Teil 5 der Börsenblatt-Serie zur Unternehmensnachfolge

So legen Sie die Art des Verkaufs fest

17. Mai 2022
Dieter Durchdewald und BerlinHorizonte

Der Transaktionsberater Dieter Durchdewald erklärt unter Mitarbeit von seinen BerlinHorizonte-Teamkolleg:innen in einer Börsenblatt-Serie in 12 Artikeln, worauf man bei der Übergabe von inhabergeführten kleineren und mittleren Verlagen achten muss und was in jeder der sechs Phasen entscheidend ist. Dieses Mal geht es darum, den Unternehmenswert anhand der Substanzwert-Methode zu ermitteln. 

Bewertungsmethoden

Es existiert eine Vielzahl von Bewertungsmethoden. Wir konzentrieren uns  auf zwei klassische Varianten. Die erste wird als Ertragswert-, die zweite als Substanzwert-Methode bezeichnet. Beide werden wir Ihnen hier vorstellen und deren Stärken und Schwächen beschreiben.

  • Das Substanzwertverfahren errechnet die Summe der mit Wiederbeschaffungspreisen bewerteten Vermögensteile und Schulden.
  • Das Ertragswertverfahren gibt die Berechnung der auf den Tag abgezinsten zukünftigen Unternehmenserfolge wieder.

 

Es ist durchaus üblich, beide Vorgehensweisen bei einer Wert-Ermittlung anzuwenden und daraus den Mittelwert zu bilden.

Jetzt gehen wir bei der Unternehmensbewertung ein wenig in die Tiefe. Wir möchten Sie mit unseren Ausführungen für das recht komplexe Thema sensibilisieren, Sie aber nicht unbedingt dazu anregen, die Berechnungen selbst anzustellen. Denn neben Substanz- und Ertragswert spielt auch der „Erfahrungswert“ Ihrer mit Unternehmenstransaktionen erfahrenen Begleitung eine wichtige Rolle.

Über das Ertragswertverfahren ging es in Teil 4 der Serie: So können Sie den Unternehmenswert ermitteln (boersenblatt.net)

 

Substanzwert-Methode

Konträr zur Wertermittlung durch die Ertragswert-Methode, berücksichtigt die Substanzwert-Methode nur die Werte, materiell oder immateriell, die beim Kauf eines Unternehmens an den Käufer übertragen werden.

Für diese Form der Bewertung benötigen Sie:

  • Wiederum die letzten 3 Bilanzen, möglichst mit Anlagen-Spiegel
  • Liste der Lagerbestände und deren bilanzielle Bewertung
  • Liste der offenen Garantiezahlungen an Autoren und deren Bewertung
  • Liste der Verlagsrechte mit evtl. Ablaufdaten
  • Aufstellung aller Forderungen und Verbindlichkeiten

 

In den folgenden Schritten wird die entsprechende Tabelle erstellt:

