„Künstliche Intelligenz wird unser Dauergast“

Frische Zahlen von Media Control hatte frech-Verleger Michael Zirn im Messegepäck. „Mit der aktuellen Marktentwicklung können wir ganz zufrieden sein“, bilanzierte Zirn, der zum Sprecherkreis der IG Ratgeber gehört – zusammen mit Nicole Schindler (Verlag Eugen Ulmer) und Karin Senft (Buchhandlung Pustet).

Der gesamte Buchmarkt verzeichnet laut Metis (dem Analysetool von Media Control) in den ersten 40 Kalenderwochen 2023 ein Umsatzwachstum von 4,2 Prozent. Die Warengruppe Ratgeber konnte ihre Einnahmen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 1,6 Prozent toppen – was allerdings in erster Linie dem steigenden Durchschnittspreis der verkauften Bücher (plus 3,5 Prozent) zu verdanken sei, so Zirn (Hinweis: Die Zahlen weichen vom Branchen-Monitor Buch des Börsenvereins ab, weil die Datenbasis anders abgegrenzt wird).

Neu sortiert haben sich die drei umsatzstärksten Unterwarengruppen:

• Lebenshilfe führt die Warengruppe jetzt als umsatzstärkstes Thema an. Dafür sorgen extrem starke Longseller wie „Das Kind in dir muss Heimat finden“ von Stefanie Stahl.
• Essen & Trinken fällt zurück auf den zweiten Platz. Nach dem Peak der Pandemie lässt die Nachfrage nach kulinarischen Büchern im Moment wieder nach. 
• Knapp dahinter folgt die Unterwarengruppe Hobby, Haus, die seit 2019 kontinuierlich wächst und gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 6,2 Prozent zugelegt hat. Für den Aufschwung sorgt vor allem das boomende Segment Rätsel & Spiele, das hier verortet ist.
• Viel Freude macht den Verlagen derzeit auch das Thema Spiritualität, das gegenüber dem ersten 40 Kalenderwochen 2022 um 6,8 Prozent zulegen kann und gegenüber 2019 ein Umsatzplus von 5 Millionen Euro aufweist.

Wie können Ratgeber die Kundenfrequenz im Buchhandel steigern? Damit haben sich seit der Frühjahrstagung der Interessengruppe im Mai (mehr dazu hier) verschiedene Arbeitsgruppen beschäftigt, die jetzt in Frankfurt ihre Ergebnisse vorstellten.

Ziemlich weit gediehen ist die Idee, eine verlagsübergreifende Imagekampagne in den sozialen Medien zu starten, die auch vom Handel und von Autor:innen geteilt werden kann. Arbeitstitel: „Das Buch. Dein Ratgeber“. Erste visuelle Entwürfe waren in Frankfurt zu sehen. Sie sollen weiter ausgefeilt und demnächst bei einem digitalen Anschlusstreffen im Detail präsentiert werden. Wenn alles glatt geht, könnte die Kampagne im Januar an den Start gehen: „Ich hoffe, dass dann auch alle kräftig posten, liken, teilen“, so Nicole Schindler.

Manga und Romance locken das junge Publikum derzeit scharenweise in den Buchhandel. Zudem nutzen viele 18-Jährige ihren KulturPass für den Buchkauf. Lässt sich die Generation Z auch für Ratgeber begeistern – für „Young Advice“ gewissermaßen? Karin Senft von der Regensburger Buchhandlung Pustet berichtete von den KulturPass-Erfahrungen in den elf Filialen des Unternehmens. Hier verkaufen sich vor allem Manga und englischsprachige Bücher, aber auch Lebenshilfe sei durchaus gefragt.

Hinzu kommt: Sowohl Kreativthemen als auch Lebenshilfethemen spielen in vielen New Adult-Romanen eine Rolle. Lässt sich da nicht eine Brücke zu passenden Ratgebern schlagen?

