Interview mit Karl-May-Verleger Bernhard Schmid

"Der Kleine fällt durchs Netz"

7. November 2013
von Börsenblatt
Die grün-goldenen Bände sind seit 100 Jahren das Markenzeichen des Karl-May-Verlags. Doch das Geschäft wird zunehmend schwieriger. Welche Weichen stellt Verleger Bernhard Schmid?

In der 100-jährigen Geschichte des Karl-May-Verlags haben Sie 80 Millionen Bände der Gesammelten Werke Karl Mays abgesetzt. Ihr Topseller »Winnetou I« verkauft sich heute noch 3 000 Mal pro Jahr. Sind Sie zufrieden?Nein. Als Verleger ist man nie zufrieden. Die Verkaufszahlen der Winnetou-Reihe sind niedriger als früher, aber stabil und immer noch besser als die vieler anderer Jugendbücher. Unser größtes Problem ist, dass unsere Titel im Buchhandel häufig nicht präsent sind.

Weil der Markt für Karl May gesättigt ist?
Ebay und der Gebrauchtbuchmarkt sind unsere Konkurrenten
– der Erfolg unserer Vorgänger holt uns ein. Aber es gibt nach wie vor einen nennenswerten Markt für neue Bücher. Karl May ist ein beliebtes Geschenk, wir machen 40 Prozent unseres Umsatzes im Weihnachtsgeschäft. Darum tut es uns so weh, dass unsere Titel nicht im Buchhandel entdeckt werden können. So fehlt uns das Mitnahmegeschäft, der „Zufallskunde", der ohne bestimmten Buchwunsch in den Laden kommt. Das Sortiment ist ein wichtiger Indikator für Novitäten. Viele Leser kennen aber unsere neuen Bücher gar nicht. Band 94, „Briefwechsel mit Joseph Kürschner", ist in diesem Sommer erschienen, Band 95 in Vorbereitung und mit Band 90 soll das Hauptwerk Karl Mays 2014 abgeschlossen werden.

Wäre es für Ihren Verlag möglicherweise an der Zeit, seinen Markenauftritt zu verändern?
Dazu sage ich ganz klar: Nein. Diese Idee wurde bereits öfters an uns herangetragen. Unsere Ausstattung gibt es bereits seit 1892 in fast unveränderter Form. Sie ist eine eingetragene Bildmarke und hat alle Moden überdauert. Mögliche Nebenausgaben schließt das natürlich nicht aus. Gegen Experimente haben wir uns nie gewehrt – aber diese zeitlose Ausstattung mit ihrem hohen Wiedererkennungswert anzufassen, wäre ein großer Fehler, auch wenn die Herstellung immer teurer wird.

Auf den Büchertisch passt Winnetou neben die Fantasyknüller nach Meinung manches Buchhändlers optisch nicht mehr … Ist nicht doch die Ausstattung schuld?
Muss es denn passen? Will der Buchhandel nur den Einheitsbrei anbieten oder muss er unterschiedliche Kunden bedienen? Auch wenn jungen Buchhändlern der Look nicht immer gefällt: Im Modegeschäft muss man auch Hosen verkaufen, die man selbst nicht tragen möchte. Was heute beim Buch trendy ist, ist häufig nach zwei Jahren schon wieder out. Unsere Ausstattung hält sich seit über 120 Jahren!

Bücher können heute ja auch ohne Kleider erscheinen. Beim E-Book dürften Sie wohl kaum von Ihrem starken Wiedererkennungswert profitieren …
Doch – und beim E-Book-Markt waren wir von Anfang an dabei und sind auch mit dem Umsatz zufrieden, obwohl jeder Hobbyverleger heute die gemeinfreien Ausgaben des 19. Jahrhunderts veröffentlichen kann. Bei den eBookCards von Epidu waren wir als einer der ersten Verlage mit von der Partie, leider sprang auch hier der Buchhandel bei Karl May nicht mit auf. Unsere Ausgaben sind aber sprachlich modernisiert und unser Text urheberrechtlich geschützt. Diese Verbindung von Marke, zeitlosem Autor und gelungener Bearbeitung ist unser Plus – und zahlt sich auch aus.

Wäre es nach 100 Jahren nicht Zeit, auch neue Autoren ins Boot zu holen?
Rund um Karl May haben wir ja jede Menge Erfolgreiches von anderen Autoren gebracht: Romane, Sachbücher, Filmbücher und Bildbände. Mit unserem Imprint Edition Ustad haben wir uns an anderen Abenteuerklassikern versucht. Mit zeitgenössischen Autoren ist das eher schwierig. Die sucht man nicht im Karl-May-Verlag und wir würden erstmals mit allen anderen Verlagen konkurrieren.

Was spricht gegen Konkurrenz, das ist doch für alle Verlage an der Tagesordnung?
Hätte ich jetzt ein Manuskript, an das ich wirklich glaube, würde ich das Buch machen. Ein solches habe ich aber leider nicht. Wir profitieren von unserer starken Backlist, die sich konstant verkauft, mehr als von einem Risikotitel. Ich halte auch nichts davon, auf 25 Hochzeiten zu tanzen. Denkbar ist eine thematische Erweiterung rund um das Thema Karl May.

Welche Optionen hat der Verlag, wenn er 150-jähriges Jubiläum feiern möchte?
Die Situation ist ernst. Andere Verlage unserer Größenordnung sind schon bei größeren Häusern untergeschlüpft oder fusionieren. Aktuell ja gerade Unternehmen wie Thienemann und Esslinger. Einen solchen Schritt planen wir derzeit nicht, aber im Hinterkopf muss ich mir immer die Frage stellen: Können wir unser Geschäft noch selbstständig führen oder müssen wir irgendwann Anteile verkaufen? Eine weitere Option könnte eine Vertriebskooperation sein, um mit den Großen des Buchhandels auf Augenhöhe verhandeln zu können und überhaupt wieder wahrgenommen zu werden. Der Kleine fällt heute leicht durchs Netz.

Wer wird denn irgendwann Ihre Nachfolge antreten?
Eigene Kinder habe ich nicht. Ob mein Neffe oder eine meiner Nichten Interesse am Verlagsgeschäft zeigen, bleibt abzuwarten.

Und bei Ihnen? Haben Sie Druck gespürt?
Bis zu meinem 30. Lebensjahr stand es bei mir nicht fest, in den Verlag einzusteigen. 1990 hatte sich die Gesellschaftersituation im Verlag durch den Tod meines Onkels grundlegend geändert. Ich hätte meinen Weg in anderen Verlagen weitergehen können. Aber wie oft im Leben bietet sich schon die Gelegenheit, Verleger zu werden?

Wenn es heute einen Nachfolger und einen Topf Gold obendrauf gäbe, was würden Sie morgen tun?
Die gute Fee also? Ich habe genügend Hobbies wie zum Beispiel Westernreiten. Langweilig würde es mir bestimmt nicht und ein bisschen mehr Urlaub und Freizeit wären auch nicht schlecht. Ich habe aber die Hoffnung und den Wunsch, dem Verlag und Karl May verbunden bleiben zu können und vielleicht beratend tätig zu sein. Der Autor Karl May ist es wert. „Nach mir die Sintflut“ ist nicht mein Ding. Der Erhalt des Verlags und meines Teams steht bei mir immer an erster Stelle.

Interview: Kai Mühleck

Eine Bildergalerie führt durch den Verlag.