  1. Auch hier werden die Werte der letzten drei Jahre nebeneinandergestellt. Neben den drei Jahresspalten wird eine weitere Spalte „Einschätzung“ eingefügt.
  2. Von der Aktiv- und Passiv-Seite der Bilanz werden die Vermögenswerte und Verbindlichkeiten übernommen.
  3. Die Sachanlagen werden aus dem Anlagespiegel aufgeteilt übernommen. Dadurch wird u. a. deutlich, wie alt bestimmte Gegenstände sind und wie viel der Verlag in den letzten drei Jahren für Neuanschaffungen ausgegeben hat.
    In der Regel liegt die Einschätzung des Restwerts höher, da die gesetzliche Bewertung meist zu stillen Reserven führt (Beispiel: Ein Computer wird laut Vorgabe innerhalb von 3 Jahren abgeschrieben. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Lebensdauer ungefähr 5 Jahre beträgt. D. h., der Computer ist nach 3 Jahren nicht nur 1 € wert, sondern noch etwa 20 - 30% des Anschaffungspreises.).
    Eine besondere Situation ergibt sich, wenn das Unternehmen über Immobilien verfügt. Hier ist der Bilanzwert in den seltensten Fällen ein Indikator für den realen Wert der Immobilie. In einem solchen Fall sollte die Immobilie zusätzlich von einem Immobilien-Experten bewertet werden.
  4. Die Werte zu den Vorräten (unfertige, fertige Produkte) finden Sie ebenfalls in der Bilanz. Allerdings differieren die Einschätzungen bei dieser Position bei Verkäufer und Käufer oft erheblich: Auf der einen Seite der Verleger, der an die Verkäuflichkeit und damit Werthaltigkeit der Lagertitel glaubt und auf der anderen Seite der Interessent mit strengem Käuferblick, der nüchtern die jährlichen Absatzzahlen der einzelnen Titel prüft, die Verkäuflichkeit hochrechnet und dadurch meist zu einer pessimistischeren Einschätzung der Verkäuflichkeit und damit des Lagerwerts kommt.
    Aber auch anders: Der Verleger hat zur Bildung von stillen Reserven und zur Vermeidung hoher Steuerzahlungen sein Lager kräftig abgewertet und der Käufer erkennt ein durchaus höheres Verkaufspotenzial.
    Sie sollten deshalb die entsprechende Lagerliste, idealerweise ergänzt um die Verkäufe der letzten beiden Jahre, die Bewertung der einzelnen Titel und die zugrunde gelegte Bewertungsmethode genau prüfen!
    Bei unserem Beispielverlag nehmen wir deshalb eine genaue Analyse der Lagerbestände, nämlich eine Einzel-Titelbetrachtung von Restwert und Verkäuflichkeit vor und erkennen eine deutlich zu hohe Lagerbewertung. Aus diesem Grund korrigieren wir die Einschätzung zur Verkäuflichkeit um 150 T€ nach unten (grün unterlegt).                                                                    Bitte bedenken Sie: Besonders die Lagerbewertung bietet bei der Unternehmensbewertung viel Raum für Interpretation. Eine Bank setzt den Wert oft höher an als ein erfahrener Transaktionsberater. Außerdem sind kaufende Fachverlage oft gar nicht mehr an physischen Beständen interessiert, sondern nur noch an den Autorenrechten und Druckdaten.
  5. Auch die Forderungen sollten Sie zumindest in einer Übersicht prüfen. Handelt es sich um Ansprüche gegenüber Kunden, die nicht im Branchenumfeld bekannt sind, ist eine genauere Prüfung empfehlenswert. Ein sorgfältiger Kaufmann nimmt i. d. R. eine sogenannte prozentuale Pauschalwertberichtigung auf die jährlich getätigten Umsätze vor. Prüfen Sie bitte, ob es diese gibt, wie hoch sie ist und welche tatsächlichen Forderungsausfälle es in den zurückliegenden Jahren gab.
  6. Hinter Sonstige Vermögensgegenstände verbergen sich meist auch die geleisteten Honorar-Garantiezahlungen an Autoren/Agenturen, die steuerrechtlich bis zur Auflösung des Vertrags eine Forderung an den Autor sind und somit einen Wert darstellen. Auch diese müssen einzeln auf Ihre Werthaltigkeit geprüft werden, denn bilanziell hat das Unternehmen hier einen größeren Spielraum.
    In unserem Beispielverlag sind in der Bilanz Werte aufgeführt, die bei genauer Prüfung der Verkäuflichkeit, nicht mehr realisierbar erscheinen, weshalb dieser Vermögensgegenstand in der Einschätzung um 100 T€ reduziert wird (grün unterlegt).
  7. Die Position Bank/Kasse ist meist einfach zu analysieren. Der aufgeführte Betrag stellt zwar einen Vermögenswert dar, aber dieser kann nur als vorläufig betrachtet werden, da sich die Summe bis zum Übertragungsstichtag natürlich noch erheblich verändern kann.
  8. Gewinnvortrag/nicht ausgeschüttete Gewinne stellen ebenfalls einen Vermögenswert dar. Sollte dieser Wert sehr hoch sein und damit den Verkaufspreis deutlich erhöhen, ist bei entsprechender Liquidität eine vorherige Teil-Ausschüttung zu überlegen. Eine weitere Möglichkeit könnte die Umwandlung in ein gesichertes Darlehen mit gestreckter Auszahlung für den Käufer sein.
  9. Eine Kapitaleinlage berücksichtigt unser Modell nicht.
  10. Bei den Verbindlichkeiten finden sich neben Krediten z. B. offene Rechnungen. Hier ist zu prüfen, ob diese mittlerweile bezahlt wurden. Außerdem sollte festgestellt werden, ob es noch zusätzliche Verpflichtungen des Verlags gegenüber Lieferanten, Dienstleistern oder Kunden gibt. Die Verbindlichkeiten sind selbstverständlich von den anderen Vermögenswerten abzuziehen.
  11. Aktive und passive Rechnungsabgrenzungsposten, die der korrekten Ermittlung des Gewinns lediglich einer Periode/ eines Zeitraums dienen, fliesen nicht in die Bewertung ein.
  12. Der Goodwill wiederum ist ein schwer zu fassender Betrag bzw. Vermögenswert. Der Goodwill steht für die über Jahre aufgebaute Bekanntheit und das Renommee des Verlags, die Strahlkraft der Verlagsmarke, für qualifizierte Mitarbeitende, für die Bekanntheit seiner Autoren und den Autoren-/Rechtekatalog.
    Die Bewertung des Goodwills ähnelt dem Blick in die legendäre Glaskugel, ist somit eine äußerst subjektive Betrachtung.
    Folgende „Leitplanken“ können eine subjektive Einschätzung in gewisser Weise objektivieren:
    1. Betrachten Sie den jährlich eingesetzten Marketing-Etat und multiplizieren Sie den Jahres-Durchschnittwert mit 5 (= Jahre). Hinter dieser Formel steckt die Annahme, dass ein neu gegründeter Verlag fünf Jahre lang das entsprechende Werbebudget aufwenden müsste, um eine entsprechende Bekanntheit zu erlangen.
    2. Analysieren Sie die Liste der Autorenrechte. Wie lange ist die Laufzeit bei den einzelnen Autorenverträgen, wo gilt die gesetzliche Schutzfrist? Enthält die Liste bekannte Autoren und weit verbreitete Standard-Titel?

