Das Beispiel ist kein Zufall. Fach- und Ratgeberverlage haben im Markt die Nase vorn: »Non-Fiction-Content bietet erst einmal mehr Einsatzmöglichkeiten als Belletristik. Auch hier sind Autorentreffen und Events möglich. Gezahlt wird aber für die Lösung eines Problems«, bringt Schlüter es auf den Punkt. Für sein Buch »DesignAgility« (mit Stefanie Quade, Schäffer Poeschel) hat Schlüter systematisch verschiedene Medienprodukte einer Stärken- und Schwächenanalyse unterzogen. Sein Fazit: »Durch den Livecharakter geht von Webinaren ein großer Reiz aus. Andere Medien lassen sich hervorragend integrieren, es ist partizipativ und vor allem visuell und auditiv sehr attraktiv.« Auch die Herausforderungen des Neulands seien für Neuanbieter beherrschbar, sagt der Medienforscher: »Webinare sind stark inhaltsgetrieben, das können Verlage sehr gut. Das Problem liegt darin, medienneutral zu denken. Das erfordert andere Kompetenzen als die üblichen Medienprodukte der Verlage.« Auch fehle vielen Anbietern ein langer Atem, sagt Schlüter. Denn sinnvoll sei es, Webinare als ein Produkt in einer langen Kette zu sehen, als einen Livebaustein eines größeren Blended-Learning-Systems. Zumindest die Möglichkeit, vertiefende Angebote wie Coachings durch Autor*innen zu machen oder ein abgestimmtes Buch zur Webinarreihe anzubieten (Crossselling, Upselling), sollten sich Verlage nicht nehmen lassen. Am besten, so Schlüter, denkt man sie von Anfang an mit.
Verlage können durchaus mit Bordmitteln einsteigen, insbesondere wenn sie zuvor ihren Eventbereich personell verstärken, erläutert Schlüter. Zwar sollten Unternehmen wichtige Lernchancen immer ergreifen, aber gerade im Hinblick auf ein kleinteiliges Angebot gibt er zu bedenken: »Robuste Prozesse sind elementar, sonst war es das schnell mit der Rentabilität.« Will heißen:
- Software
- Produktionsmittel
- Administration
können Neueinsteiger guten Gewissens an Dienstleister abgeben.
»Hier können Agenturen als Full-Service-Partner ebenso ins Spiel kommen wie bei Einzelthemen, etwa Streaming oder Chatbetreuung«, sagt Roland Große Holtforth, Gründer und Geschäftsführer von Literaturtest. »Ein schönes, bei uns gefragtes Beispiel für eine punktuelle Unterstützung ist auch die Schulung von Autor*innen in ihrer digitalen Präsenz«, so Große Holtforth. Er sieht im Markt auch für Belletristik-Verlage und Buchhandlungen Möglichkeiten: »Emotionen, Figuren und Geschichten: Hier warten jenseits der Fachverlage wahre Schätze darauf, in neuen digitalen Formaten gehoben zu werden. Inhaltlich wie wirtschaftlich.« An Beispielen zählt er »HeldenstückeLIVE«, »future!publish«, »Bookstock« von Hugendubel, die »Ladies Night« der Düsseldorfer Buchhandlung Bolland & Böttcher und »buch@handel« auf. Sein Tipp für Digitalevent-Neulinge: Kooperationen schmieden für Kostenersparnis und Reichweitensteigerung. »Wenn ich etwa die Monetarisierung von Videoformaten zum Thema Bergwandern für eine gute Idee hielte und über attraktive Inhalte verfügte: Ich würde sofort andere Buch- und Zeitschriftenverlage sowie ein paar führende Ausrüster ansprechen – und dann schauen, mit wem sich hier etwas Gescheites auf die Beine stellen lässt.«