Gastspiel von Markus Klose

Die guten alten Zeiten

14. September 2023
von Markus Klose

Was waren das noch für Zeiten, als der Besuch der Lieblingsvertreter zu den glanzvollen Momenten im buchhändlerischen Alltag gehörte. Eine romantische Verklärung von Markus Klose.

Markus Klose ist Berater und Inhaber von Die gute Agentur (dieguteagentur.de)

Früher bestand der buchhändlerische Alltag aller auch aus der Arbeit mit Lieblingsvertretern, im Plural genderte man damals noch nicht, und den Begriff der Filiale kannte man nur von Aldi. Faxen war der neueste Schrei, mobile Telefonie noch in weiter Ferne. Gleich ist’s soweit, hieß es aufgeregt vor den Besuchen. Der (kleine) Remistapel war artig aufgebaut, der Schreibtisch geputzt, die Fingernägel gestutzt, die Frise gerichtet. Der Kaffee in der Krups-Maschine war bereits durchgelaufen und wartete nun auf der lauwarmen Platte.

Dann kamen die Lieblinge und unterhielten mit Bonmots aus den Verlagen, anderen Buchhandlungen, ja sogar von den Vertreterkonferenzen, in denen es anscheinend stets hoch herging, Autorinnen und Autoren vor Ort waren und den Vertriebsleuten mal so richtig der Marsch geblasen wurde. Denn eines war immer klar. Wenn was schiefgegangen war (komisches Cover, zu hoher oder niedriger Preis, ungünstiger Erscheinungstermin, keine Anzeige im »Spiegel«, andere Menge als bestellt usw.), lagen die Fehler immer eindeutig im Verlag. »Was wissen die schon«, hieß es dann, »was hier draußen wirklich los ist.« Eben.

Einkaufen, sich mit den zukünftigen Neuerscheinungen zu beschäftigen, machte Spaß, war das Salz in der Suppe. Die Vorschauen boten eine lustvolle Lektüre, klar, man hatte vorher hineingeschaut in die bunten, voller unwahrer Versprechungen gestalteten Prospekte, ja vielleicht sogar schon Bleistiftzahlen auf die einzelnen Seiten notiert, war also beinahe gut vorbereitet. Aber doch wusste man ganz genau: Die Lieblingsvertreter würden jede Bestellidee kritisch beäugen, meistens, weil die Menge zu gering war, hin und wieder aber auch, um sie zu reduzieren oder gar abzuraten (womit sie dann bei ihren Steigerungsvorschlägen umso glaubwürdiger erschienen).

Über Vertreter nachbestellte Bücher kamen meist innerhalb von zehn Tagen, also superschnell

Markus Klose

Andere Sphären

Es waren glanzvolle Höhepunkte im buchhändlerischen Alltag, motivierende und stimulierende Momente – auch, weil die eigene Kompetenz gefragt war, die eigene Intuition. Jeder Einkauf war mit Ahnung und Hoffnung verbunden, mit erwartungsvollem Wähnen auf das, was kommen würde.

Dann schritten die Damen und Herren gemessenen Schrittes hinaus in andere Sphären, nicht ohne zuvor einen nächsten Besuchstermin im Vertreterkalender eingetragen zu haben. Zurück blieben die Erinnerung, die Remigenehmigung, ein ganz sicher viel zu hoher Auftrag und lauter neue Anekdoten sowie das Gefühl, dazuzugehören.

Nachbestellungen, sollten diese nötig sein, sendete man nie an den Verlag, nie an die Auslieferung. Schließlich sollten die Lieblingsvertreter davon profitieren. Und man selbst hatte ja auch etwas davon, es gab Partieergänzungen, Reiseauftragsvaluta ohne Reiseauftrag, Leseexemplare. Und die Bücher kamen meist innerhalb von zehn Tagen, also wirklich superschnell.

Die Lieblingsvertreter hatten immer auch sehr ähnliche Lieblingsthemen: etwa die Parkplatzsuche im Ort, Staus und Baustellen. Das mit den Autos war eh so eine Sache. Die einen fuhren Porsche, waren stolz darauf und parkten möglichst in Sichtweite der Buchhandlung. Die anderen fuhren auch Porsche, versteckten ihn aber etwas weiter entfernt, um nicht anzugeben. Beides funktionierte. Im ersten Fall sah man ja, dass die Lieblingsvertreter bestens verkaufbare Bücher im Koffer hatten. Man tat also gut daran, reichlich zu bestellen. Im zweiten Fall waren diese hoch engagierten Lieblingsvertreter offenbar zu Unrecht mit nicht ganz so gutem Programm ausgestattet. Das war unfair, man tat man also gut daran, reichlich zu bestellen. Es war ein funktionierendes köstliches absurdes herrliches Theater. Heute hat sich doch so einiges geändert.