Debüts des Monats - März 2022

Zwischen den Kulturen

16. März 2022
von Matthias Glatthor

Krisha Kops malt eine ausgefallene, mehrere Generationen umspannende deutsch-indische Familiengeschichte, angereichert durch mythologische Elemente. Er balanciert fein zwischen (universellen) Schicksalschlägen und glücklichen Momenten seiner Protanonisten. Ein Kreislauf des Lebens, der bewegt.

Diese deutsch-indische, versponnene Familiensaga führt durch vier Generationen, wird von indischer Mythologie umspielt – und in Ur-Enkel Abbayi, der zeitlebens zwischen den Kulturen stehen wird, laufen die Stränge schließlich bildgewaltig zusammen. Autor Krisha Kops, Jahrgang 1986 und selbst Spross einer deutsch-indischen Familie, nutzt dafür einen magischen Kniff, der ihm eine neue Ebene ermöglicht: Sein Erzähler ist ein ­Banyanbaum, "Weltenbaum", auf einem Plateau im Himalaja. Zwei Winde wispern ihm die oft traurigen Schicksale zu, in teils unterschiedlichen Versionen. Es geht um Heimat und Fernweh, Glück und Unglück, sowie die Suche nach den Wurzeln. Der Erzähler-Baum beklagt sich, das seine beiden Zuflüsterer die Chronik durcheinanderwirbeln, kommt dann aber zur Einsicht, "dass die Zeit ohnehin nur ein Zyklus ist, unendlich in sich verschlungen wie meine Wurzeln."

Die so in ihrer Abfolge teils nicht gradlinig angeordneten Geschichten der Familien werden im Wechsel erzählt, Begegnungen inklusive. Den Stammbaum des deutschen Zweigs führen Marta und ihr (später, nach einer Kriegsverletzung) gewalttätiger Mann Bodo an, deren Leben und Familie durch "Stummelbart" (Hitler) und "Schnauzer" (Stalin) – so nennt sie Tochter Loni – aus der Spur gerät. Sie fliehen in den 50er Jahren nach West-Deutschland, müssen mehrfach umziehen, finden keine Ruhe.

Eine zentrale Figur der indischen Linie ist der unstete, schillernde, aber geschäftlich kreative Ramu, späterer Vater von Abbayi, der zur Zeit der Miniröcke nach Deutschland kommt, ein Vermögen macht, dieses wieder verspielt – und sich in Indien in seinem immer mehr zerfallenden "Palast" verkriecht. Die Zerrissenheit in Person. Kops deutet an, zeichnet bravourös in wenigen Sätzen ganze Lebensphasen. Hut ab! Ein Autor, von dem sicher noch einiges zu erwarten ist.

Krisha Kops: "Das ewige Rauschen", Arche, März, 288 S., 22 Euro