Börsenblatt Young Excellence Award 2020

Marcella Melien: Unbeirrbar zweigleisig

23. Juli 2020
von Christina Busse

Literatur schaffen oder Literatur vermitteln? Marcella Melien lebt beides. Die junge Autorin, die hauptberuflich bei dem Verein Litprom Literaturevents organisiert - oder diese digital umsetzt - ist 2020 für den Börsenblatt Young Excellence Award nominiert. 

 

Als „Gelegenheitsschreiberin“, die in sporadischen, aber intensiven Phasen Kurzgeschichten zu Papier bringt, so beschreibt sich Marcella Melien selbst. In Anbetracht der Resonanz ist das ein klares Understatement: Beim Jungen Literaturforum Hessen-Thüringen war sie alljährlich von 2011 bis 2017 – solange sie altersmäßig teilnehmen durfte – auf eine Auszeichnung „abonniert“. In 2014 gewann sie den hr2-Literaturpreis und erhielt eine Einladung zum Treffen junger Autor*innen, 2017 war sie Artist in Residence im Rahmen des Prosanova Festivals Hildesheim, im Jahr darauf konnte sie als Schreibstipendiatin des Hessischen Literaturrats e.V. für einen Monat in Litauen arbeiten.

Trotz dieses erfolgreichen Hintergrunds wollte sich die 28-jährige Wiesbadenerin nie völlig ihrer Passion verschreiben. „Ich hatte immer die Idee eines „richtigen“ Berufs und bin von Anfang an zweigleisig gefahren“, erklärt sie. Nach verschiedenen Stationen, die fast immer etwas mit Wort und Schrift zu tun hatten, fühlt sie sich jetzt angekommen: Bei dem Verein Litprom in Frankfurt hat Melien nach einem Volontariat eine neu geschaffene Vollzeitstelle im Bereich Veranstaltungen, PR und Social Media inne.

Seit 40 Jahren schon setzt sich der Verein, der von Brot für die Welt und anderen Organisationen der internationalen Zusammenarbeit bezuschusst wird und eng mit der Frankfurter Buchmesse kooperiert, für Literaturen aus Afrika, Asien, Lateinamerika und der arabischen Welt ein. Das fünfköpfige Team im Haus des Buches fördert Übersetzungsarbeiten und vor allem die Wahrnehmung von Texten. „Literaturvermittlung ist genau mein Ding“, betont Melien, die die 9. Litprom-Literaturtage im Januar – damals noch als Volontärin – als „Highlight“ erlebt hat: ein Wochenende mit Autoren und Autorinnen aus neun Ländern zum Thema „Migration – Literaturen ohne festen Wohnsitz“, das rund 600 Gäste ins Literaturhaus Frankfurt zog. „Es war richtig schön, das Ergebnis unserer Arbeit zu sehen, festzustellen, dass das Konzept aufgeht und die Veranstaltung gut besucht ist – und die Autorinnen und Autoren endlich persönlich zu treffen“, erzählt Melien, die von der Programmplanung, über die Beantragung, Reiseplanung und Werbung bis zur Abrechnung in das Literaturfest involviert war und auch die regelmäßig stattfindenden „Weltempfänger-Salons“ mitorganisiert.

Literaturvermittlung ist genau mein Ding

Marcella Melien

Natürlich steht auch auf ihrer Agenda, die Länder, deren Schriftstellerinnen und Schriftsteller sie promotet, direkt kennenlernen. Doch nicht nur die avisierten Reisen müssen aus bekannten Gründen erst einmal verschoben werden, auch für heimische Formate sind kreative Ideen gefragt, damit Veranstaltungen zu Corona-Zeiten in abgewandelter Form stattfinden können. So hat zum Beispiel gerade der LiBeraturpreis seine Online-Premiere gefeiert: Statt im Frankfurter Haus am Dom wurden die zwölf nominierten Autorinnen aus Kolumbien, Argentinien, Venezuela, Mexiko, Südkorea, Nigeria, Indien und Syrien und ihre Werke in jeweils rund fünfminütigen Videos auf dem Litprom-YouTube-Kanal vorgestellt – eine neue Erfahrung auch für die Jurymitglieder der Bestenliste „Weltempfänger“, die dafür im Juni einzeln vor der Kamera standen und jeweils eine Autorin präsentierten.

„Es hat großen Spaß gemacht, nach den Corona-Beschränkungen endlich wieder mit Leuten zu arbeiten“, sagt Melien, die mit der Übersetzung des Formats ins Digitale, der Organisation und der Regie vor Ort befasst war – gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten, einem ausgebildeten Kameramann, den sie standesgemäß im Rahmen des Filmfestivals Berlinale kennengelernt hatte (siehe Beispielvideo zu Lina Atfah). „Wir sind ein gutes Team“, hat Melien dabei – wieder einmal – feststellen können. Das anschließende öffentliche Online-Voting hat die aus Syrien stammende Lyrikerin Lina Atfah für ihren Gedichtband „Das Buch von der fehlenden Ankunft“ (Pendragon) für sich entschieden. Ob die Preisverleihung wie geplant am 16. Oktober im Rahmen der Buchmesse stattfinden kann? „ Ich hoffe, dass Lina Atfah, die in Deutschland lebt, anreisen kann und wir ihre Gedichte bei einer oder mehreren schönen Veranstaltungen präsentieren können“, ist Marcella Melien zuversichtlich.

