Bilanz der 73. Frankfurter Buchmesse

36.000 Fachbesucher*innen, 37.500 Leser*innen

24. Oktober 2021
von Börsenblatt

Neustart der Buchbranche, Wiedersehensfreude und Kontroverse um die Grenzen der Meinungsfreiheit - die Frankfurter Buchmesse zieht Bilanz. Insgesamt kamen 36.000 Fachbesucher*innen aus 105 Ländern und 37.500 Leser*innen aus 85 Ländern auf das Messegelände. 2019 zählte die Frankfurter Buchmesse insgesamt 302.267 Besucherinnen und Besucher. 

Dank eines umfangreichen Hygienekonzeptes konnte sich das Fach- und das Privatpublikum unter dem Motto “Re:connect” wieder sicher begegnen. Insgesamt 2013 Unternehmen aus 80 Ländern präsentierten sich in den Hallen, im LitAg, an den neuen Workstations oder als digitale Aussteller*innen im Netz. 2.500 Medienvertreter*innen aus 39 Ländern waren für die diesjährige Frankfurter Buchmesse akkreditiert.

Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse: „Die 73. Frankfurter Buchmesse markiert nach 18 Monaten einen Neubeginn und hat angesichts der weltweit geltenden Reisebeschränkungen unsere Erwartungen weit übertroffen. Dies zeigt, wie resilient und kreativ unsere Branche ist. Viele Aussteller*innen und Fachbesucher*innen äußerten sich sehr zufrieden über die Qualität der Gespräche. Man konnte die Wiedersehensfreude in den Hallen förmlich spüren. Mit unserem digitalen Fachprogramm haben wir eine Brücke zu Teilnehmer*innen geschlagen, die in diesem Jahr nicht reisen konnten.“

Digitalprogramm

130.000 User*innen nutzten nach Angaben der Frankfurter Buchmesse die Angebote auf buchmesse.de. Der Livestream zum digitalen Fachprogramm “Frankfurt Studio: Inside Publishing” (27 Sessions) wurde allein auf der Website der Frankfurter Buchmesse über 15.500-mal in 97 Ländern eingeschaltet. Das deutschsprachige Live-Programm für das Privatpublikum im “Frankfurt Studio Festival” in Kooperation mit dem Kundenmagazin Buchjournal (34 Sessions) wurde bis zum Sonntagmittag bereits über 5.200-mal eingeschaltet.

Die ARD-Buchmessenbühne zeigte 46 Stunden Programm im Livestream und das Frankfurt Studio sendete 44,5 Stunden. Das physische BOOKFEST city-Programm kommt auf insgesamt 85,5 Stunden. Zusätzlich konnte ein Großteil des Live-Programms beider Livestreams auch über Facebook und YouTube verfolgt werden. Die Inhalte stehen im November auf buchmesse.de in einer Mediathek zur Verfügung.

Wiedersehensfreude und Aufbruchstimmung

Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels: „Die Frankfurter Buchmesse war geprägt von Wiedersehensfreude und Aufbruchsstimmung. Die Branche geht gestärkt aus der Pandemie hervor und hat die Messetage für die persönliche Begegnung, den Austausch über wichtige Branchenthemen und den Ausbau von Geschäftskontakten genutzt. Unterstützt durch ein breites digitales Angebot hat das Buch so eine weithin sichtbare Bühne bekommen. In aufgewühlten Zeiten standen auch wichtige gesellschaftliche Themen auf der Agenda. Dabei hat sich auch gezeigt, dass es gesellschaftliche Debatten gibt, die wir intensiv weiterführen müssen und werden – so etwa die zur Bekämpfung von Rassismus oder die zum Umgang mit extremen politischen Positionen in unserer Gesellschaft und auf Buchmessen.“

Besonders eindrücklich hat sich in den letzten Tagen gezeigt, wie sehr die Frankfurter Buchmesse die aktuellen gesellschaftlichen Debatten widerspiegelt und verstärkt. In über 100 Veranstaltungen auf dem Blauen Sofa, der ARD-Buchmessenbühne, im Forum Bildung äußerten sich Podiumsteilnehmer*innen aus vielen Disziplinen zu Themen wie Anti-Rassismus und Anti-Diskriminierung, Gendern und Meinungsfreiheit.

Boykottaufruf und Meinungsfreiheit

Der Boykottaufruf der Autorin Jasmina Kuhnke auf Grund der Präsenz eines Verlages der „Neuen Rechten“ habe "die Netz-Community aufgebracht und die Öffentlichkeit gespalten: Wo kann ein Veranstalter wie die Frankfurter Buchmesse die Grenze ziehen, welche Verlage zugelassen werden? Wo endet die Meinungsfreiheit, wo beginnt Zensur?", so die Frankfurter Buchmesse in ihrer Abschlussmeldung. Die Messe weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Politikerin Aminata Touré und die Managerin Janina Kugel sich entschieden haben, ihre geplanten Auftritte trotz des Boykottaufrufs im Netz wahrzunehmen und die Messe für sich und ihre Positionen zu nutzen. Sie trafen sich mit der Journalistin Jagoda Marinić im Rahmen der Reihe “SHEROES - Streiterinnen für die Zukunft” auf der ARD-Buchmessenbühne. Zum Thema “Boykott oder Ausschluss? Wie umgehen mit rechten Verlagen auf Buchmessen” fand am Messesonntag außerdem ein Panel mit Mirrianne Mahn (GRÜNE), Referentin für Diversitätsentwicklung der Stadt Frankfurt und dem Schriftsteller Per Leo statt.

