Die Rolle der Backlist im Kinderbuch

"Wichtiger als jedes Neuerscheinungsprogramm"

18. September 2017
von Börsenblatt
Am Donnerstag erscheint das neue Kinder- und Jugendbuch-Spezial, in dem unter anderem auch die Rolle der Backlist in diesem Segment beleuchtet wird. Im boersenblatt.net-Interview erklärt Klett-Kinderbuch-Verlegerin Monika Osberghaus, wie wichtig die "älteren" Titel für den Umsatz sind.

Wie wichtig ist die Backlist heute?

Die Backlist rettet uns. Sie ist wichtiger als jedes Neuerscheinungsprogramm. Unsere Bücher wirken ja manchmal etwas befremdlich; sie treffen jedenfalls nicht den Massengeschmack. Dafür wirken sie oft umso länger nach. Ob ein Buch lange leben kann und einen größeren Freundeskreis findet, merken wir deshalb nicht schon bei den Vertreterreisen. Die Vormerker sind nicht so aussagekräftig für uns und das ist beruhigend, weil sie am Anfang oft sehr mickrig aussehen. Ich weiß aber aus Erfahrung: Manches entwickelt sich erst deutlich später. Manches davon wird dann ein guter Träger für die Backlist.

Wie sieht das Verhältnis zwischen Backlist und Novitäten in Zahlen aus?

Aussagekräftig ist das Jahr 2015, da wir im Jahr 2016 einen Bestseller hatten, also ein Ausrutscherjahr, und 2017 läuft ja noch. In 2015 hatten wir eine Backlistquote von etwa 55 %. Das ist hoch und bestätigt meine Aussage, dass für uns die Novitäten erstmal nicht so ausschlaggebend sind. Die entwickeln sich oft mit Verspätung, wenn sie schon zur Backlist gehören.

Ist es nicht besonders schwierig, gerade im Bilderbuch eine starke Backlist aufzubauen?

Unsere Stärken liegen beim Sachbilderbuch. Von „Alles Familie! Vom Kind der neuen Freundin vom Bruder von Papas früherer Frau und anderen Verwandten“ habe ich gestern gerade die neunte Auflage in Auftrag gegeben. Das Buch wird mit jedem Jahr stärker. Es ist offensichtlich eingesickert in das Bewusstsein der Erzieher, ist jetzt in vielen Schulbibliotheken und Beratungsstellen. Solche Titel tragen die anderen mit.

Beobachten Sie Unterschiede, was den Verkauf der Backlist im stationären Buchhandel oder online betrifft?

Ja, beispielsweise bei „Klär mich auf: 101 echte Kinderfragen rund um ein aufregendes Thema“, der auch ein starker Backlisttitel ist. Der geht allerdings weniger über den Buchhandel, sondern mehr online. Es gibt Backlisttitel, die bei Amazon sehr gut laufen, aber im Buchhandel kaum wahrgenommen werden. Das ist bei uns leider manchmal auch so. Wir kennen viele Buchhändlerinnen, die „Klär mich auf“ lieben und auch sehr gut verkaufen. Aber in der Breite gibt es offensichtlich Bedenken.

Ist der Markt im Moment vielleicht einfach zu sehr mit Serien gesättigt?

Ich glaube, dass deswegen so viele Serien entstehen, weil das immer wieder Versuchsballons sind. Die großen Verlage, die für so etwas Geld übrig haben, können immer mal wieder einen Dreiteiler ausprobieren. Und manchmal erscheint ein angekündigter Dreiteiler dann auch nur in zwei Teilen. Den Erfolg kann man nicht vorhersagen. Man kann noch so überzeugt sein - wenn die Buchhändler nicht mitmachen, dann klappt es nicht.

Was tun Sie, wenn der Buchhandel nicht mitmacht?

Ich finde, die Buchhändler könnten manchmal mutiger sein. Wir probieren öfter neue Striche aus und merken, wenn etwas auf Unverständnis stößt. „Die Böckchen-Bande“ aus Norwegen kommt mit besonderen Illustrationen daher. Kinder lieben das, wenn sie es zu sehen bekommen. Aber sehr viele Buchhändler haben uns zurückgemeldet, dass sie selbst die Bilder hässlich finden. Ich möchte aber eigentlich drei Böckchen-Bande-Titel machen, am liebsten natürlich für die Backlist.

Ist das nicht sehr riskant, wenn „Die Böckchen-Bande im Schwimmbad“ schon so gut wie untergegangen ist?

Die Böckchen-Bande lebt. Die Buchhändler haben nur oft gar keinen Spaß mehr daran, mal die Leute aufzureizen und etwas ganz anderes und frisches anzubieten. Vor allem im Bilderbuchbereich wäre das aber spannend. Die Erwachsenen kaufen ja gerne das, was sie schon kennen. Das ist natürlich gut für die Backlist, aber es geht ja eben auch darum, weitere Titel in der Backlist zu etablieren. Deshalb werden wir jetzt die Azubis ansprechen: Sie können bei uns Freiexemplare bekommen. Vielleicht sind sie aufgeschlossener für Experimente und Ungewohntes.