100 Jahre BAG

Viel Zeit gespart!

24. Oktober 2022
von Klaus W. Bramann

Es dürfte nur wenige Börsenblatt-Leser geben, denen die Abkürzung BAG nichts sagt. Das Zahlungsclearing-Modell zwischen Verlagen und Buchhandlungen komprimiert jährlich mehrere Millionen Rechnungen auf 24 Sammelabrechnungen. Und das seit 100 Jahren. 

»Für die jetzige Abrechnungsweise […] ist kaum ein Wort des Tadels scharf genug. Das Börsenblatt ist seit Jahren erfüllt von bittersten Klagen. Die Verleger leiden unter unpünktlicher Zahlung in entwertetem Gelde, unter willkürlichen Abzügen, unter unfruchtbarer Arbeit an Buchführung, Kontrollen, Mahnungen […]. Die Sortimenter werden mit den unter Geschäftsfreunden ganz ungehörigen Nachnahme­paketen belästigt oder mit der Zumutung der Vorauszahlung […].« So beschrieb der Leipziger Verleger Robert Voigtländer, einer der treibenden Kräfte hinter den Bemühungen um die Sammelabrechnung, 1923 im Börsenblatt die Situation nach dem Ersten Weltkrieg.

Nach langwierigen Verhandlungen zwischen Verlegern und Buchhändlern fiel am 1. Dezember 1922 der offizielle Startschuss: die Gründung der »Abrechnungs-Genossenschaft Deutscher Buchhändler e.G.m.b.H.«, ins Leipziger Genossenschaftsregister eingetragen am 15. Januar 1923. Die Kernidee war mehr als einfach: Man verpflichtete sich zur pünktlichen Abrechnung. Im Börsenblatt erschien sodann ein Aufruf an alle Börsenvereins-Mitglieder. Emphatisch-visionär und im Sprachduktus seiner Zeit formulierte Voigtländer: »Das volle Gelingen aber hängt davon ab, dass alle, alle mitmachen, dass in dieser schweren Zeit der Volksnot der Gemeinsinn über die Eigenbrötelei auch im Buchhandel siege.«

Das volle Gelingen aber hängt davon ab, dass alle, alle mitmachen, dass in dieser schweren Zeit der Volksnot der Gemeinsinn über Eigenbrötelei auch im Buchhandel siege

Robert Voigtländer, 1923

BAG-Geschichte im Zeitraffer

Leipzig als zentraler Buchhandelsplatz wurde 1922 Sitz der Genossenschaft, deren Aktivitäten in den Kriegsjahren ruhten, bevor sie 1953 unter der Firmierung BAG – Buchhändler-Abrechnungs-Genossenschaft in Frankfurt am Main neu gegründet wurde. 1956 erfolgte die Umwandlung in eine GmbH. Nach Turbulenzen Anfang dieses Jahrhunderts veräußerte die BAG ihre Geschäftsanteile an MVB, die diese ihrerseits 2010 an die DZB Bank der ANWR group weitergab. 
2014 gründeten die Verbundgruppen ANWR group (Mainhausen) und EK/servicegroup (Bielefeld) die Buchwert GmbH & Co. KG und brachten ihre jeweiligen Geschäftsbereiche »BAG« und »Buch- und Marketing GmbH« als jeweils eigenständige Geschäftsbereiche in das neue Unternehmen ein. Fortan bietet Buchwert zwei Abrechnungsarten unter einem Dach an: die BAG als das klassische Zahlungsclearing für die Branche und die Verbund-Abrechnung, eine Zentralregulierung mit Delkredere für den Buchwert-Verbund. 

Und heute?

Noch immer garantiert die BAG eine Reduzierung des buchhalterischen Verwaltungsaufwands. Für die an dem BAG-Abrechnungsverfahren teilnehmenden Unternehmen ist dies geschäftlicher Alltag, den man nicht mehr hinterfragt. Deshalb sollen hier lieber zwei Inhaberinnen zu Wort kommen, die in den ersten Monaten nach einer Betriebsübernahme die Buchhaltung ohne BAG praktiziert haben, nun aber – nach erfolgter Umstellung auf die BAG-Abrechnung – von den Vorteilen der »neuen Buchhaltung« berichten können.

