Immer früher, immer länger

Studie zur Bildschirmzeit von Kindern

10. Juni 2022
von Börsenblatt

Kinder ab sechs Jahren verbringen immer mehr Zeit im Netz. Fast alle nutzen bereits ein Handy – oft mehrere Stunden am Tag. Das zeigt eine Studie von Bitkom.

(Fast) alle sind online

So gut wie alle Kinder und Jugendlichen zwischen 6 und 18 Jahren (98 Prozent) nutzen ein Smartphone oder Tablet. Selbst die Jüngsten zwischen 6 und 9 Jahren (95 Prozent) nutzen zumindest eines dieser beiden Geräte. Mit diesen oder anderen Geräten verbringen Deutschlands Kinder und Jugendliche im Alter ab 6 Jahren jeden Tag im Schnitt fast zwei Stunden (111 Minuten) im Netz. Die Online-Zeit steigt mit dem Alter stark an:

  • 6- bis 9-Jährige sind durchschnittlich 49 Minuten pro Tag im Internet
  • 10- bis 12-Jährige eine Stunde und 27 Minuten.

Jugendliche ab 13 Jahren verbringen über zwei Stunden im Netz:

  • 13- bis 15-Jährige 2 Stunden und 20 Minuten
  • 16- bis 18-Jährige 2 Stunden und 46 Minuten.

Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Studie im Auftrag des Digitalverbands Bitkom, für die mehr als 900 Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 18 Jahren befragt wurden. Die Angaben beruhen auf Selbstauskünften der Kinder und Jugendlichen, bei den jüngeren im Beisein der Eltern.

„Kinder und Jugendliche wachsen wie selbstverständlich mit Smartphone und Internet auf“, sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer  Bernhard Rohleder. Er fordert: „Sie müssen frühzeitig begleitet und angeleitet werden, damit sie sich handlungssicher und selbstbestimmt in der digitalen Welt bewegen

Kinder haben immer früher digitalen Erstkontakt

Sehr früh kommen Kinder und Jugendliche mit digitalen Medien und Geräten in Kontakt.

  • 88 Prozent der 6- bis 18-Jährigen verbringen zumindest ab und zu Zeit im Internet. Fast genauso viele (87 Prozent) nutzen selbstständig oder zusammen mit ihren Eltern ein Smartphone.
  • 8 von 10 Kindern und Jugendlichen (80 Prozent) nutzen Tablets – vor allem die Jüngeren zwischen 6 und 9 Jahren (86 Prozent). Mit dem Alter nimmt die Tablet-Nutzung leicht ab.
  • 85 Prozent der 10- bis 12-Jährigen verwenden Tablets, unter den 16- bis 18-Jährigen noch 74 Prozent.

Smartphones hingegen gehören ab dem Grundschulalter zum Alltag dazu: Während 66 Prozent der 6- bis 9-Jährigen Smartphones nutzen, sind es bei den 10- bis 12-Jährigen 92 Prozent und ab dem Alter von 12 Jahren gibt es kaum ein Kind ohne Smartphone.

Während 21 Prozent der 6- bis 9-Jährigen ein eigenes Handy besitzen, sind es unter den 10- bis 12-Jährigen schon 86 Prozent und bei den 13- bis 15-Jährigen sogar 95 Prozent.

Im Langzeit-Vergleich kommen Kinder und Jugendliche der Bitkom-Studie zufolge immer früher mit digitalen Endgeräten in Kontakt:

  • Im Jahr 2014 nutzten lediglich 20 Prozent der 6- bis 7-Jährigen ab und zu ein Smartphone - aktuell sind es 64 Prozent.
  • Mit steigendem Alter nimmt der Anteil der Nutzer:innen rapide zu.
Je älter die Kinder, desto mehr Zeit online, vor allem am Handy

Je älter die Kinder, desto mehr Zeit online, vor allem am Handy

Messenger- und Streaming-Dienste sind beim Nachwuchs am beliebtesten

Die Zeit im Netz verbringen Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 18 Jahren am liebsten mit Chatten oder Video-Streaming.

  • Mehr als 8 von 10 Kindern und Jugendlichen nutzen zumindest gelegentlich Chat-Nachrichten (86 Prozent) und schauen Filme, Serien und Co. (83 Prozent) im Netz.
  • 71 Prozent hören Radio oder Musik
  • 69 Prozent suchen Informationen für Schule oder Ausbildung.
  • 6 von 10 spielen Online-Games (61 Prozent).
  • 4 von 10 Kindern und Jugendlichen ab 10 Jahren informieren sich über aktuelle politische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Nachrichten (38 Prozent).
  • Etwa ein Viertel shoppt online (23 Prozent).

