Marcella Prior-Callwey über den Kulturpreis der Deutschen Wirtschaft

"Eine Literaturverlegerin wäre möglicherweise befangen"

13. Oktober 2023
von Sabine Cronau

Der Kulturkreis der Deutschen Wirtschaft vergibt einen Literaturpreis, der mit 20.000 Euro üppig dotiert ist. Verlegerin Marcella Prior-Callwey sitzt der Jury vor. Warum gerade sie? Und was verbindet die Wirtschaft mit der Literatur? Ein Interview.

Interview mit Marcella Prior-Callwey

Porträtfoto

Marcella Prior-Callwey

Marcella Prior-Callwey

Die promovierte Kunsthistorikerin führt die Buchsparte des Münchner Callwey Verlags - in vierter Generation und als alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin des Familienunternehmens.

Der Verlag, 1884 gegründet, ist auf Bücher rund um die Themenfelder Architektur, Design, Garten, Mode, Kochen, Reise und Lifestyle spezialisiert.

Der Kulturpreis ist aus einer BDI-Initiative hervorgegangen. Dass die Deutsche Wirtschaft einen Literaturpreis vergibt – das würde man nicht unbedingt vermuten. Ist die Kultur etwas, mit dem man sich gerne schmückt?

Der Kulturkreis der deutschen Wirtschaft wurde von Unternehmerpersönlichkeiten der deutschen Wirtschaft 1951 gegründet  - aus dem tiefen Bedürfnis heraus, Kulturförderung tief im Unternehmerverbund zu verankern und nicht alleine der Politik zu überlassen. Die Bücherverbrennungen, Ausstellungen „entarteter Kunst“, Auftrittsverbote und Repressionen aller Art des Nazi-Regimes saßen tief.

Bis heute ist es das Bestreben des Kulturkreises der Deutschen Wirtschaft, als unabhängige Initiative insbesondere junge Künstlerinnen und Künstler zu fördern. Dabei geht es neben der damit verbundenen finanziellen Unterstützung auch darum, den Preisträgerinnen und Preisträgern aus Literatur, Musik, Architektur und Bildender Kunst eine größere Sichtbarkeit zu geben, mittels Ausstellungen, Konzertreihen und Vorlesungen.

Der Kulturkreis der Deutschen Wirtschaft wurde 1951 aus dem Bedürfnis heraus gegründet, Kulturförderung nicht allein der Politik zu überlassen.

Marcella Prior-Callwey

Die Auszeichnung für Text & Sprache ist mit 20.000 Euro dotiert – viel Geld. Müssen Sie in der Jury viele Bewerbungen sichten?

Die Künstler werden durch die Jurymitglieder und Mitglieder des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft vorgeschlagen, aus diesen Nominierungen wird eine Shortlist erstellt. Auszeichnungsfähig sind Schriftsteller und Dramaturgen unter 45 Jahren, die bereits mehr als ein Werk publiziert haben.

Ich wurde gefragt, ob ich mich engagieren würde - und ich habe gerne zugesagt.

Marcella Prior-Callwey

Wie wird die Jury benannt? Und warum haben Sie als Callwey-Verlegerin den Vorsitz übernommen?

Die Jury setzt sich zusammen aus Mitgliedern des Gremiums „Text und Sprache", Mitgliedern des Kulturkreises der Deutschen Wirtschaft sowie Literaturwissenschaftlern, Intendanten und Vertretern der Literaturhäuser, die jedes Jahr neu benannt werden. 

Ich wurde gefragt, ob ich mich engagieren würde - und ich habe gerne zugesagt.

Würde man nicht eher eine Literaturverlegerin an der Spitze vermuten?

Gerade nicht, sie wäre möglicherweise befangen und müsste für oder gegen ihre eigenen Autor*innen stimmen.

Nach welchen Kriterien wird entschieden?

Die Kriterien sind:

  • hohe literarische Qualität
  • Veröffentlichung in deutscher Sprache 
  • Veröffentlichung in den letzten zwei Jahren 
  • zweite Veröffentlichung (kein Debüt)
  • Die Autorin bzw. der Autor darf nicht älter als 45 Jahre sein

Warum ist die Wahl in diesem Jahr auf Lukas Rietzschel gefallen?

Hier darf ich aus der Jurybegründung zitieren:

„Mit Lukas Rietzschel erhält ein noch junger Autor den Literaturpreis Text und Sprache, der insbesondere mit seinem zweiten Roman ´Raumfahrer´ aus dem Jahr 2021 außergewöhnliche Genauigkeit in seinem Erzählen mit einer starken thematischen Auseinandersetzung verbindet. Rietzschel ist noch keine 30 Jahre alt – der Preis ist Auszeichnung für seine konsequente schriftstellerische Leistung sowie zugleich Unterstützung und Ermutigung für sein zukünftiges Werk.“

Über die Auszeichnung

  • Mit den Beiträgen und Spenden seiner Mitglieder fördert der Kulturkreis der Deutschen Wirtschaft im BDI seit 1951 junge Künstler in den Bereichen Architektur, Bildende Kunst, Literatur und Musik.
  • Der Literaturpreis "Text und Kritik" ist mit 20.000 Euro dotiert und geht in diesem Jahr an Lukas Rietzschel.
  • Zehn Autor:innen standen 2023 auf der Shortlist, neben Rietzschel: Fatma Aydemir, Christian Baron, Martin Becker, Charlotte Krafft, Ronya Othmann, Slata Roschal, John Sauter, Andreas Stichmann, Senthuran Varatharajah.
  • Neben dem Literaturpreis gibt es den ars viva Preis für Bildende Kunst, den Architekturwettberb Transformation und den Musikwettbewerb Ton & Erklärung, der 2023 in der Sparte Gesang ausgelobt wurde.
  • Mehr zu den Preisen und zur Arbeit des Kulturkreises lesen Sie hier.