Bundeskartellamt

Abmahnung gegen Googles Konditionen zur Datenverarbeitung

11. Januar 2023
von Börsenblatt

Auf Basis der aktuellen Konditionen haben Google-Nutzer:innen keine ausreichende Wahl, ob und inwieweit sie mit der weitreichenden dienstübergreifenden Verarbeitung ihrer Daten einverstanden sind: Das ist die vorläufige Einschätzung des Bundeskartellamts.

Das Bundeskartellamt hat am 23. Dezember 2022 Alphabet Inc. (Mountain View, USA), Google Ireland Ltd. (Dublin, Irland) und Google Germany GmbH (Hamburg) seine vorläufige rechtliche Einschätzung in dem Verfahren wegen Googles Konditionen zur Datenverarbeitung übersandt. Nach dem jetzigen Verfahrensstand geht das Bundeskartellamt davon aus, dass die neuen Vorschriften für Digitalkonzerne (§ 19a GWB) einschlägig sind und Google deshalb seine Datenverarbeitungskonditionen und die darauf gestützte Praxis anpassen muss.

"Das Geschäftsmodell von Google baut ganz grundlegend auf der Verarbeitung von Nutzerdaten auf. Google hat hier einen strategischen Vorteil gegenüber anderen Unternehmen aufgrund des etablierten Zugangs zu relevanten Daten aus einer sehr großen Zahl an verschiedenen Diensten", so Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts. "Google muss sich an den Anforderungen der neuen Wettbewerbsvorschriften für Digitalkonzerne messen lassen. Das Unternehmen muss den Nutzerinnen und Nutzern ausreichende Wahlmöglichkeiten hinsichtlich der Verarbeitung ihrer Daten einräumen."

Auf Basis seiner aktuellen Konditionen könne Google eine Vielzahl von Daten aus verschiedensten Diensten kombinieren und damit z.B. sehr detaillierte Profile über Verbraucherinnen und Verbraucher anlegen, die das Unternehmen für Werbung sowie für andere Zwecke nutzen könne, oder auch Funktionen von Diensten trainieren. "Die Konditionen sehen vor, dass Google Daten, z.B. mithilfe seiner zahlreichen eigenen, teils sehr reichweitenstarken Dienste, wie der Google Suche, YouTube, Google Play, Google Maps und dem Google Assistant, aber auch mithilfe von zahlreichen Webseiten und Apps Dritter, für verschiedenste Zwecke erheben und dienstübergreifend verarbeiten kann." Dies betreffe auch Daten aus sog. Hintergrunddiensten von Google, wie den Play Services, die teilweise regelmäßig Daten von Android-Geräten erheben.

Wahlmöglichkeiten sind zu intransparent

Das Bundeskartellamt ist zu der vorläufigen Einschätzung gelangt, dass die Nutzerinnen und Nutzer auf der Basis der aktuellen Konditionen keine ausreichende Wahl haben, ob und inwieweit sie mit dieser weitreichenden dienstübergreifenden Verarbeitung ihrer Daten einverstanden sind. "Die bislang angebotenen Wahlmöglichkeiten sind insbesondere zu intransparent und pauschal, soweit Google überhaupt Wahlmöglichkeiten anbietet." Nach der derzeitigen Einschätzung des Bundeskartellamts setzen ausreichende Wahlmöglichkeiten insbesondere voraus, dass Nutzerinnen und Nutzer die Datenverarbeitung auf den jeweils genutzten Dienst beschränken können. Darüber hinaus müssten sie auch nach den Zwecken der Datenverarbeitung differenzieren können. Die angebotenen Wahlmöglichkeiten dürften zudem nicht so ausgestaltet sein, dass sie es Nutzerinnen und Nutzern leichter machen, die Zustimmung zu einer dienstübergreifenden Datenverarbeitung zu erteilen als sie nicht zu erteilen. Nicht zulässig sei zudem eine anlasslos und präventiv erfolgende flächendeckende dienstübergreifende Vorratsdatenverarbeitung, auch nicht für Sicherheitszwecke, die ohne jede Wahlmöglichkeit für Nutzerinnen und Nutzer erfolge. Das Bundeskartellamt beabsichtigt daher derzeit, dem Unternehmen eine Neugestaltung der angebotenen Wahlmöglichkeiten aufzugeben.

Verwaltungsverfahren gegen Google

Im Dezember 2021 hat die Behörde bereits festgestellt, dass Google nach § 19a GWB eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb hat. Unter dieser Voraussetzung erlaubt die neue Digitalvorschrift, bestimmte wettbewerbsgefährdende Praktiken solcher Unternehmen zu untersagen.

Das Bundeskartellamt stützt sich bei seinem Verfahren auf das deutsche Wettbewerbsrecht. Für bestimmte Dienste von Google dürfte zukünftig auch der europäische Digital Markets Act (DMA) anzuwenden sein, dessen Durchsetzung in die ausschließliche Zuständigkeit der Europäischen Kommission fällt. Der DMA beinhaltet ebenfalls eine Vorschrift, welche eine dienstübergreifende Datenverarbeitung adressiert, allerdings nur sofern von der Europäischen Kommission noch zu benennende sog. zentrale Plattformdienste involviert sind. Das vorliegende Verfahren auf Basis des nationalen § 19a GWB reicht teilweise über die zukünftigen Anforderungen des DMA hinaus. Das Bundeskartellamt steht dazu im Austausch mit der Europäischen Kommission.

Das Bundeskartellamt führt gegen Google ein Verwaltungsverfahren. Die ausführlich begründete Abmahnung bildet zunächst einen Zwischenschritt, der dem Unternehmen die Möglichkeit einräumt, zur vorläufigen Einschätzung des Amtes im Einzelnen Stellung zu nehmen und weitere Rechtfertigungsgründe oder Lösungsvorschläge vorzutragen. Am Ende kann es zu einer Einstellung des Verfahrens, Verpflichtungszusagen des Unternehmens oder einer Untersagung durch die Kartellbehörde kommen. Eine abschließende Entscheidung in der Sache wird voraussichtlich noch im Jahr 2023 ergehen.