Viele der jetzt ins Deutsche übertragenen Bücher setzen sich kritisch mit den Zuständen auf den Philippinen auseinander. Diese Literatur bedient keine Fluchtimpulse, sondern konfrontiert mit der Wirklichkeit, thematisiert Korruption und Machtmissbrauch der politischen Eliten, die zunehmende Kluft zwischen Armen und Reichen. Ängstliche Zurückhaltung oder Selbstzensur scheint an keiner Stelle auf.
"Das ist eine der Paradoxien des Schriftstellerdaseins auf den Philippinen. Wir gehören zu den gefährlichsten Orten der Welt für Journalisten, zumindest war das noch vor einigen Jahren so", sagt Jose Dalisay. "Dennoch nimmt hier keiner ein Blatt vor den Mund. Insbesondere wir Romanautoren haben keine Angst davor, kritisch über die Regierung zu schreiben."
Für Jose Dalisay ist es geradezu essenziell, dass seine Literatur in der philippinischen Gegenwart verankert ist, nicht nur auf dem Boden, sondern "im Schlamm", wie er sagt. Doch er weiß, dass es nicht in erster Linie Romanautoren sind, die mit ihren Büchern für Aufklärung sorgen. "Die wahre Avantgarde des Protests sind Journalisten. Romanautoren und Dichter sind sicher. Denn niemand liest uns. Die Regierung ist ungebildet, die Regierung versteht keine Metaphern."
Der Regierung mag es tatsächlich an literarischer Bildung fehlen, Untersuchungen dazu gibt es nicht. Vielen Filipinos mangelt es jedoch erwiesenermaßen an ganz grundlegenden Kenntnissen. Das hat im Vorjahr eine breit angelegte Studie ergeben. 19 Millionen Menschen im Land zwischen zehn und 64 Jahren sind funktionale Analphabeten, das sind 30 Prozent der Altersgruppe. Aber Bücher stehen auch bei denen, die lesen können, nicht hoch im Kurs. Außerdem sind sie vergleichsweise teuer. Ein Buch kostet oft so viel, wie ein Filipino an einem Tag verdient. Beliebt sind hingegen Plattformen wie Facebook und TikTok, nicht selten sind sie eine Quelle von Fehlinformationen.