"Shakespeares Enkel" in Dresden schließt

„Die Pandemie war der Sargnagel für die Buchhandlung“

5. August 2020
von Sabine Cronau

"Shakespeares Enkel", die Verlagsbuchhandlung unabhängiger Verlage in Dresden, hat ihre Türen im Juli geschlossen. Die Folgen der Corona-Pandemie sind ein Grund für das Aus – aber nicht der einzige. Björn Bedey, Verleger von Bedey Media, über ein Experiment, aus dem er viel gelernt hat. Und das für ihn noch nicht zu Ende ist.

2018 haben 40 Indie-Verlage "Shakespeares Enkel" an den Start geschoben – eine 60 Quadratmeter große Buchhandlung mit Veranstaltungsprogramm in der Weimarischen Straße in Dresden. Ist das Projekt an der Corona-Krise gescheitert?

Die Corona-Krise ist nur ein Aspekt. Dass der Laden jetzt schließen musste, liegt auch an den ganz konkreten Bedingungen vor Ort: 2019 hatten wir drei Monate lang eine Baustelle direkt vor der Tür. Das hat uns einen Teil des Geschäfts gekostet. Außerdem ist die Miete deutlich erhöht worden. Die Probleme, mit denen sich "normale" Sortimente herumschlagen müssen, haben also auch uns ereilt. Auf der Leipziger Buchmesse im März wollten wir eigentlich auf einer Vollversammlung besprechen, wie es weitergeht. Das hat sich dann durch Corona zerschlagen. Die Pandemie war so gesehen der endgültige Sargnagel für das Projekt.

Hätten Sie sich nicht mit Soforthilfen über die Zeit retten können?

Leider nein. Denn alle staatlichen Zuschüsse in der Krise fließen nur unter der Voraussetzung, dass das Geschäft im Haupterwerb betrieben wird. Aber Betreiber von "Shakespeares Enkel" sind vier der 40 beteiligten Verlage, darunter mein Verlag Bedey Media. Und wir alle führen die Buchhandlung nebenbei. Dadurch konnten wir auf keinen einzigen Fördertopf zugreifen.

Vor allem aber fehlten uns die zeitlichen Ressourcen, um das Projekt zu begleiten und weiterzuentwickeln.

Björn Bedey, Verleger von Bedey Media und Mitbetreiber von "Shakespeares Enkel"

War kurzfristiger Geldmangel das einzige Problem?

Auch der Rückhalt für den Laden in Dresden und Umgebung war nicht so, wie er hätte sein müssen, um die Buchhandlung dauerhaft zu betreiben. Da hätte man mehr Kommunikationsarbeit leisten müssen. Vor allem aber fehlten uns die zeitlichen Ressourcen, um das Projekt zu begleiten und weiterzuentwickeln. Wir alle haben genug mit dem täglichen Überlebenskampf unabhängiger Verlage zu tun. Und ein Angestellter allein kann das nicht stemmen. Ich glaube, dass die Idee solcher Gemeinschaftsläden durchaus Zukunftschancen hat – aber dann müsste man zeitlich ganz anders einsteigen, als es uns federführenden Verleger*innen möglich war. Auch bei der Anschubfinanzierung braucht man einen längeren Atem.

40 Verlage in einem Boot – gab es da auch inhaltliche Differenzen um die Ausrichtung des Sortiments?

Nein, überhaupt nicht. Im Gegenteil: Wenn wir uns getroffen haben, war das sehr befruchtend. Alle Kolleg*innen sind sehr offen und engagiert. Der Laden war ein Experiment. Wir wollten Erfahrungen sammeln. Das haben wir getan – positive wie negative. Natürlich werden wir einen Teil der Zeche zahlen müssen. Es gibt aber auch Verlage, die mit einem Plus aus dem Projekt herausgehen.

"Shakespeares Enkel" war für uns alle ein Crashkurs.

Björn Bedey

Was steht auf der Haben-Seite?

Die direkte Begegnung mit den Kunden. Und dass wir unglaublich viel über den Buchhandel und seine Bedürfnisse gelernt haben.

Zum Beispiel?

Ach, da gibt es sehr viele Beispiele. Nehmen Sie allein das Thema Barcode: Ihn weiß auf schwarz auf ein Cover zu drucken, sieht zwar schick aus, lässt sich im Laden aber einfach nicht scannen. So etwas lernt man erst hinter der Ladentheke. Eigentlich müsste es eine Art Qualitätssiegel für vom Sortiment geprüfte Verleger*innen geben: Jeder sollte erst mal mindestens zwei Wochen in einer Buchhandlung arbeiten, um die speziellen Probleme im Sortiment zu verstehen. „Shakespeares Enkel“ war für uns alle ein Crashkurs.

Stimmt Sie das Ende traurig?

Natürlich ist es schade. Ich hätte mir gewünscht, dass unsere Buchhandlung zur festen Einrichtung wird, aber es hat nicht sollen sein. That‘s life. Viel wichtiger sind für mich die Erfahrungen, die wir daraus mitnehmen. „Shakespeares Enkel“ ist nicht nur ein Laden in Dresden, sondern die Erkenntnis, dass unabhängige Verlage zusammen mehr bewegen können. Die Idee für die Buchhandlung wurde in einer Facebook-Gruppe geboren, die immer wieder Neues entwickelt. Gerade erst hat die Edition Wannenbuch aus Chemnitz das Netzwerk "Schöne Bücher" initiiert, mit mehr als 50 Kolleg*innen an Bord. Erstes Projekt: Der Katalog „Schöne Bücher“ mit Lesetipps aus unabhängigen Verlagen. Es geht also weiter. Und zwar gemeinsam.