Erfolgskonzept Bündelung

Zunächst ins Rheinland, wo Ulrike Helmling aus der Buchhandlung Werber in Bad 
Honnef
zu berichten weiß: »Da wir mittlerweile drei Viertel unserer Rechnungen über die BAG laufen lassen, ist dies natürlich eine enorme Zeitersparnis. Unsere Buchhalterin kommt in der Woche gut mit acht Stunden aus, früher war es ein halber Tag mehr. Der Zahlungstermin berücksichtigt das Skonto genau; so muss man es nicht immer im Auge behalten. Mahnungen gibt es quasi kaum noch, nur von Verlagen, die nicht an die BAG angeschlossen sind. Die zwei Abbuchungstermine im Monat sind fix, so kann man kalkulieren und weiß immer, wann was abgebucht wird.«

Ähnliches hört man auch aus der Bundeshauptstadt. Christiane Schröter, geschäftsführende Gesellschafterin des Georg Büchner Buchladens in Prenzlauer Berg, formuliert: »Die Nutzung des BAG-Abrechnungssystems bedeutet für mich einen riesigen Gewinn an Zeit. Ich muss nur noch einen Bruchteil an Rechnungen persönlich in den Rechnungsordner abheften, in die Excel-Tabelle für den Steuerberater übertragen, an den Steuerberater schicken, gemäß Zahlungsziel in den jeweiligen Monatsordner abheften, überweisen, in den jeweiligen Monatsordner nach Eingangsdatum sortiert abheften, in der Excel-Liste abstreichen. Die Handhabung ist extrem einfach: zwei Mal im Monat kommt die Abrechnung, ich streiche die darauf enthaltenen Rechnungen ab und hefte sie ab. Fertig. Die BAG zieht immer mit Skonto ein – und das Beste: Der Steuerberater hat Zugriff auf mein dortiges Konto und bucht einfach die Buchungsvorschläge der BAG. Herrlich. Deutlich weniger Hin- und Hergeschicke zwischen Steuerbüro und Laden, und die Rechnung nehmen wir genau zweimal in die Hand.«

So profitieren heute rund 2 500 Buchhandlungen und ca. 1 000 Verlage von der BAG als Servicepartner bei der Abrechnung von zwei Millionen Belegen jährlich. Und der Zugriff der Nutzer erfolgt zeitgemäß über ein Onlineportal.

Zeitgewinn, Kostenoptimierung und dadurch Stärkung der individuellen wirtschaftlichen Beweglichkeit – das sind die Folgeerscheinungen der BAG-Abrechnung. Zugrunde liegt ein einfaches betriebswirtschaftliches Konzept: Bündelung finanzieller Transaktionen, die von einem Dienstleister professionell abgewickelt werden. 

Damit diese Form des Outsourcings auch beim Nachwuchs weiterhin bekannt bleibt, besucht der Buchwert-Mitarbeiter Thomas Wich buchhändlerische Fachklassen, um die BAG-
Abrechnung und deren Nutzen zu erläutern – als ein Modell, das auch nach 100 Jahren nichts von seiner Attraktivität eingebüßt hat. 

Wie, du kannst Backen?

Thomas Wich, Regionalbetreuer bei Buchwert, bringt Azubis die BAG-Abrechnung nahe. Seine Erfahrungen:

Freunde, die nicht aus der Branche kommen, staunen stets, wenn ich ihnen berichte, dass ich regelmäßig BAG-Unterricht erteile: ›Wie, Du kannst backen? Bring uns doch auch mal Kuchen mit!‹ 

Zugegeben – als ich als Lehrling im vergangenen Jahrtausend BAG in der Berufsschule hatte, war mir die geradezu betörende Wirkung von Valuten, Zahlungszielen und Buchungssätzen noch ganz fremd. Und so geht es dem Nachwuchs wohl auch heute noch. Da sitzen sie dann im Klassenraum: so 25 junge Menschen, die Buchhändler:innen werden, weil sie sich für Literatur interessieren und diese Leidenschaft Kundinnen und Kunden vermitteln wollen. 

Sie schauen mich an und hoffen, dass die Doppelstunde bald vorüber ist. Aber es hilft ja nichts – da müssen wir gemeinsam durch. Und am Ende stellen die meisten fest, dass das kein Hexenwerk ist und eigentlich doch ganz übersichtlich und praktisch. Mission completed! 
Ob es aber für eine dauerhafte Beziehung zu Zahlen reicht – das weiß ich nicht.

Über den Autor Klaus Bramann

Klaus-W. Bramann hat lange am mediacampus frankfurt Sortimentskunde und Buchhandelsbetriebslehre unterrichtet. Heute arbeitet er als Berater und veröffentlicht in seinem Bramann Verlag Fachliteratur für die Branche.