streife dabei“, erzählt sie. „Mich hatte interessiert, was Polizisten bei Nacht erleben.“

Keine Texte mehr über Heterotopien

2004 zog Juliane Voorgang für das Studium der Neueren Deutschen Literatur und Soziologie nach Süddeutschland. Neben den Seminaren arbeitete sie als Ghostwriterin, verfasste Teile von Abschlussarbeiten für ihre Kommiliton*innen, meist über zeitgenössische Literatur. Ein moralisches Problem war das für sie nicht. „Ich habe Menschen geholfen, die bereits seit vielen Jahren studiert und es nicht hinbekommen haben, aus ihren Bruchstücken eine ganze Arbeit zu machen“, sagt sie. Sie selbst brachte das auch weiter: „Ich habe dadurch gelernt, mir schnell Themen zu erarbeiten, einen Überblick zu verschaffen und in einem harten Zeitrahmen zu arbeiten.“

Das ganze Denken und Schreiben braucht einen Ausgleich. Voorgang stieg in Tübingen in einem Reparaturcafé ein, das einmal im Monat im „Werkstadthaus“, in dem es sämtliche denkbaren Werkstätten und Aktivitäten gibt – vom 80-Jährigen Nähmaschinenreparateur zum Studi, der Smartphones repariert – veranstaltet wird. Ursprünglich wollte sie als Reparateurin den Nähbereich unterstützen. Doch schnell nahm ihr Organisationstalent überhand; sie kümmerte sich etwa um Slots und verwaltete Pressekontakte.

Nach dem Studium verbrachte sie zunächst einige Monate in Lübeck, um ein Praktikum im Günter-Grass-Haus zu machen. Ein Andenken an den 2015 verstorbenen Großautor hat sie heute noch: „Es gab damals dieses Parfüm Paper Passion vom Steidl Verlag, das nach Buch riechen soll. Das hat mir Günter Grass geschenkt und die Schachtel unterschrieben.“

Schließlich begann sie, eine Doktorarbeit über Flucht und Vertreibung in aktueller deutschsprachiger Literatur zu verfassen. „Ich wollte untersuchen, wie sich Diskurse um Migration durch die Generationen ziehen.“ Die Dissertation war der Baustein, der sie in die Wissenschaft führen sollte, um Professorin zu werden. Sie lektorierte auch wissenschaftliche Monographien für das Deutsche Institut für Erwachsenenbildung und für den Deutschen Volkshochschulverband. Dabei merkte sie, wie viel Spaß ihr das Lektorieren selbst machte, dass es aber nun Zeit war für eine Neuorientierung. „Ich wollte mich nicht nur mit Theorien von Foucault beschäftigen und nur darüber sprechen, ob die Universität eine Heterotopie ist“, sagt sie mit einem Lachen.

Stationen: Buch-Tinder und Gummersbach

Und so wandte sie der Wissenschaft den Rücken zu und begann 2016 beim frechverlag ein Volontariat. Die praktische Erfahrung aus dem Reparaturcafé kam ihr bei dieser Arbeit zugute. Für den Verlag mit Fokus auf DIY-Büchern betreute Voorgang primär Kreativbücher aus den Bereichen Nähen, Häkeln, Basteln oder Backen. „Man muss zum einen ein gewisses Fachwissen mitbringen und zugleich Origami selbst nachbasteln können“, erläutert sie. Das eigentlich auf anderthalb Jahre ausgerichtete Volontariat beendete sie ein paar Monate früher, als sich die Gelegenheit ergab, bei Kosmos einzusteigen, wo sie dann drei Jahre lang für allgemeine Fiction zuständig war.

