Ruth Klinkenberg zum Interview mit Nina Hugendubel in der "SZ"

"Ich bin fassungslos"

19. August 2021
von Börsenblatt

Ruth Klinkenberg, die Geschäftsführerin der Marga Schoeller Bücherstube in Berlin, antwortet in einem offenen Brief auf das Interview von Nina Hugendubel in der "SZ". Sie ärgert sich über deren Aussage, dass es bis Ende der 70er-Jahre nur kleine Buchhandlungen gegeben habe, die wie eine Apotheke geführt wurden.

Eine Lesetipp zum Interview der "Süddeutschen Zeitung" mit Nina Hugendubel (am 16. August; hinter einer Zahlschranke) findet sich auf Börsenblatt online:

Ruth Klinkenberg, die seit den 70er Jahren in der Marga Schoeller Bücherstube in Berlin tätig ist, ärgert sich in ihrem an Nina Hugendubel gerichteten Offenen Brief, der Börsenblatt online vorliegt, über die Aussage von Nina Hugendubel, bis Ende der 70er-Jahre habe es ja nur kleine Buchhandlungen gegeben, "die wie eine Apotheke geführt wurden: Bücher standen im Schrank und durften nicht angefasst werden." Dann sei Hugendubel mit einem neuen Konzept gekommen, "große Geschäfte, sogar mit Rolltreppen. Die Kunden konnten plötzlich an die Bücher ran, sich hinsetzen und darin lesen".

"Ich muss gestehen, dass mich diese Aussage fassungslos gemacht hat", schreibt Ruth Klinkenberg. Sie sei seit Ende der 60er-Jahre im Buchhandel, "und (nicht nur) ich kann Ihnen versichern, dass es zu dieser Zeit nicht nur kleine Buchhandlungen gegeben hat, sondern eine Reihe von großen, mittelgroßen und natürlich auch vielen kleinen". Als Beispiel für eine große nennt sie die Braun'sche Buchhandlung in Duisburg, wo sie Ende der 60er-Jahre gerabeitet habe: "Ein großes Sortiment aller Bereiche von der Belletristik bis zum Fachbuch auf drei Etagen. Nein, eine Rolltreppe gab es dort nicht, aber einen Fahrstuhl."

"Und Buchhandlungen, die wie Apotheken geführt wurden, mit Büchern in Schränken, an die die Kunden nicht heran kamen?", so Klinkenberg weiter: "Außer in sehr edlen Antiquariaten habe ich das nie gesehen, weder in Buchhandlungen, in denen ich gearbeitet habe, noch in denen, die ich besucht habe. Und das waren in dieser Zeit nicht wenige. Natürlich gab es hier und da Vitrinen oder auch mal einen Schrank für besonders wertvolle Bücher."

In jeder ihr bekannten Buchhandlung habe es auch damals freien Zugang zu den Regalen und in den meisten Fällen auch Sitz- und Aufenthaltsmöglichkeiten für die Kunden gegeben, um sich Bücher anzusehen oder anzulesen. "Das ist, tut mir leid, keine Neuerung der Firma Hugendubel gewesen."

Die Buchhändlerin schließt versöhnlich: "Damit Sie mich nicht falsch verstehen: Ich schätze Ihren Vater und dessen Lebensleistung und kannte ihn persönlich." Aber man solle dennoch die Leistung des sehr lebendigen Buchhandels vergangener Jahrzehnte nicht negieren.