"The Blacklist / Die Schwarze Liste"

Münchner Mahnmal zur Bücherverbrennung eröffnet

7. Mai 2021
von Börsenblatt

Am 6. Mai ist auf der zentralen Kiesfläche vor den Staatlichen Antikensammlungen am Münchner Königsplatz das Kunstwerk "The Blacklist / Die Schwarze Liste" von Arnold Dreyblatt zur Erinnerung an die Bücherverbrennungen von 1933 eröffnet worden. Der Titel des Kunstwerks bezieht sich auf die "schwarzen Listen" mit unerwünschter Literatur, die im Frühjahr 1933 von dem Berliner Bibliothekar Wolfgang Herrmann erstellt wurden, und an denen sich die Organisatoren der Bücherverbrennungen am 10. Mai 1933 orientierten.

Wie das NS-Dokumentationszentrum München weiter mitteilt, habe der Stadtrat der Landeshauptstadt 2016 beschlossen, im öffentlichen Raum an die nationalsozialistische Bücherverbrennung zu erinnern. Aus dem internationalen Wettbewerb ging der Entwurf Arnold Dreyblatts als Gewinner hervor. Die Buchtitel auf der Spirale des begehbaren, kreisförmigen Kunstwerks stammen von 310 Autor*innen, die vom NS-Regime und seinen Anhängern geächtet und verfemt wurden. Das Mahnmal soll eine Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Ideologie anregen und zugleich zu einer Beschäftigung mit dem verfemten Kulturgut selbst führen.

Pandemiebedingt fand die Eröffnung als nichtöffentlicher Termin statt. Der Ministerpräsident des Freistaats Bayern, Markus Söder, der Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München, Dieter Reiter, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde, Charlotte Knobloch, der Kulturreferent der Landeshauptstadt München, Anton Biebl, die Direktorin des NS-Dokumentationszentrums München, Mirjam Zadoff sowie der Künstler Arnold Dreyblatt waren zur Eröffnung des Mahnmals anwesend.

"Dieses Mahnmal ist das richtige Zeichen am richtigen Ort zur richtigen Zeit. Wir erleben gerade heute wieder, wie mit Hass und Hetze versucht wird, Antisemitismus, Intoleranz, Rassismus und Menschenverachtung Raum zu geben", erklärte Ministerpräsident Markus Söder zur Eröffnung. "Erst wird gezündelt, dann wird versucht das Feuer weiter anzufachen. Haben wir den Mut, für unsere Werte, für Demokratie, für die Freiheit – die Freiheit des Wortes, der Kunst und der Meinungsäußerung – und gegen Antisemitismus und Rassismus einzustehen!"

Präsidentin Charlotte Knobloch wies darauf hin, dass der Königsplatz einer der zentralen Erinnerungsorte für die NS-Zeit in München sei. "Es ist sehr erfreulich, dass diese Erinnerung seit einigen Jahren mehr und mehr ins Blickfeld rückt. Dass auch die Bücherverbrennung von 1933, die mit diesem Ort untrennbar verbunden bleibt, jetzt so deutlich sichtbar gemacht wird, ist gerade in der heutigen Zeit richtig und nötig: Die Spuren der Vergangenheit, ohne deren Kenntnis wir die Gegenwart nicht gestalten können, müssen für jedermann lesbar und erkennbar sein."

Arnold Dreyblatt erläuterte das Konzept seines Mahnmals: "In meiner Arbeit "The Blacklist / Die Schwarze Liste" habe ich mich auf eine textuelle Markierung konzentriert, um die aktive Zerstörung von Wissen und Kultur durch eine Rezitation der Spuren einer verlorenen Welt zu beschwören. Ohne Interpunktion präsentiert, bildet dieser fortlaufende Text mit aufschlussreichen 310 Buchtiteln von verbotenen Autoren ein poetisches Fenster zu den politischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und literarischen Themen der damaligen Zeit.  Diese Textfragmente kollidieren und aktualisieren für uns heute neue Bedeutungen in einer spiralförmigen Komposition, die auch an die Rauchsäulen in den historischen Abbildungen der Bücherverbrennungen von 1933 erinnert.“

Die Bücherverbrennungen im Mai 1933 gingen von der antisemitischen "Deutschen Studentenschaft" aus. Sie fanden im Rahmen der „Aktion wider den undeutschen Geist“ in vielen deutschen Städten statt und bildeten den Auftakt zur systematischen Entfernung aller den Nationalsozialisten nicht genehmen Literatur aus Bibliotheken, Buchhandlungen und dem Literaturbetrieb. In München kam es zu zwei Bücherverbrennungen am 6. und am 10. Mai auf dem Königsplatz. 

Am 10. Mai 2021 um 19 Uhr gibt Arnold Dreyblatt im Gespräch mit Mirjam Zadoff Einblick in die Entstehung seines Kunstwerks – von der ersten Idee bis zum fertigen Mahnmal. Außerdem diskutieren beide über die Bedeutung von Erinnerungskunst im öffentlichen Raum und an historischen Orten sowie über aktuelle Prozesse und Diskurse der Erinnerungskultur. Online auf www.youtube.com/nsdoku.