Profitieren kann sie in dieser Situation, in der flexibles Reagieren auf die sich laufend verändernden Parameter gefragt ist, unter anderem von ihrer dreimonatigen Hospitanz in der Feuilleton-Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. „Die Hauptbotschaft, die ich von dort mitgenommen habe, war sicher, sich nicht beirren zu lassen“, bringt sie ihre dortigen Erfahrungen auf den Punkt. Zusammen mit dem Know-how aus dem Studium Buchhandel / Verlagswirtschaft (B.A.) in Leipzig und Literarisches Schreiben (M.A.) in Hildesheim, inklusive Mitwirkung im studentischen Verlagsprojekt Edition Paechterhaus, ist sie bestens für kommende Herausforderungen gerüstet.

Bleibt nur noch zu hoffen, dass es bald auch Neues von ihr selbst zu lesen gibt. „Der Job schafft Freiraum fürs Schreiben am Wochenende und am Abend. Ich mache mir selbst dadurch etwas Stress beim Schreiben, doch das wirkt als Antrieb“, sagt sie.

Zur Person

Marcella Melien, geboren 1992 in Wiesbaden, studierte Buchhandel/Verlagswirtschaft (B.A.) an der HTWK Leipzig und Literarisches Schreiben (M.A.) an der Universität Hildesheim. Praktische Erfahrungen hat sie währenddessen unter anderem im Verlag Jacoby & Stuart in Berlin und in der Feuilleton-Redaktion der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gemacht. Es folgten Volontariate in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit in der Berliner Agentur Literaturtest sowie im Bereich Literaturvermittlung / Eventmanagement bei dem Verein Litprom in Frankfurt, wo sie seit Februar 2020 für Veranstaltungen, PR und Social Media zuständig ist. Darüber hinaus ist sie eine erfolgreiche Autorin von Kurzgeschichten und Mitorganisatorin einer Frankfurter Lesereihe.

Auf ein Wort

Freischwimmen: „Zwei- bis dreimal in der Woche stürze ich mich in die Fluten. Dabei schalte ich ab und meine Gedanken sortieren sich. In den Ferien gehen andere Leute wandern, ich mache ich Schwimmurlaub in Bergseen und Flüssen, zum Beispiel in Slowenien oder Montenegro.“

Lesen bei 40 Grad: „Im Team organisieren wir in Frankfurt die Reihe „Never wash them at more than 40 degrees they said“ mit Lesung und Live-Musik. Die wechselnden Orte bei laufendem Betrieb, zum Beispiel im Waschsalon, und die persönliche Begegnung machen den Reiz aus. Ich habe das Moderieren dort für mich entdeckt.“

Ostwärts: „Ich bin gerne aus Neugier auf unbekanntes Terrain Richtung Osten unterwegs und erkunde die weißen Flecken auf meiner Landkarte. Gerne alleine und als Backpackerin – es ist spannend auf sich gestellt zu sein und man kommt schneller in Kontakt.“

Über den Young Excellence Award

Über den Young Excellence Award

Voraussetzung für die Teilnahme am Börsenblatt Young Excellence Award #yeaward20 ist die Altersgrenze von 39 Jahren. Bis August 2020 benennt die Börsenblatt-Redaktion zehn Nominierte für die Online-Abstimmung, bei der die Leserinnen und Leser darüber entscheiden, wer auf der Frankfurter Buchmesse 2020 für seine beispielhafte Arbeit geehrt wird. Vorschläge und Eigenbewerbungen für die neue Runde können fortlaufend per E-Mail eingereicht werden: boersenblatt@mvb-online.de – Stichwort: #yeaward20.

Das gibt es zu gewinnen:

Der Gewinn des #yeaward20 beinhaltet ein umfassendes Netzwerk- und Weiterbildungsangebot:

  • Teilnahme am Mentoring-Programm des Börsenvereins und am Nachwuchsparlament während der Buchtage 2021 sowie an der Friedenspreis-Verleihung 2020
  • Teilnahme am internationalen Young-Talent-Programm mit Nachwuchskräften aus acht Ländern während der Frankfurter Buchmesse 2020 sowie ein "Business & Conference"-Wochenticket für das Branchenevent inklusive Anreise und Hotelunterkunft
  • Bildungsgutschein für den Mediacampus Frankfurt im Wert von 1.000 Euro
  • Jahresabos für die Webinare und die E-Paper-Ausgabe des Börsenblatts
  • Kongressticket für die future!publish 2021 inklusive Anreise und Hotelunterkunft