Porträt Susanne Lux

Einfach anpacken

12. Juni 2025
Stefan Hauck

Sie führt seit 2005 die Kinderbuchhandlung Nimmerland in Mainz, ist Sprecherin der IG Leseförderung und bekannt für ihre Aktionsideen: ein Besuch bei Susanne Lux.

Susanne Lux

Susanne Lux

In einem Nimmerland-Schaufenster stehen sich gerade zwei Arten von Büchern gegenüber: Titel bekannter Jugendbuchverlage und KI-generierte Produkte mit kitschig-sanften Covern. "Ich mag Figuren, die sich entwickeln, denen ich ihren Charakter und ihre Handlungen abnehme, eine klare Sprache ohne Plattitüden, hochwertige Illustrationen. All das findet sich in KI-Büchern nicht", sagt die Inhaberin. Viele Kunden hören hier zum ersten Mal von der KI-Problematik. Nicht nur reden, sondern anpacken, ­bewegen: Das ist Susanne Lux.

Sie ist stellvertretende Vorsitzende des Gewerbevereins Mainz-Gonsenheim, der längere Zeit vor sich hindümpelte: Ehrenamtliche zu finden, ist schwer. "Entweder nehme ich das so hin oder ich verändere die Situation", sagte sich Lux und entschied sich für mehr Aktivität. Beim Börsenverein ist sie Co-Vorsitzende des Landesverbands ­Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland und war es beim Literaturverein Mainz liest. Es ist nicht so, dass es sie nach Ämtern drängt: Sie lässt sich eher in die Pflicht nehmen – etwa, als 2021 die Sprecherin der IG Leseförderung im Börsenverein, Irmgard Clausen, starb und Lux ihre Nachfolge antrat. Seit 13 Jahren ist sie IG-Mitglied, "und in der Wahrnehmung der Leseförderung hat sich viel getan. Vor Kurzem war vielen in der Branche noch nicht klar, dass es am Buchhandel liegt, ob es in 20 Jahren noch Leser und damit Kunden gibt." Die Arbeit der IG, so Lux, funktioniere gut, "weil jede Buchhandlung bei unseren Aktionen mitmachen kann."
 

Sorgfältig prüfen

Auch wenn ihr Vater meinte: "Du wirst doch sowieso Buchhändlerin" – für Susanne Lux war das keineswegs so klar. Die Eltern hatten ein allgemeines Sortiment in Gonsenheim, sodass sie schon von Kindesbeinen an von Büchern umgeben war. "Ich habe ferngesehen, draußen gespielt und wahnsinnig viel gelesen. Auf meinen Bücher-Wunschzetteln standen ordentlich der Autor, Titel usw." – Buchhändlertochter eben. Früh halfen sie und ihre ältere Schwester im Schulbuchgeschäft mit, "da wurde jede Hand gebraucht". Die Schwester lernte Buchhändlerin und arbeitete später als Vertreterin für den britischen Penguin Verlag; Lux machte bei ihren Eltern die Ausbildung und ging zu Angermann nach Wiesbaden. "Aber ich war schüchtern, und obwohl die Eltern immer mit der Übergabe gelockt hatten – ich war mir nicht sicher, ob es das Richtige ist." Zumal immer deutlicher wurde, dass die Eltern selbst mit 70 noch nicht loslassen wollten.

Als Lux’ Mann Ulrich 2005 in der Breiten Straße in Gonsenheim einen leer stehenden Laden entdeckte und sagte "Wäre das nicht was für einen Kinderbuchladen?", war das die Initialzündung. "Ich habe nie aufgehört, für Kinder zu lesen, war durch meine beiden Kinder weiterhin drin, hab die Kinderbuch­abteilung bei meinen Eltern geleitet." Lux machte sich selbstständig, den Namen Nimmerland ("die Insel der ewigen Jugend und des ewigen Abenteuers") entlieh sie aus "Peter Pan". "Ich wollte einen kinderfreundlichen Ort schaffen, der so klar gegliedert ist, dass ich mich als Kundin zurechtfinden kann, ohne nachfragen zu müssen, aber kompetent beraten werde, wenn ich das möchte." Durch gute Beratung und Veranstaltungen wurde sie im 24.000 Einwohner-Stadtteil bekannt, etablierte sich. Zwei Wochen vor Beginn der Pandemie zog die Buchhandlung um die Ecke in die Kurt-Schumacher-Straße – "kein guter Zeitpunkt, aber wir haben als erste Buchhandlung in Mainz sofort mit Fahrrad und Auto ausgeliefert, das sprach sich rum." Der Laden wurde zur Packstation.
 

Was kann es Schöneres geben, als wenn Kinder zu mir kommen und sagen: ,Kannst du mich mal beraten?' 

Susanne Lux, Buchhandlung Nimmerland

Eltern einen Raum geben

Jeden ersten Mittwoch im Monat treffen sich Lux und ihre Mitarbeiterinnen – eine Teilzeitkraft und eine Auszubildende – mit ihren "Testleser:innen" im 105 Quadratmeter großen Laden: Grundschüler:innen von 16.30 bis 17.30 Uhr, Fünf- bis Siebtklässler:innen von 17.30 bis 18.30 Uhr, Ältere ab der achten Klasse von 18.30 bis 19.30 Uhr. Die Treffen sind beliebt, es gibt Wartelisten. Lux veranstaltet Vorlesestunden, Bücherheldenpartys, Schlafanzuglesungen für Fünf- bis Neunjährige, Forschungswerkstätten, Manga-Workshops und, und, und. Sechs Mal ist Nimmerland mit dem Deutschen Buchhandlungspreis ausgezeichnet worden.

Seit einem Jahr bietet sie einen wöchentlichen Babytreff an, um Eltern Raum zu geben, "ganz locker mit Kaffee, Tee, Keksen, es werden zwei Bücher kurz vorgestellt – die Eltern sollen Nimmerland mit etwas Positivem verbinden". An Ideen mangelt es Lux nie, höchstens an Zeit. Ihr größter Ausgleich sind die beiden Hunde, mit denen sie morgens eine Stunde in Ruhe am Rand Gonsenheims läuft. Seit sie eine elf Monate alte Enkelin hat, strickt sie "und ich bastele gern, nicht zuletzt für die Schaufenster; das macht mir einfach Spaß". Ihr Resümee nach 20 Jahren Nimmerland? "Was kann es Schöneres geben, als wenn Kinder in die Buchhandlung kommen, häufig allein, und sagen: ,Kannst du mich mal beraten?' " Oder wenn die Erstleserin unbedingt auch Band 2, 3 und 4 der Dunne-Serie lesen wolle und nicht die 113. Version von "Die schönsten Meerjungfrauen-­Geschichten". Deshalb sei ihr Beruf eben doch der allerschönste der Welt, "auch wenn ich das in den ersten 20 Jahren meiner Berufstätigkeit noch nicht wusste. Dafür waren die nächsten 20 dann umso beglückender."