Frankfurter Buchmesse

Destinazione Francoforte

15. März 2024
von Holger Heimann

Italien ist in diesem Jahr Ehrengast der Frankfurter Buchmesse. In Berlin gaben Wagenbach-Verlegerin Susanne Schüssler, Buchmesse-Direktor Juergen Boos und der italienische Botschafter Armando Varricchio jetzt Einblicke in den Buchmarkt - und ein südliches Lebensgefühl.

Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse; Maria Carolina Foi, Direktorin des Italienischen Kulturinstituts Berlin; Susanne Schüssler, Leiterin des Verlags Klaus Wagenbach und Armando Varricchio, Italienischer Botschafter in der Bundesrepublik Deutschland (von links)

Italien, der diesjährige Ehrengast der Frankfurter Buchmesse, präsentiert seine Literatur nicht zum ersten Mal auf einer besonders großen und herausgehobenen Bühne in Frankfurt. 1988 war das Land schon einmal Ehrengast – mit Folgen. "Plötzlich war die italienische Literatur bei uns präsent", sagte Susanne Schüssler, Verlegerin des Wagenbach Verlags, der wohl wie kein zweiter hierzulande für diese Präsenz gesorgt hat, bei einem Pressegespräch im Berliner Büro des Börsenvereins. Schüssler ist sich sicher: "Das werden wir wieder erleben."

Der italienische Botschafter Armando Varricchio

Über 600 Übersetzungen

Die Chancen stehen tatsächlich gut. 90 Titel seien bislang zum bevorstehenden Gastland-Auftritt übersetzt worden, rechnete Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse vor. Der italienische Botschafter Armando Varricchio hatte noch mehr vielversprechende Zahlen parat: Zwischen 2021 und 2024 erschienen in Deutschland demnach über 600 Übersetzungen aus dem Italienischen. Mehr als ein Viertel der Titel seien von italienischen Instituten und Behörden gefördert worden.

Noch bis zum 24. April könnten sich deutschsprachige Verlage bei italienischen Kulturinstituten für entsprechende Zuschüsse bewerben. Umgekehrt wurden 2022 auch fast 600 deutschsprachige Titel ins Italienische übersetzt (Rang drei nach englischen und französischen Büchern). Susanne Schüssler, deren Verlag in diesem Jahr 16 Titel mit Italienbezug herausbringt (sechs Neuübersetzungen, sechs Neuauflagen und vier Titel über Italien), wies darauf hin, dass die großzügige Förderung von Übersetzungen aus dem Italienischen ins Deutsche nicht nur dem deutschen Buchmarkt zugutekomme: "Das wirkt auf Italien zurück", ist die Verlegerin überzeugt, denn italienische Bücher würden so international sichtbarer.

Wagenbach-Verlegerin Susanne Schüssler im Gespräch mit Buchmesse-Direktor Juergen Boos

Verlegerin Susanne Schüssler, die im Wagenbach Verlag eine große Reihe italienischer Literatur pflegt, im Gespräch mit Buchmesse-Direktor Juergen Boos

In der Zukunft verwurzelt

Der italienische Buchmarkt, mit einem Umsatz von 3,4 Milliarden Euro der viertgrößte in Europa (Deutschland: 9,44 Milliarden Euro), entwickle sich überaus positiv, sagte Varricchio. Die Nachfrage nach Büchern sei deutlich größer als vor der Corona-Pandemie, vor allem die Bereiche Kinderbücher und Comics seien stark gewachsen; der Umsatz mit Comics habe sich verdreifacht. Juergen Boos glaubt, dass die Pandemie zu einer Rückbesinnung auf Bücher geführt hat und offenbar auch zu einem Umdenken in der italienischen Buchbranche. Vor allem in den Vororten hätten viele neue Buchhandlungen eröffnet. "Die Bücher kommen zu den Menschen", so Boos.

Unter dem Motto "Radici nel futuro" – "In der Zukunft verwurzelt" wird sich Italien vom 16. bis 20. Oktober auf der Buchmesse in Frankfurt präsentieren. Die "Reise durch Deutschland mit dem Ziel Frankfurt" ("Destinazione Francoforte") tritt das Land jedoch schon jetzt an: mit Auftritten bei den Stuttgarter Kriminächten (15.-28. März) und auf der Leipziger Buchmesse (21.-24. März). In den Monaten danach folgen unter anderem das Italienische Literaturfestival in München, der Literatursommer Schleswig-Holstein und das Krimifestival in Hamburg mit italienischer Beteiligung. "Wir wollen in ganz Deutschland die Scheinwerfer auf Italien richten", so Armando Varricchio vollmundig.

Italien literarisch erleben

Die italienische Literatur soll auch nach der Frankfurter Buchmesse im Licht der Öffentlichkeit bleiben. Nachhaltigkeit ist für die Organisatoren der Ehrengast-Auftritte ein großes Thema. Sieben Jahre wirke ein Gastlandauftritt in der Regel nach, sagte Juergen Boos. Die diesjährige Präsentation in Frankfurt sorge dabei nicht nur für mehr Übersetzungen italienischer Bücher ins Deutsche, sondern umgekehrt würden auch mehr deutsche Titel ins Italienische übertragen. Außerdem steige mit der Ehrengast-Präsentation in Frankfurt die Anzahl der deutschen Touristen, die das Land näher kennenlernen wollten.

Ob die Italiensehnsucht der Deutschen noch besonderen Anschub braucht, mag dahingestellt sein. Mit den zahlreichen Übersetzungen, Neuauflagen und Büchern über Italien, die in diesem Jahr erscheinen, können sich Italien-Reisende jedenfalls bestens auf das Land und seine Literatur einstimmen. "Wer nicht liest, hat nur ein einziges Leben gelebt. Wer liest, wird 5000 Leben gelebt haben", zitierte Juergen Boos den italienischen Schriftsteller Umberto Eco. Für italienische Lese- und Lebenserfahrungen dürfte 2024 ein besonders gutes Jahr sein.