Darüber will die IG Ratgeber auf ihrer nächsten Tagung im Mai 2024 diskutieren – und zwar mit erfolgreichen Autor:innen in diesem Segment. Mehr zum Thema Young Advice und den Erfahrungen bei Pustet lesen Sie hier.

Dürfen urheberrechtlich geschützte Werke als Trainingsdaten für Künstliche Intelligenz verwendet werden? Das ist nur eine von vielen Fragen, die Verlage derzeit im Zusammenhang mit Chat GPT & Co. umtreiben.

Am Montag vor Messebeginn hat bereits der internationale Verlegerverband IPA zum Thema KI getagt: „Rechteinhaber aus aller Welt sind von den Entwicklungen betroffen“, machte Börsenvereinsjustiziar Christian Sprang deutlich, der zusammen mit seiner Stellvertreterin Susanne Barwick ein Update zum Thema und den Forderungen des Börsenvereins gab. Mehr dazu erfahren Sie hier, ein ausführliches FAQ des Verbands und Links zu zwei Webinaren finden Sie hier.

Nicole Schindler brachte die Sache am Ende so auf den Punkt: „KI wird wohl Dauergast auf der Tagesordnung werden.“

„Hochgradig frustrierend“: So lässt sich ein anderes Problem zusammenfassen, das die IG Ratgeber schon im Mai beschäftigt hat und das eng mit dem KI-Thema verwoben ist (mehr dazu hier). Bei Amazon werden immer wieder schnell und billig gemachte „Independently Published“-Titel hochgespült, die mehr oder weniger unverhohlene Kopien erfolgreicher Ratgeber sind.

Michael Zirn hat für frech die Spuren eines Zeichen-Ratgebers juristisch nachverfolgen lassen – die den Verlag zu einem angeblichen Autor Ahmed D. in Marokko führten: „Dessen Spur verlief sich dann in den Souks von Agadir“, so Zirn. Das Beispiel zeigt: Verstöße in diesem Bereich wirklich nachzuverfolgen, gestaltet sich schwierig. Und Amazon reagiert nach den Erfahrungen der Verlage eher schwerfällig auf Beschwerden. Dazu soll jetzt noch einmal das Gespräch mit dem Online-Händler gesucht werden.

Kurz angerissen wurde zudem das Thema Barrierefreiheit. Was speziell Ratgeberverlage bei Bildern beachten müssen, können Sie in einer dreiteiligen Börsenblatt-Serie nachlesen.

Auf der Agenda der IG Ratgeber stand auch die Frankfurter Buchmesse selbst. In diesem Jahr sind die Ratgeberverlage zum zweiten Mal mit einem Gemeinschaftsstand vertreten – allerdings in Halle 3.1 und nicht am Wunschstandort in Halle 3.0, wo auch die Stände der großen Ratgeberverlage beheimatet sind.

Gabi Rauch-Kneer, Geschäftsleitung Messemanagement bei der Buchmesse, kam bei der IG-Tagung vorbei, um das Feedback der Verlage einzuholen. Sie machte deutlich, dass der Andrang auf Halle 3.0 einfach zu groß sei, um alle Wünsche zu erfüllen.

Auch aus Sicherheitsgründen würden hier vor allem die großen Publikumsverlage platziert, die Besuchermassen anziehen. Sie konnte der IG Ratgeber deshalb wenig Hoffnung auf einen Umzug in Halle 3.0 machen. Auch der Wunsch, die Gourmet Gallery wiederzubeleben und damit für Frequenz in der 3.1 zu sorgen, lässt sich wohl nicht so bald umsetzen – unter anderem, weil Sponsor Miele fehlt und der organisatorische Aufwand im Hintergrund sehr groß sei.

Bei den Verlagen stießen beide Messe-Nachrichten auf vehemente Kritik. Wie es mit dem noch jungen Gemeinschaftsstand in Frankfurt weitergeht, ist damit völlig offen. Die IG Ratgeber will nun erst einmal die Bedingungen für einen gemeinsamen Messeauftritt an anderer Stelle abklopfen – nämlich bei der Buchmesse in Leipzig.