Wie zufrieden sind Azubis und Ausbildende?

Durchschnittsnote der Buchhandelsazubis: 2,81

9. April 2021
von Börsenblatt

Der Azubi-Brandbrief hat für Furore gesorgt. Wir haben Azubis und Ausbilder*innen anonym nach ihrer Zufriedenheit und Einschätzung gefragt. Die Ergebnisse sind sehr unterschiedlich.

In einem Brandbrief haben sich Auszubildende am 29. März an das Börsenblatt gewandt, um von ihrer prekären Situation zu berichten.

Zuletzt haben wir Ausbilder*innen und Azubis anonym nach ihrer Zufriedenheit und Erfahrung gefragt: Die Eindrücke sind sehr unterschiedlich.

Wie zufrieden sind Azubis und Ausbilder mit der Ausbildung?

So zufrieden sind Buchhändler-Azubis mit ihrer Ausbildung

Insgesamt 105 Azubis haben bei unserer Börsenblatt-Umfrage abgestimmt. Nach Schulnoten konnten Azubis ihre Ausbildung bewerten. Die Durchschnittsnote: 2,81. Mehrheitlich sind die Azubis also zufrieden mit ihrer Ausbildung.

Anschließend konnten sie in einem offenen Textfeld ihrem Ärger Luft machen oder erklären, was in ihrer Ausbildung besonders gut läuft.

Viele Azubis zeigten sich zufrieden mit ihrer Ausbildung. Man würde stets wie Auszubildende behandelt, dürfe Pause und Urlaub machen. „Die Verantwortung für den Laden schultern die richtigen, nicht wir Azubis. Würden wir ein Gespräch mit den Inhabern der Buchhandlung führen wollen, würden wir Gehör finden“, heißt es von einem Teilnehmenden.

„Ich arbeite in einem fantastischen Team“, freut sich ein*e andere Auszubildende*r. „Meine Ausbilderin ist super verständnisvoll, meine Filialleitung nimmt sich immer Zeit, wenn mir etwas auf dem Herzen liegt. Meine Meinung wird nicht nur respektiert, meine Kollegen fragen auch danach. Ich fühle mich von meinem Team wertgeschätzt.“

Auch viele weitere Azubis schrieben, dass Ausbilder*innen und Filialleiter*innen immer ein offenes Ohr hätten, sich Zeit für Fragen und Probleme und Ausbildungsgespräche nähmen. Die übergebene Verantwortung wurde als positiv bewertet.

Kräfteraubend sei dagegen der „unzuverlässige Online- und Teilpräsenzunterricht in der Berufsschule: Die Lehrer sind mit der zeitweise streikenden Technik überfordert und meistern die Aufgabe unterschiedlich gut, gleichzeitig Schüler im Klassenzimmer und virtuell zu unterrichten.“ Zu kurzfristig seien außerdem die Entscheidungen für kommende Schulzeiten. „Schüler außerhalb Münchens hatten nicht einmal drei Tage Zeit, sich einen Wohnheimplatz und einen negativen Corona-Test zu organisieren.“

Von einer anderen Person heißt es: „Mir gefällt, dass es trotz Corona weitergeht, das "wie" allerdings ärgert mich manchmal und lässt mich täglich zweifeln. Uns werden die Möglichkeiten genommen, praxisbezogene und ausbildungstypische Inhalte wirklich zu erleben. Stattdessen sitzen wir vor einem Bildschirm und müssen uns mit Schulungen, Messen und Tagungen begnügen, die nur online stattfinden.“

Unzufrieden ist auch ein*e weitere*r Teilnehmer*in: Zwar möge er oder sie die Vielseitigkeit an Beruf, gerade in seiner/ihrer Filiale, aber man habe kaum Abwechslung und komme „super fertig“ nach Hause. „Ich fühle mich überfordert, ich bin teilweise alleine auf der Fläche, obwohl ich noch nicht einmal ein Jahr in der Ausbildung bin, weil wir so schlecht besetzt sind, und der Filialleitung ist das egal. Es wundert mich nicht, dass bei uns regelmäßig die Auszubildenden ausfallen vor Erschöpfung.“

Allein gelassen, fühlen sich noch einige weitere Teilnehmende. So würde man dauernd ohne Unterweisung ins kalte Wasser geworfen werden und eigene Warengruppen ohne Feedback betreuen. Einige schrieben auch, sich ihr Praxiswissen vor allem anhand von Leitfäden erarbeiten zu müssen statt im Austausch mit Ausbilder*innen.

