Regionalkalender

Heimatliebe

15. Mai 2025
Jona Piatkowski

Wer kauft eigentlich Regionalkalender? Und warum? Über Neugierige und stille Wiederholungstäter.

"Oh, ich habʼ solche Sehnsucht! Ich will wieder an die Nordsee!" Wo die Ärzte Westerland gegen Nordsee-Fernweh verschreiben, helfen vielleicht regionale Sylt-­Kalender, etwa vom Eiland Verlag. Hauptsächlich verkauft werden sie genau dort, auf Sylt, wie Bernhard Fetsch, Geschäftsleiter Vertrieb und Marketing beim Athesia Kalenderverlag, berichtet: "Kalenderkunden sind sehr treu – man möchte fast sagen, sie sind 'Wiederholungstäter'. Das kann man sich vorstellen wie ein stilles Abo", erklärt Fetsch. "Wer sich einmal an einen Kalender gewöhnt hat, möchte ihn jedes Jahr wieder haben."

Das kann Vanessa Kallenbach bestätigen: »Es ist wie ein wiederkehrendes Ritual. Manche Touristen ­kaufen seit 30 Jahren immer den gleichen Kalender«, beobachtet die Filial­leiterin von Thalia in Westerland. Als Urlaubsmitbringsel verkauften sich gerade kleinere Formate sehr gut, etwa Tischkalender. Das beobachtet Martina Kraus, Filialleiterin von Ravensbuch in Friedrichshafen, auch am Bodensee: "Postkarten­kalender werden gern mehrfach als Mitbringsel gekauft." Allerdings sind es nicht bloß Touristen, die sich an schöner Landschaft und regionalem Flair erfreuen: "Wir bekommen häufig mit, dass Regionalkalender als Geschenk für die erwachsenen Kinder gekauft werden, die weggezogen sind und Sehnsucht nach der heimischen Ostseeküste haben", so Kirstin Höhe von der Buchhandlung Pauls Bücher in Rostock. Von "Exil-Mecklenburgern" spricht auch Fridtjof Melms, beim Rostocker Hinstorff Verlag zuständig für Vertrieb und Buchbestellungen. Für solche eher nostalgischen Zwecke sind vor allem großformatige Fotokalender gefragt, wie Kirstin Höhe weiß. Tischkalender hingegen kaufen bei ihr eher die Einheimischen – und zwar für den eigenen Schreibtisch.

Die Motive müssen typisch sein

Urlauber:innen, weggezogene Heimatverbundene, Einheimische: Die Zielgruppe für Regionalkalender ist damit breit gefächert. Aber noch eine Beobachtung zieht sich von Nord nach Süd durch Deutschlands Buchhandlungen und Kalenderverlage: Es sind vorwiegende Ältere über 50, die diese Kalender kaufen. Vanessa Kallenbach konstatiert: "Die Boomer-Generation ist die Regionalkalender-Generation."
 

Regionalkalender werden gern für die erwach­senen Kinder ­gekauft, die aus der Heimat weg gezogen sind.

Kirstin Höhe, Pauls Bücher in Rostock

Wenn die treue Stammkundschaft über Jahrzehnte hinweg den gleichen Kalender kauft: Möchte sie darin vor allem vertraute Ansichten wiederfinden oder muss es Abwechslung bei den Motiven geben? "Das wichtigste Argument bei der Bildauswahl ist, dass sie eine ­Geschichte erzählen soll", sagen Gabriele Lehari (Programmplanung) und Ulrike Weiler (Presse) vom Oertel und Spörer Verlag, dessen Spezialitäten die schwäbische Alb und der Bodensee sind. "Es geht nicht unbedingt um wiedererkennbare Motive, sondern um typische." Ein schöner Wasserlauf etwa müsse nicht eindeutig zu verorten, aber charakteristisch für die Kulturlandschaft sein. "Wir wollen die verborgene Schönheit abbilden." Mit den gewohnten Attraktionen könnten Kund:innen abgeholt werden, um ­ihnen dann zu zeigen, was es noch alles zu entdecken gibt. 

Auch Fridtjof Melms meint: "Erfahrungsgemäß werden die Highlights erwartet. Aber wir versuchen, Wiederholungen zu vermeiden und ein bekanntes Motiv auch mal aus einem anderen Blickwinkel zu fotografieren."

Je größer desto schöner

Um die Schönheit der jeweiligen Region angemessen darstellen zu können, setzt Oertel und Spörer auf Großformatiges: "Kalender haben heutzutage hauptsächlich eine Schmuck- und Dekorationsfunk­tion", sagt Gabriele Lehari. "Bei ­vielen hängen sie im Wohnzimmer – wie ein Bild, das sich immer wieder verändert." Leharis Familie lebt bereits seit Generationen in der Gegend zwischen Stuttgart und dem Bodensee: "Mein Herz schlägt einfach für diese Region." Dass die regionale Verwurzelung der Kalenderverlage auch ihre redaktionelle Kompetenz ausmacht, betont Bernhard Fetsch: "Der Eiland Verlag wurde vom Sylter Frank Rosemann auf Sylt gegründet – um ganz gezielt Produkte in der und für die Region zu verlegen." 

Der 2021 gegründete 8 grad Verlag hat sich dagegen dem 8. Längengrad in Südwestdeutschland verschrieben: Im "Kulturkalender Baden und Württemberg" finden sich nicht nur Fotografien, sondern auch Gemälde, Illustrationen und lebenskluge Texte. Programmleiterin Annette Maria Rieger bringt die Zielgruppe auf den Punkt: "Er eignet sich als Souvenir für alle, die Baden-­Württemberg lieben."

Regionalkalender (Auswahl)

Hannah Seidel: "Sauerland 2026. Ansichten einer Region", Klartext Verlag 13 Bl., 45 x 51 cm, 24 €

Stefan Arendt: "Bodensee. Wasser.Berge.Licht.", Stadler, August, 14 Bl.,48 x 33 cm, 24 €

German Neundorfer (Hrsg.): "Kulturkalender aus Baden und Württemberg", 8 grad Verlag, August,32 x 24 cm, 52 S., 24 €

Michael Schüfer, Yvonne Höflinger: "ALBschönheiten", Oertel und Spörer, Juni, 730 S., 15 x 21 cm, 29,95 €

"Dolomiten",Ackermann Kunstverlag, 14 Bl.,33 x 66 cm, 32 €

Peter Becker: "Spreewald 2026", K4 Verlag, 13 Bl.,45 x 30 cm, 19,50 €

"Schwarzwald", Korsch Verlag, 13 Bl., 30 x 30 cm, 8,99 €

Thomas Grundner: "Fischland. Darß. Zingst. 2026", Hinstorff Verlag, 13 Bl., 32,5 x 23,5 cm, 16 €