Karriere

Warum Workation guttut

7. Juli 2023
von Veronika Weiss

Überall liest man es: Menschen machen Workation – Urlaub mit Arbeit also. Was soll das? Ein kleiner Versuch, den Sinn zu ergründen. 

Haben Sie schon von »Workation« gehört? Das ist im Gegensatz zur »Vacation« kein reiner Urlaub, sondern einer, der mit ein paar Stunden täglicher Arbeit gemischt wird. Damit der »ation«-Teil der Sache nicht untergeht, ist es dabei wichtig, dem Urlaubsgedanken reichlich Raum zu lassen und Aktivitäten nach dem eigenen Gusto zu planen: am Pool sitzen, lesen (privat!), gut essen gehen, Ausflüge unternehmen, Kulturelles erkunden oder auf Shoppingtour gehen.
 

Arbeitsurlaub als Nonsens-Trend?

Auf LinkedIn – und sogar schon im echten Leben – habe ich in letzter Zeit verstärkt mitbekommen, dass Menschen Workation an exotischen Orten machen. In Ländern, wo sich angeblich digitale Nomaden und Selbstständige zum Arbeiten eben treffen. Was es alles gibt! Netzwerken beim Lunch im Restaurant ist offenbar oldschool … Mein erster Eindruck: Das ist doch schrecklich dekadent. Noch mehr Flugemissionen raushauen und um die halbe Welt jetten für Teil-Urlaube? Um sich gute Temperaturen und ein paar Cocktails zu gönnen, sonst aber verhältnismäßig wenig von dem fremden Land zu haben?

Ganz abschalten ist jedenfalls nicht möglich, wenn man sich den halben Tag mit Arbeit beschäftigt. Mir gegenüber wurde mal über eine »zu kurze Workation« geklagt – ja, ist doch logisch, was will man sich denn vom Erholungseffekt groß versprechen?! Ziemlich toxisch wird es, wenn man einen verdienten Jahresurlaub vor sich hat und sich dann doch Arbeit mitnimmt – weil Manuskripte geprüft werden sollen oder gerade noch ein wichtiges und lukratives Projekt reingekommen ist. In diesem Fall wird einem die fest geplante freie Urlaubszeit wieder genommen. Urlaub sollte Urlaub bleiben.

Unter Umständen eine gute Lösung

Andersherum kann ich die Sache eher nachvollziehen: Man befindet sich in einer stressigen Arbeitsphase, hat seit Wochen eigentlich zu viel auf dem Tisch, aber eine weniger intensive Zeit ist in Sicht. Denkbar wäre zum Beispiel, dass die Auftragslage etwas Entspannung zulässt oder dass bei Angestellten ein Zeitausgleich abgesprochen ist. Oder es steht ein wichtiges Projekt an, für das exklusiv Zeit freigehalten wurde. Um da alles geben zu können, scheint es mir sinnvoll, mehr Regenerationsphasen als sonst einzubauen, bewusst Fokus auf die Freizeit zu legen.

Diese Voraussetzungen schaffen die perfekte Gelegenheit für eine Workation, und es ist natürlich eine schöne Vorstellung, nur fünf Stunden am Tag zu arbeiten und dann reichlich Freizeit in der Natur mit Sport und Wellness zu genießen, die Seele baumeln zu lassen, einfach mal durchzuatmen. Die neue Umgebung inspiriert und das Kulinarik- und Freizeitangebot ist ein anderes als der übliche Latte-to-go an der nächsten Straßenecke. Trotzdem sollte der Workation-Ort mit Zug oder Bus erreichbar sein. Mein Vorschlag für eine Faustregel wäre: halber Urlaub, halbe Strecke.

Warum eigentlich nicht gleich groß denken: Wer sich eine Workation erlauben kann, lebt sowieso schon sehr privilegiert. Warum richten wir dann nicht umgekehrt einfach unser Leben so ein, dass es möglichst einer Workation ähnelt? Everday­cation! Ist das nicht die viel verlockendere Vision?

UNSERE KOLUMNISTIN

Veronika Weiss (38) ist in Wien aufgewachsen und hat dort Germanistik und Musikwissenschaften studiert. Nach Praktikum und Elternzeitvertretung in der Verlagsgruppe HarperCollins (Cora Verlag) in Hamburg arbeitete sie dort als Lektorin. Seit 2021 ist sie frei als Texterin und Lektorin tätig. Im Börsenblatt schreibt Weiss unter anderem über Trends in der Arbeitskultur, Berufseinstieg und Work-life-Balance.