Juergen Boos zur Warschauer Buchmesse

"Beide Seiten bemühen sich sehr"

23. Mai 2017
von Börsenblatt
Am Sonntag ist die Internationale Buchmesse in Warschau zu Ende gegangen. Deutschland präsentierte sich zum zweiten Mal als Ehrengast mit einem 220 Quradratemter großen Stand. Im Kurzinterview zieht Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse, eine persönliche Bilanz zum Auftritt.

Welche Eindrücke haben Sie von der Warschauer Buchmesse mitgenommen?

Sehr persönliche! 2005 bin ich als Direktor zur Frankfurter Buchmesse gekommen – mein erster Gastlandauftritt war 2006 in Warschau – ein sehr großer Auftritt mit bedeutenden Autoren wie Grass und Enzensberger, auch der damalige Staatspräsident Horst Köhler war anwesend. Da kamen natürlich viele Erinnerungen wieder hoch. Nur die Aufbruchsstimmung von damals, die habe ich in diesem Jahr nicht gespürt. Vielleicht auch darum, weil auf der Verlagsseite eine starke Konsolidierung stattgefunden hat. Es gab eine kleine Demonstration gegen den Präsidenten Andrzej Duda, bei der die Demonstranten rot-weiße Bücher mit der polnischen Verfassung in die Höhe gehalten und mit „Konstytucja“-Rufen gegen ein geplantes Referendum der polnischen Verfassung protestiert haben.

Elf Autoren aus Deutschland sind angereist. Was war Ihr Höhepunkt im Programm des deutschen Gastlandauftritts?

Es war toll, dass wir Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller dabei hatten. Die Veranstaltung war auch sehr politisch – und hervorragend moderiert. Müller hat ja den Sozialismus erlebt und die polnische Regierung angeklagt.

Das Thema Meinungsfreiheit und die EU-Krise waren wichtige Themen des deutschen Auftritts – hat das bei den Gastgebern nicht für lange Gesichter gesorgt?

Diesen Eindruck hatte ich nicht. Es waren ja beide Staatspräsidenten gemeinsam am Deutschen Gemeinschaftsstand. Dass der Bundespräsident die Buchmesse besucht hat, spricht ja Bände was den Stellenwert der Einladung angeht. Mein Eindruck: Beide Seiten bemühen sich sehr um eine gute Beziehung. Auch beim Staatsdinner war die Stimmung gar nicht eisig. Andrzej Duda ist als Präsident aber auch nicht mit der PiS gleichzusetzen, auch wenn er die Gesetze der Regierungspartei unterschreibt – da muss man sehr genau unterscheiden.

Die Zahl von 66 deutschen Ausstellern in Warschau markiert einen Beteiligungsrekord. Sind umgekehrt auch Impulse für die Frankfurter Buchmesse im Oktober zu erwarten?

Die Frage ist schwierig zu beantworten. Die Anmeldungen für die Frankfurter Buchmesse sind bislang jedenfalls sehr zufriedenstellend. Natürlich lebt jede Messe von internationalen Ausstellern und Kontakten. Russland, Frankreich, Deutschland sind in Warschau seit vielen Jahren mit großen Ständen vertreten. Man darf aber nicht vergessen, dass Warschau vor allem eine sehr große Verkaufsmesse für polnische Bücher ist, beinahe schon ein Basar.

Warschauer Buchmesse 2017 in Zahlen

  • 800 Aussteller aus 32 Nationen
  • Veranstaltungen: 1 500 mit rund 1 000 Autoren
  • Besucher: 75.000 (davon 9.000 Schüler)
  • Deutscher Gemeinschaftsstand: 220 Quadratmeter, 66 Aussteller, 800 präsentierte Bücher

Polnischer Buchmarkt 2015

  • Umsatz: 566 Mio. Euro (minus 2,8 Prozent zu 2014)
  • Anteil Warengruppen (in Prozent): Belletristik (32,1), Kinder- und Jugendbuch (15,8), Ratgeber (14,3) 
  • 21.130 Novitäten (davon 7.208 Übersetzungen)
  • Import deutscher Bücher: 123 Mio. Euro (Platz 4)
  • Buchexport nach Deutschland: 102 Mio. Euro (Platz 2)

(Quellen: Warszawskie Targo Ksiazki; Buch und Buchhandel in Zahlen 2016; Polish Publishing in Figures)