Fachgruppenversammlung Sortimentsbuchhandel

"Einzelkämpfer haben es immer schwerer"

16. September 2025
Sabine Cronau

Wie können Buchhandlungen wirtschaftlich auskömmlich arbeiten? Diese Frage beschäftigt den Ausschuss für den Sortimentsbuchhandel derzeit ganz besonders. Und sie bestimmte auch die Diskussion bei der Fachgruppe - Fokus Sortimentsbuchhandel, die sich am 16. September zum digitalen Austausch getroffen hat.

Christiane Schulz-Rother, Vorsitzende des Ausschusses für den Sortimentsbuchhandel, informierte über aktuelle Themen

Zwei Backlist-Studien

Wie das Thema Auskömmlichkeit die Arbeit des Fachausschusses prägt, skizzierte Christiane Schulz-Rother (Tegeler Bücherstube, Berlin) als Vorsitzende in ihrem Rückblick auf die zurückliegenden Monate. Ganz vorne dabei: Die Aktivitäten einer Taskforce, die unter anderem zwei Studien zum Umsatzfaktor Backlist angestoßen hat (mehr dazu hier): "Bei der Preisgestaltung hat sich einiges getan, aber es gibt noch viel Luft nach oben“, so das Fazit von Christiane Schulz-Rother, die sich weitere Analysen wünschen würde: "Wir wollen mindestens noch eine dritte Studie auf den Weg bringen, um die Backlist- und die Preisgestaltung weiter zu verfolgen."

Wir wollen mindestens noch eine dritte Studie auf den Weg bringen, um die Backlist- und die Preisgestaltung weiter zu verfolgen.

Christiane Schulz-Rother, Vorsitzende des Ausschusses für den Sortimentsbuchhandel

Die Vorteile der Verbundgruppen

Buchwert und Nordbuch, LG Buch und die Genossenschaft eBuch: Bei der Wirtschaftlichkeit im Sortiment spielen nicht zuletzt die Verbundgruppen eine wichtige Rolle: "Einzelkämpfer haben es immer schwerer", so Christiane Schulz-Rother, mit ihrer Tegeler Bücherstube Mitglied in der LG Buch.

Bei der Fachgruppenversammlung stellten Christian Liesegang, Anne v. Bestenbostel und Julia Erlen kurz und knapp die Verbundgruppen vor, denen sie angehören (bei Christian Liesegang sind es mit Buchwert und Nordbuch gleich zwei). Einkaufsvorteile bei den Partnerverlagen und Bonusmodelle sind dabei ein wesentlicher Pluspunkt, aber auch das Callcenter der eBuch, Marketingbausteine oder ein gemeinsames Zentrallager helfen im Tagesgeschäft.

Thalias Partnermodell ist auch dabei

Martin Riethmüller (Osiander) skizzierte im Anschluss das Partnermodell von Thalia – natürlich keine Verbundgruppe, aber dennoch eine Option für mehr Wirtschaftlichkeit. Die Ware in den Partnerbuchhandlungen gehört Thalia, die angeschlossene Buchhandlung bekommt pro Buchverkauf eine Provision. Der Vorteil liegt für Riethmüller nicht zuletzt in der Online-Reichweite von Thalia.de. Verkäufe im eigenen Postleitzahlengebiet kämen der Buchhandlung zugute – „und wir profitieren von den Werbekampagnen, die sich auch im stationären Handel niederschlagen“, so Riethmüller.

Wenn Branchenmitglieder die eingerichtete Ombudsstelle nicht nutzen, um auf missbräuchliche Konditionen hinzuweisen, bleibt sie ein stumpfes Schwert.

Peter Kraus vom Cleff, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins

Die Konditionendebatte - und ihre Grenzen

Das Thema Thalia führte die Runde schnell weiter zur Einkaufsmacht der Großen und zum Dauerstreit um die Konditionengestaltung. Der Kasseler Buchhändler Jörg Robbert verdeutlichte, dass aus seiner Sicht Konditionen unter 30 Prozent eben nicht auskömmlich für den Buchhandel seien und dass er hier ein klares Wort von der eigenen Interessenvertretung vermisse: "Es sollte im Vorstand und in den Gremien des Börsenvereins klar sein, dass sich dringend etwas ändern muss." Er verwies dabei unter anderem auf einen Börsenblatt-Artikel zum Kostendruck im Sortiment.

Warum sich der Börsenverein als "Dreispartenverband mit Monopolstellung" bei diesem Thema aus kartellrechtlichen Gründen nicht äußern darf, machte dagegen Hauptgeschäftsführer Peter Kraus vom Cleff klipp und klar deutlich: "Wir kommen in Teufels Küche, wenn wir über Rabattpolitik sprechen.“

Er verwies auf die Ombudsstelle, die der Börsenverein für entsprechende Beschwerden bei den Preisbindungstreuhändern der Verlage eingerichtet hat: "Wenn Branchenmitglieder diese Ombudsstelle nicht nutzen, um auf missbräuchliche Konditionen hinzuweisen, bleibt sie ein stumpfes Schwert." 

In dem Preisbindungsprozess vor dem EuGH liegt ein immenses Gefahrenpotenzial.