„Wir bedauern zutiefst, dass Autor*innen ihren Auftritt auf der Frankfurter Buchmesse abgesagt haben. Wir haben mit unseren Partnern ein umfangreiches diverses Programm zusammengestellt, um viele Perspektiven aufzuzeigen. Die Stimmen dieser Autor*innen haben gefehlt. Mit ihrer Anwesenheit hätten sie ein Zeichen gesetzt, so wie das in der Vergangenheit zum Beispiel Salman Rushdie oder Chimamanda Ngozi Adichie getan haben und in diesem Jahr unsere diesjährige Friedenspreisträgerin Tsitsi Dangarembga oder deren Laudatorin Auma Obama, und viele andere“, so Juergen Boos.

Er führte aus: „Internationale Buchmessen leben von der Vielfalt der Meinungen und Inhalte sowie vom Austausch auf Augenhöhe. Inzwischen gibt es regelmäßig die Forderung nach Zensur und Ausschluss bestimmter Inhalte und Unternehmen – so auch in diesem Jahr. Für die Buchmesse gelten seit jeher zwei Grundsätze: Die Meinungsfreiheit darf nicht über die vom Staat gezogenen Grenzen hinaus eingeschränkt werden - das heißt für die Zulassung von Ausstellern in dubio pro libertate, und die Sicherheit der Teilnehmer*innen muss jederzeit maximal gewährleistet werden, so dass jede und jeder Einzelne sich frei und sicher fühlen kann, die Messe zu besuchen. Als Veranstalter der größten internationalen Buchmesse verwahren wir uns mit aller Schärfe gegen die Instrumentalisierung unserer Veranstaltungen. Die Freiheit des Wortes ist für uns nicht verhandelbar.“

Ehrengast Kanada

Unter der Motto „Singular Plurality – Singulier Pluriel“ präsentierte sich Kanada, der Ehrengast der Frankfurter Buchmesse 202. „Wir sind stolz darauf, dass wir die Gelegenheit hatten, unsere Literatur, Kunst und Kultur mit unseren deutschen Freunden und dem Rest der Welt zu teilen. Kanada ist ein Land mit vielen verschiedenen Stimmen, und wir sind uns sicher, dass unser Ehrengastauftritt diese Singular Plurality unseres Landes in den Fokus gerückt hat – die einzigartige Vielfalt, in der wir unsere Unterschiede annehmen und feiern. Mit dem Abschluss unserer zwei Ehrengastjahre beenden wir nun dieses unerwartet lange Kapitel der Frankfurter Buchmesse, und können es kaum erwarten zu sehen, was Spanien im nächsten Jahr für uns bereithält“, bilanziert S. E. Steven Guilbeault, Minister für kanadisches Kulturerbe, den Ehrengastauftritt Kanadas.

Besucher*innen erwartete im Ehrengast-Pavillon ein Parcours durch eine Installation, die mit den Elementen kanadischer Landschaft spielte. Der Pavillon, zu dem es in diesem Jahr auch ein virtuelles Pendant gab, führte die Kreativität und Vielfalt der kanadischen Literatur- und Kulturszene vor Augen. Insgesamt 60 kanadischen Autor*innen und Illustrator*innen gestalteten das kanadische Literaturprogramm – vor Ort in Frankfurt waren Michael Crummey, Michel Jean, Dany Laferrière, Catherine Mavrikakis, Paul Seesequasis, Vivek Shraya, Kim Thúy und Nancy Vo. Neben Lesungen und interaktiven Formaten dieser acht Künstler*innen auf dem Messegelände haben über 50 Autor*innen an virtuellen Veranstaltungen teilgenommen; dies beinhaltete auch virtuelle Auftritte von Margaret Atwood und Joséphine Bacon bei der Eröffnungsfeier. Die „Books on … Canada“ Ausstellung im Ehrengast-Pavillon zeigte knapp 400 Neuerscheinungen zu Kanada aus 165 Verlagen.

Die nächste Frankfurter Buchmesse findet vom 19. bis 23. Oktober statt, Ehrengast ist Spanien.

Auf einen Blick
Frankfurter Buchmesse 2021 kompakt

Die wichtigsten Preisverleihungen sowie Diskussionen zur Meinungsfreiheit und zum Gendersternchen kurz zusammengefasst. Außerdem tolle Impressionen, eine erste Bilanz sowie ein kleiner Blick auf das nächste Jahr.