In unserem Musterverlag liegt die Einschätzung höher als die Marketingbudget-Faustformel (grün unterlegt). Insgesamt ergibt sich nach dieser Methode ein Substanzwert von ca. 900 T€.

Vorteile der Substanzwert-Methode:

  • Im Gegensatz zum Ertragswert werden die vorhandenen Werte (materiell und immateriell) berücksichtigt.
  • Sie honoriert die „Aufbau-Arbeit“ eines Verlags.
  • Sie berücksichtigt nicht die ausgezahlten Gewinne, aber bestehende Verluste aus früheren Jahren.
  • Sie bewertet das, was ist und setzt nicht auf die kommenden Erfolge der nächsten Jahre.

Nachteile der Subtanzwert-Methode:

  • Die zukünftige Ertragskraft des Unternehmens wird nicht berücksichtigt.
  • Sie geht sehr stark vom Status-Quo des Unternehmens aus.
  • Sie berücksichtigt nicht, dass der Kaufpreis erwirtschaftet werden und die neue Eigentümerin den eventuell kreditfinanzierten Betrag in den Folgejahren auch zurückführen können muss.

Mittelwert aus Ertragswert und Substanzwert bilden

Vielleicht haben Sie bei den Ausführungen zur Ertrags- und Substanzwert-Methode den Eindruck, dass beides nachvollziehbar ist und beides seine Berechtigung hat, aber dennoch ein Unbehagen bleibt.

Wie bei unserem Beispielverlag in der Tabelle (Beispielrechnung 3) zu sehen ist, klafft zwischen errechnetem Ertragswert und Substanzwert eine deutliche Lücke.

Da beide Verfahren ihre Berechtigung, Stärken und Schwächen haben, plädieren wir dafür, aus den beiden errechneten Summen den Mittelwert zur Orientierung zu bilden.

In unserem Beispiel würden wir die beiden Werte zusammenfassen und es würde sich daraus eine Kaufpreis-Empfehlung von 640 T€ ergeben.

Ermittelter Wert versus Marktwert

Frage: Ist das nun der zu erzielende Kaufpreis?

Die errechnete mathematische Größe ist in den seltensten Fällen der Preis, den Sie für Ihren Verlag erzielen werden. Und dieser Wert ist auch nicht unbedingt der Angebotspreis, mit dem Sie in die folgende Akquisitionsphase gehen. Wenn bereits Kaufinteresse besteht, kann der Angebotspreis durchaus höher angesetzt werden. Falls Sie dagegen eine hausinterne Lösung anstreben, müssen Sie häufig einen Abschlag in Kauf nehmen.  – Wie so oft gilt auch hier das Prinzip von Angebot und Nachfrage.

Der errechnete Verkaufspreis stellt somit für Sie eine erste Orientierung, eine erste Einschätzung, eine interne Diskussionsgrundlage dar. Weitere Faktoren sind ebenfalls zu berücksichtigen.

