Jens Bartsch, Buchhandlung Goltsteinstraße, Köln

"Das ganze Fördergehampel ist sowieso kreuzdämlich"

30. Januar 2020
von Börsenblatt
Jens Bartsch, Inhaber der Buchhandlung Goltsteinstraße in Köln, findet seine Einkaufspolitik durchaus experimentierfreudig, alles kauft er natürlich nicht ein. Den Ruf nach mehr Förderung für Independents sieht er skeptisch: "Eine gute Sache sollte im besten Falle irgendwie aus sich selbst heraus funktionieren können – oder eben nicht". 

Wir sind für unsere Begriffe extrem experimentierfreudig und spielen viele Spielchen kleiner Verlage sehr interessiert mit: Jede Saison ackern wir hier ca. 4 Meter aller (wirkliche aller) uns erreichenden Vorschauen komplett durch, um neben dem üblichen Kram Perlen entdecken zu können. Wir geben uns also verdammt viel Mühe, haben ein ganz eigenes Profil mit einem ganz eigenen Kopf, an dem sich auch viele größere Verlage mit ihren potentiellen Toptiteln sehr häufig die Zähne ausbeißen, weil wir auch dort oft einfach nicht wollen.

Nun ist klar, dass auch jeder Kleinverleger fest davon überzeugt ist, dass gerade "sein" Programm sehr beachtenswert ist und unbedingt den Weg in den Sortimentsbuchhandel finden muss. Vor Ort verkaufen müssen diese Titel aber wir und ich mag keine Haue mehr dafür bekommen, dass ich viele angebotene Titel aus verschiedenen Gründen heraus bei uns schlicht für unverkäuflich halte.

Inhalt und Verpackung sind zwei Seiten einer Medaille

Bei einigen Kleinverlagen mag es noch nicht gesackt sein, dass Inhalt und Verpackung zwei Seiten einer Medaille sind. Für Kunden spielt in der Auslage (so ausgelegt wird) das Bild aber eine ganz große und besondere Rolle für deren Erstzugriff – wir stehen ja nicht permanent daneben. Bei einer Covergestaltung, die an drittklassige Selfpublisher erinnert, darf man sich als Kleinverleger nicht wirklich wundern, dass der Sortimenter trotz aller Begeisterung für den Inhalt recht zögerlich reagiert.

Christiane Krause vom Vertreterbüro Indiebook kann eventuell ein Lied davon singen und weiß genau, welcher Titel in dieser Kategorie mein Liebling der letzten Jahre war. Kaarina Kyrölainen sagt es in ihrem Kommentar hier auf boersenblatt.net ganz richtig – Hanser hat eben ein anderes Budget und eine andere Ausstrahlung. Was sollen wir bitte hier als ambitionierte Buchhandlung noch tun – was können wir hier noch tun? Wenn es für Euch und uns funktioniert, dann ist es gut – wenn nicht, dann ist es eben so.


In diesem Land wird einfach zu viel kreuzdämlicher Kram gefördert

Der Unsichtbar-Verlag blieb bei uns zum Beispiel unsichtbar, weil sein Portfolio zwar zur Kenntnis genommen wurde, aber hier nicht passte und das Preisgefüge (ein Kollege aus dem Sortiment merkte dies an anderer Stelle schon an) für uns ungenügend ist. Das im Beitrag an die Kulturpolitik gerichtete "Fickt Euch" halte ich für einen ganz blöden und schlechten Stil. Das ganze Fördergehampel ist sowieso kreuzdämlich, das wissen wir alle und für meine Begriffe wird in diesem Land einfach zu viel kreuzdämlicher Kram gefördert.

Eine gute Sache sollte also im besten Falle irgendwie aus sich selbst heraus funktionieren können – oder eben nicht. Dies bei den Verlagen wie bei uns Sortimentern auch. Und zusätzlich ins Merkheft: Wenn wir aufgrund der Vertreterempfehlung einen Titel eines Kleinverlags mutig einkaufen, nach erfolgreichem Verkauf mutig nachbestellen und dann feststellen, dass die Erstkonditionen beim Verlag und der Auslieferung NICHT hinterlegt wurden, dann verliere auch ich gelegentlich die Lust an Experimenten! 


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