Zwar sind viele Azubis auch dankbar für die Verantwortung und Selbstständiges Arbeiten als Lernmethode, bemängeln aber, dass keine Hilfe für den Notfall angeboten würde. Bei Fehlern würde man dann Ärger bekommen.

 „Als Auszubildende in meiner Filiale bilden wir die Stütze, denn ohne uns könnte der Laden nicht mit den Öffnungszeiten öffnen, solange meine Kollegen in Kurzarbeit sind. Wir werden zum Teil alleine gelassen. Im ersten Lockdown war ich mehrere Tage komplett alleine. Wir übernehmen Aufgaben, die wir nicht übernehmen sollten. Haben Verantwortung, die wir nicht haben sollten. An Ausbildung ist gar nicht zu denken. Da es keinen Ausbildungsplan gibt, muss ja auch kein Plan verfolgt werden.“

So zufrieden sind Ausbilder mit der Ausbildung

Hier haben 33 Ausbilder*innen teilgenommen. Im Durchschnitt geben sie der Buchhändler-Ausbildung in Corona-Zeiten eine Note 3. Auch sie konnten in einem offenen Textfeld beantworten, was aus ihrer Sicht besser oder schlechter läuft. So sieht die Verteilung aus:

Gefreut wurde sich, dass durch die Lockdown-Situation viele Ausbildungsinhalte erstmals in Ruhe erklärt worden konnte, da keine Kunden parallel betreut werden mussten. „Wareneingang und Ausgang konnte in Ruhe wiederholt bzw. auch intensiv erstmalig erklärt werden. Gespräche mit den Auszubildenden konnten ebenfalls ohne Hektik geführt werden. Die Auszubildenden wurden von uns ins Homeoffice geschickt mit Prüfungsaufgaben und konnten sich so schon einmal auf die Abschlussprüfung vorbereiten.“

Der oder die gleiche Ausbilder*in bestätigt aber auch das, was viele Azubis in der Parallelumfrage bemängelten. „Nachdem die Anweisungen auf Kurzarbeit für die Festangestellten (auch Ausbilder) kam, war es tatsächlich schwierig, die vorgegebenen Zeiten zu besetzen, ohne das die Auszubildenden alleine waren. Wir haben es hinbekommen, aber nur mit sehr viel Mühe und Not. Wir haben unseren Auszubildenden durchaus das alleinige Arbeiten in der Filiale zugetraut, als Ausbilder sehe ich mich aber immer noch in einer gewissen Aufsichtspflicht.“

Sorge machte den Ausbilder*innen auch der Online-Unterricht der Berufsschule, sowie die mangelhafte Kommunikation, Beobachtung und Bildung und persönlicher Kontakt durch Lockdown- und Kurzarbeitphasen. Berufsrelevante Themenfelder wie Sortimentskunde und Warengruppenbetreuung blieben auf der Strecke.

Positiv bewertet wurde aber auch, dass Azubis Selbstorganisation, Improvisation und Ausbildungselemente wie den Wareneingang schneller und selbstbewusster lernen.

„Unser Azubi ist im letzten Ausbildungsjahr sehr selbstständig und hat schon alle Abteilungen durchlaufen“, erzählt ein*e Ausbilder*in. „Wir sind ein großes Filialhaus. Soweit ich es beurteilen kann, wurden alle Arbeitsrechte eingehalten. Ich finde den Brandbrief der Azubis trotzdem sehr gut. Da augenscheinlich mit dem 'Coronazeit-Argument' zur Zeit viele Arbeitsrechte nicht immer so ernst genommen werden. Die wenigsten sagen etwas, weil die Angst umgeht bei allen Beschäftigten, egal ob Azubi oder nicht.“

Die Pandemie stelle alle vor große Herausforderungen, erklärt eine weitere Person. „Die Ausbilder sind in Kurzarbeit, die Azubis nicht. Für die Auszubildenden ist es wichtig, dass man ein offenes Ohr für sie hat, das bedeutet für unsere Buchhandlung, dass wir jederzeit telefonisch erreichbar sind und regelmäßig vorbeischauen, um offene Fragen und Sorgen zu besprechen. Urlaub, freie Tage und ein offenes Ohr sind wichtig, um den Stresspegel niedrig zu halten.

 

Überwiegend sind Azubis und Ausbilder*innen eher zufrieden mit der aktuellen Situation. Aber Herausforderungen sehen die meisten im Ausbildungsalltag. Zu beachten ist auch, dass ein größerer Bruchteil massive Probleme in der Ausbildung sieht und die Sorgen des Azubi-Brandbriefs bestätigt.

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