Dass die Lektorin sehr kreativ ist, bewies sie nicht nur im Reparaturcafé. Für den Kosmos Verlag betreute Voorgang nicht nur die interaktive Spielreihe Exit – Das Buch, die leidenschaftliche Brettspielerin arbeitete als Co-Autorin  auch an einem Exit-Spiel samt Puzzle mit, wofür sie das Exit-Autorenpaar Inka und Markus Brand in Gummersbach besuchte. Und 2017 wurde sie mit dem Frequenz-Award prämiert, der Ideen auszeichnet, um Kund*innen in Buchhandlungen zu locken, für ihr Konzept einer App namens BookTinder, die per Pushnachricht über passende Bücher in nahegelegenen Buchhandlungen informieren soll.

Von Spielen und Krimis

Zu Beginn des Jahres kam dann die nächste berufliche Weiterentwicklung für Juliane Voorgang. Sie ist bei Kosmos jetzt Redaktionsleiterin für die Sparte Krimi und somit verantwortlich dafür, die wichtigen Marken Die Drei ???, Die Drei !!!, Die Drei ??? Kids, TKKG Junior und Bücherhelden gemeinsam mit ihrem Team strategisch weiterzuentwickeln. Abstrakt gesprochen heißt das: mit ihrem Team Zahlen analysieren, neue Produktformen entwickeln, Synergien suchen. Konkret kann das beispielsweise auch bedeuten, alte Marken zeitgemäßer zu adaptieren, etwa bei der Textüberarbeitung alter Bücher auf eine diskriminierungsfreie Sprache zu achten oder mit ihrem Team an der neuen Coveroptik für Die drei ??? zu arbeiten. Das ist ein sehr besprechungsintensiver Job, für den Voorgang sehr eng mit Vertrieb, Marketing und Lizenzabteilung zusammenarbeitet. Auch zu Corona-Zeiten kein Problem, wie sie sagt: „Kosmos war von Anfang an super flexibel, wir wurden gut ausgestattet und können so viel Home Office machen, wie wir wollen.“ Gerade weil sie schon so lange im Team ist und alle gut kennt, sind Besprechungen per Video kein Problem. Allerdings: „Natürlich ist es was anderes, weil man nicht auffangen kann, wie die Stimmung gerade ist und das nur von den Leuten mitbekommt, die direktes Feedback geben.“

Bei Kosmos also wird Juliane Voorgang erstmal bleiben. Nicht nur des Jobs wegen, auch die Atmosphäre im Verlag hebt sie positiv hervor: „Kosmos ist frauengetrieben – auch in der Führungsriege. Das ist so angenehm und schön in der Zusammenarbeit, vor allem im Vergleich zu früheren Erfahrungen.“ Kosmos Verlag und Juliane Voorgang – it’s a Match!

Sommer: „Alles unter 25 Grad fühlt sich für mich nach Winter an. Im Büro bin ich dafür bekannt, meistens mit einer Wärmflasche unterwegs zu sein. Umso mehr freue ich mich jetzt schon auf die kommenden Sommermonate.“

Serien: „Ich liebe gute Fernsehserien. Es ist so schön, länger als zwei Stunden in einer Welt verweilen und sie in ihrer Tiefe kennenlernen zu können. Auch bei Büchern greife ich lieber zu Reihen, als zum Einzelband. Besonders hat es mir der ‚Cosmere‘ von Brandon Sanderson angetan.“

Backen: „Ich suche immer nach einer Gelegenheit, um Kuchen zu backen. Es gibt fast nichts anderes, was mich so entspannt. Manchmal findet sich kein Anlass, sodass ich schon komplette Motivtorten über Social Media verschenkt habe. Sobald wir uns wieder im Büro treffen können, werden meine Kolleginnen hoffentlich wieder die Verkostung übernehmen.“

Juliane Voorgang (36) studierte an der Uni Tübingen NDL und Soziologie im Magister, leitete nebenbei ein Reparaturcafé, verfasst als Ghostwriterin Seminararbeiterin und lektorierte wissenschaftliche Texte. Nach einem Volontariat im Stuttgarter frechverlag wechselte sie Ende 2017 zum Kosmos Verlag, wo sie im Januar 2021 die Leitung des Krimibereichs übernahm. Sie ist Co-Autorin eines der Exit-Puzzles.
 

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