Wer die im Umlauf befindlichen biografischen Abrisse zu Kim de l’Horizon liest, merkt schnell, dass hier jemand Zuschreibungen abzuwehren versucht. Demnach wurde diese*r Schriftstellernde 2666 geboren, hat »Literarisches Weinen in Biel« und »Hexerei bei Starhawk« studiert, am »Treibhaus-Wettkampf für exotische Gewächse« teilgenommen und einige »attention« erregt mit einem »Damenprozessor«. Scherz beiseite: Kim de l’Horizons Identität gibt sich fantasmatisch, geschlechtlich nur darauf festgelegt, nicht festgelegt zu sein. Der in feinfühliger, artistischer Prosa geschriebene und diverse sprachliche Register ziehende Roman »Blutbuch« erforscht die Herkunft aus einer unterprivilegierten Familie im Berner Land, diePrägungen, das Weitergegebene, das Verschwiegene: »Meine Muttersprache ist das Reden, meine Vatersprache ist das Schweigen.« Schreiben ist für Kim de l’Horizon die Mitnahme des Gewesenen, aber auch die Befreiung davon. Zum Befreienden gehören Worte wie »niemensch« statt »niemand«, aber auch die Beschreibung non-binärer Hochrisiko-Sexualpraktiken.