6 von 10 Kindern und Jugendlichen können sich nicht vorstellen, nie wieder online zu sein.

YouTube ist die meist genutzte Online-Plattform

Die große Beliebtheit von Videos und Streaming zeigt sich in der Plattformnutzung: Über alle Altersgruppen hinweg dominiert das Videoportal YouTube. So nutzen 82 Prozent der 10- bis 18-Jährigen zumindest ab und zu die Internetseite oder App. Mit großem Abstand folgt Instagram. Auf dieser sozialen Plattform ist etwas mehr als die Hälfte (54 Prozent) aktiv – die Nutzung nimmt mit dem Alter jedoch stark zu.

Bei den Kurznachrichtendiensten und Messenger-Apps dominiert WhatsApp die Kommunikation. Hier versenden 82 Prozent der 10- bis 18-Jährigen häufig Text-, Bild- oder Sprachnachrichten, weitere 10 Prozent manchmal. Mit deutlichem Abstand folgt Snapchat, worüber sich 52 Prozent häufig oder manchmal austauschen.

Vernetzt mit neuen und alten Freunde

Grundsätzlich machen Kinder und Jugendliche viele positive Erfahrungen im Internet: 68 Prozent der 10- bis 18-Jährigen finden es gut, online immer mit Freundinnen, Freunden oder ihrer Klasse in Kontakt sein zu können. Etwa jede und jeder Dritte (31 Prozent) hat über das Netz schon neue Freundschaften geschlossen. Zudem haben knapp zwei Drittel (64 Prozent) online ihr Wissen erweitern können und ein Viertel (25 Prozent) hat so seine Leistungen in der Schule oder Ausbildung verbessert.

Der Schutz von Kindern und Jugendlichen muss auch in der digitalen Welt verbessert werden. Hier braucht es nicht nur Aufklärung durch Eltern und Schule, sondern ebenso eine technisch und personell bessere Ausstattung von Polizei und Ermittlungsbehörden.

Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder

Jeder Sechste wird online gemobbt

  • 45 Prozent haben bei der Netz-Nutzung bereits schlechte Erfahrungen gemacht.
  • 19 Prozent haben Inhalte gesehen, die ihnen Angst eingeflößt haben.
  • Etwa jede oder jeder Sechste (17 Prozent) wurde schon einmal beleidigt oder gemobbt – unter den 12- bis 13-Jährigen gibt sogar fast ein Viertel (23 Prozent) an, im Netz Opfer von Mobbing oder Beleidigungen geworden zu sein.
  • Sexuelle Belästigung ist ein Problem, das vor allem Mädchen betrifft: So wurde bereits fast jedes zehnte Mädchen im Alter zwischen 10 und 18 Jahren von Gleichaltrigen im Netz sexuell belästigt (9 Prozent), jedes zwanzigste Mädchen von Erwachsenen (5 Prozent).

„Der Schutz von Kindern und Jugendlichen muss auch in der digitalen Welt verbessert werden. Hier braucht es nicht nur Aufklärung durch Eltern und Schule, sondern ebenso eine technisch und personell bessere Ausstattung von Polizei und Ermittlungsbehörden“, so Rohleder.

Zu wenig Kontrolle durch die Eltern

Die Rolle der Eltern bei der Mediennutzung nimmt erwartungsgemäß mit dem Alter stark ab. So dürfen drei Viertel (76 Prozent) der 6- bis 9-Jährigen sowie 58 Prozent der 10- bis 12-Jährigen nur eine bestimmte Zeit online sein. Bei den 13- bis 15-Jährigen trifft das noch auf 3 von 10 zu (30 Prozent), bei den 16- bis 18-Jährigen lediglich auf 5 Prozent. Insgesamt erhalten 4 von 10 Kindern und Jugendlichen ab 6 Jahren (41 Prozent) zeitliche Vorgaben. Komplettes Online-Verbot erhalten auch mal 31 Prozent von ihren

„Ohne Kontrolle und auch Verbote wird es nicht gehen, Aufklärung ist aber das wichtigste Instrument Werkzeug der digitalen Begleitung und Erziehung.“ Allerdings bekommen nur 59 Prozent der Kinder und Jugendlichen von ihren Eltern erklärt, was online erlaubt ist und was nicht. Generell redet auch nur ein Drittel (34 Prozent) der Eltern regelmäßig mit ihren Kindern über deren Online-Erfahrungen.

Hier geht es zur vollständigen Bitkom-Studie (PDF-Dowload).