Glückwunsch an Thedel von Wallmoden zum 65. Geburtstag

Ein feiner Geist

17. Juni 2023
von Andreas von Stedman

Dass Computer der Buchbranche neue Dimensionen eröffnen, erkannte er schon, als Macintosh für die meisten noch eine Toffee-Mischung war: Thedel von Wallmoden wird am 17. Juni 65 Jahre alt. Sein Freund Andreas von Stedman gratuliert.

Thedel von Wallmoden: Der Wallstein-Verleger war lange Vorsitzender der Stiftung Buchkunst – und steht an der Spitze der Historischen Kommission des Börsenvereins. 

Thedel von Wallmoden ist in der positivsten Sicht eine »Ausnahmepersönlichkeit«! Ich durfte ihn 1986 in einer fränkischen Privatbibliothek zwischen Büchern und gutem Wein kennenlernen.

Dass es die Ortschaft Wallmoden gab, das wusste ich durch meine niedersächsische Mutter. Hatte sie doch in den 1950er Jahren in dem beschaulichen Ort die Nächte durchgetanzt, nicht zuletzt mit dort Untergekommenen, aus dem deutschen Osten Geflohenen. »Ihn«, also Thedel sollte ich nun kennenlernen. Mir fiel sofort auf, dass da jemand war, der ruhig und bescheiden auch zu vorgerückter Stunde scharf analytisch argumentierte, durchaus mit gut pointiertem Humor, und der nicht tat, was Jungs Ende 20 häufig passiert: Unsinn reden. Bücher, historische wie aktuelle, waren genauso Thema wie die, weniger prosaisch, Produktion derselben. Seine hohe Bildung in Sachen Literatur und Buchwesen waren für ihn schon damals keine wie in unserer Branche oft vorzufindende Barriere, zukunftsgerichtet zu denken. 

In einer Zeit, in der Macintosh für die meisten in unserer Branche eine Toffee-Mischung zu sein schien, berichtete er, wie er mit dieser Maschine und dem Zauberprogramm »Page Maker« ganze Bücher erstellen wollte. Er war im Begriff, mit den Brüdern Steinhoff ein Dienstleistungsunternehmen für Satz in der Namenssynthese »Wallstein« zu gründen. Er begann also mit etwas, das wenige in der Branche schon einmal gehört hatten, aber wohl noch niemand umgesetzt hatte. Es faszinierte mich. Vor allem, da er sicher und schlüssig gegen die branchentypische Alarmmeinung: Bedrohung, geht nicht, Bücher sind anders etc. argumentierte. Und er schickte sich nun an, in den kommenden Tagen die Bibliothek, in der wir uns befanden, mit dieser Technik zu katalogisieren.

Mit Thedel kann man auch steinige Wege gehen. Er ist als Freund eine Bastion.

Andreas von Stedman, Velbrück Verlage / Velbrück GmbH

Thedel über dem Havanna Moon

Ich musste, und vor allem durfte, Thedel alsbald in Göttingen besuchen. Als ich in der Roten Straße ankam, war das Havanna Moon, ein studentisches Edelrestaurant, nicht zu übersehen. Im Treppenhaus vernahm ich den leichten Geruch der Küche, und dann stand ich in einer Bürolandschaft, die schon den Charme der Co-Working-Spaces der End-90er in Friedrichshain ausstrahlen sollte. Hier war es nicht nur erkennbar kreativ, sondern im Vergleich zu unserem Gespräch in Franken verfügte man schon über erste Erfahrungen mit Speisekarten, Fahrplänen, Vorlesungsverzeichnissen und einem Kneipenführer.

Und wen wundert’s – es gab erste Ideen zu Büchern aus dem universitären Umfeld. 

Unsere Diskurse wurden enger und häufiger, und ich lernte viel, was ich in meine Welt übertragen konnte. Und eines Tages kamen wir auf die Idee, etwas Gemeinsames zu machen. Wir gründeten sozusagen als Zuschussverlag die Bartonsche Verlagsbuchhandlung, ein großer Name für ein kleines Pflänzchen, dessen Erwähnung hier nur eine Rolle spielt, da es den > Beginn unserer unternehmerischen Zusammenarbeit markiert. Dort publizierten wir munter Firmengeschichten, Familiengeschichten, Autobiografien und Ähnliches. Die kleinen wirtschaftlichen Erfolge waren eine Freude, und wir freuten uns über jede Mark, die wir verdienten. Von besonderer Wichtigkeit waren der Diskurs über Themen, Bücher, Zusammen­arbeit, den wir gemeinsam, insbesondere auch zu Themen aus unseren »eigentlichen« Welten, führen konnten. 

Die klare Analyse, das Fehlen der Schnörkel der Eitelkeit, die Empathie, die großartige Menschlichkeit und soziale Kompetenz, die manchmal nervenden »inquisitorischen« Fragen, das beherzte Handeln und die ungeheure Zuverlässigkeit sowie die geerdete intellektuelle Brillanz sind für mich die wichtigen Charakterisierungen und die Basis unserer Freundschaft, sicherlich aber auch die Basis dafür, dass Thedel auch in dem damals schon sehr besetzten akademischen Verlagsumfeld reüssieren konnte. Verbindungen zu ihm verdienen den Namen und sind immer belastbar. Mit Ruth Klügers »weiter leben« startete er ebenso fulminant in die Belletristik.

Klar also, dass wir 1996 Velbrück als Versandbuchhandlung gründeten und 1999, nach dem Ende seines Engagements bei Suhrkamp, den Verlag Velbrück Wissenschaft aus der Taufe hoben.
 

Niemals im Elfenbeinturm

Mit Thedel von Wallmoden kann man beharrlich steinige Wege gehen, Rückschläge erleiden und jederzeit das Beckettsche »fail better« durchleben. Er ist als Freund eine Bastion, auf die man sich immer verlassen kann; als Unternehmer musste er sich von Stunde eins an bewähren und hat dies immer geschafft. Sein Erfolg ist eigenfinanziert, seine Entscheidungen sind niemals aus dem Elfenbeinturm, aber eben auch nie aus der ökonomischen rusticité. Sein feiner Geist ist es letztendlich, der Menschen zu faszinieren vermag, der Autoren, Institute und nicht zuletzt Leser bindet. Darüber hinaus ist er noch Landwirt genug, um zu wissen, dass man den Boden lieben muss, von dem man ernten möchte.

Er braucht keine Gralstempel der Bedeutung – funktionale Arbeitsumgebungen reichen, wenn sie dem Programm und den Autoren zur Bedeutung verhelfen. Egoprothesen sind ihm fremd, eine schier überbordende Bibliothek und permanente intrinsische Neugier reichen ihm und perpetuieren sein verlegerisches Sein.

Lieber Thedel, zu deinem Geburtstag darf ich dir als wesentlich Jüngerer ganz herzlich gratulieren, verbunden mit dem Wunsch nach einem weisen »Weiter so«.