Christian Sprang, Justiziar des Börsenvereins

In NRW ändert sich das Vergaberecht

Einen Überblick über aktuelle rechtliche Themen gab Börsenvereinsjustiziar Christian Sprang:

  • Ein Verfahren zur grenzüberschreitenden Preisbindung zwischen Deutschland und Österreich beschäftigt derzeit den Europäischen Gerichtshof (mehr dazu hier). Zugleich sorgt es dafür, dass eine deutsche Gesetzesänderung zu drittfinanzierten Gutscheinen (Stichwort Adventsrabatte bei eBay) vorerst zurückgestellt wurde, um das EuGH-Urteil abzuwarten. In dem Prozess liege ein "immensens Gefahrenpotenzial", warnte Sprang.  
  • In Nordrhein-Westfalen gibt es eine Änderung beim Vergaberecht. Für Aufträge, deren Volumen unter der Schwelle von 221.000 Euro für europaweite Ausschreibungen liegt, entfällt ab 2026 die so genannte Unterschwellenvergabeordnung. Sie werde im Zuge des Bürokratie-Abbaus gestrichen, so Sprang: "Kommunen, die bisher oft bundesweit ausschreiben mussten, bekommen damit die Möglichkeit, sich für eine Direktvergabe an den örtlichen Händler oder eine beschränkte Ausschreibung zu entscheiden.“ Wie sich die Neuregelung konkret auf die kommunale Vergabepraxis im Schulbuch- und Bibliotheksgeschäft auswirke, müsse sich allerdings erst zeigen.
  • Dritter Punkt war der elektronische Widerrufsbutton bei Online-Käufen, der vermutlich ab Dezember gesetzlich verpflichtend wird und eine EU-Richtlinie umsetzt. Das parlamentarische Beratungsverfahren läuft noch. Mehr dazu hier: 

Kommt eine KI-Kennzeichnung für Bücher?

Mit einem heißen Thema, das die Verlage ebenfalls umtreibt, ging die Diskussion weiter: Braucht die Branche eine Kennzeichnung für KI-generierte Produkte? Die Sortimenter:innen in der Runde sprachen sich vehement dafür aus. Gerade in Beratungsgesprächen oder bei Kundennachfragen würde ein deutlicher Warnhinweis sehr helfen, so der Tenor..

Eine Arbeitsgruppe aus Verlagen entwickelt derzeit eine Lösung, um entsprechende KI-Informationen in den Metadaten zu hinterlegen - als freiwillige Selbstverpflichtung. Vorbild dafür ist eine Matrix, die von den wissenschaftlichen Verlagen entwickelt worden ist. Das Thema steht im November bei der nächsten gemeinsamen Fachausschusssitzung der drei Sparten wieder auf der Agenda.

Die Winterprogramme der Verlage empfinden wir als Last - und als Belästigung.

Dieter Dausien, Buchladen am Freiheitsplatz, Hanau

Schwierige Winterprogramme, teure Lesereisen

Zwei neue Entwicklungen, die den Buchhandel beschäftigen (und ärgern), kamen am Dienstag ebenfalls auf den Tisch:

  • Dieter Dausien kritisierte die Winterprogramme, mit denen Penguin Random House vor einigen Jahren begonnen hat und die sich nach und nach auch bei anderen Verlagen etabliert haben. Wenn in diesen Programmen vor dem Weihnachtsgeschäft potenzielle Besteller von John Irving oder Louise Penny lanciert würden, dann lasse sich der reguläre Herbsteinkauf im Sortiment kaum noch seriös planen, so der Buchhändler: „Das empfinden wir als Last – und als Belästigung“, sagte Dausien,  der damit vielen Kolleg:innen aus der Seele sprach.
  • Einen wunden Punkt brachte auch Martin Riethmüller zur Sprache: Er beobachtet, dass immer mehr namhafte Autor:innen für die Veranstaltungsbuchung zu Agenturen wechseln. Durch Vermittlungsgebühren und höhere Honorare würden Lesungen nicht nur teurer, sondern „für den Buchhandel stehen auch kaum noch Termine zur Verfügung“. Die Kolleg:innen in der Runde machen ähnliche Erfahrungen und verwiesen dabei auch auf die wachsende Konkurrenz durch prestigeträchtige Lesefestivals.

Die Mitglieder sind gefragt!

Am Ende der zweistündigen Online-Tagung standen noch zwei Appelle:

  • Bis zum 25. September läuft eine EU-Befragung zur "Late Payment Regulation“, an der sich Sortimente beteiligen können und beteiligen sollten. Es geht darum, eine Begrenzung des Zahlungsziels auf 30 Tage zu verhindern. Mehr dazu hier. Eine Musterantwort gibt es hier.
  • Am 30. September sind Vorstandswahlen beim Börsenverein. "Wir haben alles versucht, um Buchhändler:innen für das Vorsteher-Amt zu gewinnen", so Christiane Schulz-Rother. Leider sei das nicht gelungen, so dass nun entweder Zwischenbuchhändler Stefan Könemann oder Verleger Sebastian Guggolz die Nachfolge von Vorsteherin Karin Schmidt-Friderichs übernehmen werden. Schulz-Rothers Appell: "Bitte wählt!". Online ist die Wahlkabine bereits geöffnet (mehr dazu hier).