Die Beantwortung der folgenden Fragen kann eventuell zu einer noch besseren Einschätzung beitragen:

  • Handelt es sich um einen eingeführten und bekannten Verlagsnamen, bei dem ein „Prestige-Aufschlag“ möglich ist?
  • Ist der Kaufinteressenten-Kreis voraussichtlich groß? Gibt es bereits konkrete Anfragen?
  • Sind die Zukunftsaussichten für die Themen und Titel, die das Verlagsprofil ausmachen, gut (Ein auf Computerliteratur spezialisierten Verlag ist heute vermutlich deutlich schwerer zu verkaufen als vor 20 Jahren.)?
  • Wie sind derzeit die allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und Aussichten?
  • Wie ist das aktuelle Zinsniveau bei einer eventuellen Fremdfinanzierung durch den Käufer?
  • Gibt es sonstige Vorteile, die einem Kaufinteressenten wichtig sein könnten, wie beispielsweise der Verlagsstandort?

Somit wird deutlich, dass die oben vorgestellten beiden Methoden und der Mittelwert-Ansatz lediglich Richtwerte liefern. Der tatsächliche Marktwert kristallisiert sich im Laufe von Verkaufsverhandlungen heraus.

Wir empfehlen drei Verkaufspreis-Stufen im Hinterkopf zu haben:

  1. Mindestpreis: Unterhalb dessen Sie das Unternehmen nicht verkauften möchten.
  2. Angestrebter Preis: Der von Ihnen gewünschte und auch von Ihren Beratern als realistisch angesehene Verkaufspreis.
  3. Angebotspreis: Den Sie in der Unternehmensdarstellung als Verhandlungsbasis kommunizieren.

Asset und Share Deal

Je nach Unternehmensgröße, Rechtsform und vor allem Angebotssituation ergibt sich, ob das Unternehmen als Ganzes, also im Share Deal, oder zu Teilen, dem sogenannten Asset Deal, veräußert werden kann. Sie sollten sich im Vorfeld entscheiden, welchen „Deal“ Sie bevorzugen. 

Beispiel Share Deal: Steht eine GmbH zum Verkauf, wird der Käufer zum Gesellschafter und übernimmt üblicherweise das Unternehmen vollständig inklusive aller Verträge, Forderungen, Verbindlichkeiten, Rechte und Pflichten. Ein Kaufvertrag ist i. d. R. schlank und kann zügig umgesetzt werden. Hierbei achtet der Käufer besonders darauf, dass die GmbH nicht belastet ist, z. B. keine Altersrückstellungen bestehen bzw. der Umgang damit im Kaufvertrag geregelt ist. Bestehende Verträge mit Autoren, Dienstleistern etc. behalten i. d. R. ihre Gültigkeit.

Beispiel Asset Deal: Der Käufer erwirbt Inhalte (sogenannte Assets), also Wirtschaftsgüter wie Inventar, Lagerbestände, Autorenrechte und Lizenzen. Im Kaufvertrag müssen sämtliche Kaufgegenstände genau aufgeführt und beschrieben werden, was den Vertrag aufwändiger macht. Und Achtung: Verträge mit Autoren, Kooperationspartnern oder Dienstleistern bestehen nicht automatisch fort. 

Allgemein ist zum Kaufpreis zu sagen: Ist die Ertragslage des Unternehmens gut und der Investitionsbedarf niedrig, wird der Verkaufspreis höher ausfallen und umgekehrt.

Angebot und Nachfrage

Sie sehen, die Kaufpreisfindung ist eine sensible Angelegenheit. Für die Alteigentümerin geht es meist darum, das Lebenswerk zu bewahren und einen guten Verkaufspreis zu erzielen. Dagegen möchte der Kaufinteressent seinen Lebenstraum verwirklichen und das bestehende Unternehmen so günstig wie möglich erwerben.

Tipp: Individuelle steuerrechtliche Aspekte können bezüglich der Kaufpreiszahlung sowohl beim Verkäufer als auch beim Käufer eine wichtige Rolle spielen. Aus diesem Grund sollte in dieser Phase unbedingt Ihr Steuerberater einbezogen sein.

Aber gibt es überhaupt Kaufinteresse und …

Frage: Wie finde ich den geeigneten Nachfolger?

 

Damit weiter beim nächsten Mal:

Phase 4 - Nachfolge-Interessenten finden

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