Karriere

Über sieben Ecken

9. Juni 2023
von Veronika Weiss

Das persönliche Netzwerk kann im Beruf entscheidend sein – und ist oft größer, als man selbst denkt. Eine Ermunterung, den engen Kreis zu erweitern. 

Demnächst bin ich eingeladen zu einer großen Party einer mir wildfremden Person – denn ich nehme als »Plus-One« teil. Aus solchen »Mitbringseln« wird die Hälfte der Partygäste bestehen: Die Feiernde hat all ihre Gäste gebeten, jeweils einen Menschen mitzubringen. Was für eine tolle und großzügige Idee! Sie hat Lust auf Leute und darauf, ihr Netzwerk kennenzulernen. Einige ihrer Kontakte aus zweiter Hand macht sie zu direkten und ihren Bekanntenkreis damit größer, bunter, schillernder.

Im Berufsleben ist es doch oft ähnlich: Nicht nur der unmittelbare Draht zählt, sondern diese eine wirksame Ecke. Zum Beispiel kommt eine Zusammenarbeit nicht selten über eine Empfehlung zustande: Jemand kennt zwei Menschen und kann einschätzen, ob diese beiden harmonieren, ähnliche Interessensgebiete haben, ob sich ihre Kompetenzen ergänzen.

Die Welt ist so klein!

Denken Sie an all diese Zweitkontakte, wenn Sie überlegen, wie groß Ihr Netzwerk ist? Nicht sofort, oder? Wir denken an den Freundeskreis, an die Kolleg:innen, an Bekanntschaften aus Hobbys und der Nachbarschaft, die Familie natürlich. Aber Ihr Netzwerk ist um ein Vielfaches größer, weil all jene Menschen dazugehören, die Ihre Bekannten kennen. Bis dahin reicht Ihr persönlicher Wirkungsbereich – das beweisen nicht nur Empfehlungen, sondern auch diese »Kennt wer wen, der:die wen kennt«-Anfragen, die Sie ab und zu erreichen.


Über sieben Ecken kennt jede:r jede:n. Die wissenschaftliche Hypothese dazu – das Kleine-Welt-Phänomen oder Small-world experiment – stammt ursprünglich von Stanley Milgram. Ob es nun »Six Degrees of Separation« oder noch weniger sind, ob das tatsächlich über alle Kontinente, ethischen und sozialen Hintergründe hinweg auf die gesamte Weltbevölkerung anwendbar ist, das kann ich nicht beurteilen. Aber sicher ist, dass wir in unserer relativ kleinen Buchbubble bestens damit arbeiten können!

Viele bunte Bubbles

Lassen Sie sich bitte nicht einreden, Ihr Netzwerk sei zu klein. Wie viele Leute aus der Branche kennen Sie, die mittlerweile in anderen Unternehmen sitzen? Die inzwischen wiederum neue Kolleg:innen haben? Und wo bewegen sich eigentlich mittlerweile Ihre Bekannten aus Ausbildung oder Studium? Eben. Selbst wenn Sie in Routinen festhängen und sich in ähnlichen und nicht allzu großen Kreisen bewegen, ist Ihr Netzwerk viel größer, als Sie glauben.


Wenn Sie Lust haben, können Sie Ihr Netzwerk vergrößern – besser nicht nur online, denn persönliche Kontakte sind belastbarer. Gehen Sie zu Netzwerktreffen, nach der Arbeit auf einen Drink, zum Xing-Stammtisch (oder als »Plus-One« zu einer großen Party). Bleiben Sie offen, kontaktfreudig, begeisterungsfähig und neugierig.


Oft genug werden Sie feststellen, dass Sie und ein neuer Kontakt gemeinsame Bekannte haben und draufkommen, dass Sie beide über dieses eine tolle neue Projekt Bescheid wissen. Das sind die Momente, in denen sich eine Bubble mit der nächsten verbindet. Und das macht genauso viel Freude wie zwei Seifenblasen, die aneinander andocken und dann zu einer großen werden.

UNSERE KOLUMNISTIN

Veronika Weiss (38) ist in Wien aufgewachsen und hat dort Germanistik und Musikwissenschaften studiert. Nach Praktikum und Elternzeitvertretung in der Verlagsgruppe HarperCollins (Cora Verlag) in Hamburg arbeitete sie dort als Lektorin. Seit 2021 ist sie frei als Texterin und Lektorin tätig. Im Börsenblatt schreibt Weiss unter anderem über Trends in der Arbeitskultur, Berufseinstieg und Work-life-Balance.