Pappilderbücher für Babys

Dicke Pappe, großes Staunen

13. Juni 2025
Renate Grubert

Sachbücher für Babys liefern Anreize, die Welt zu entdecken. Das Angebot ist vielfältiger denn je – und wird genauer auf die Altersgruppe abgestimmt.

Mutter und Kind schauen Pappbilderbuch an

Ein Haus, ein Bett, ein Baum, ein Tier: Sämtliche ersten Bücher bilden Sachen ab, auf beißfestem Karton, Stoff oder wassertaug­lichem Weichplastik. Kurz: Alle ersten Bücher sind Sachbilderbücher – und damit weit mehr als hübsche Dekoration. "Pappbilderbücher für die Allerkleinsten sind das Einstiegstor in die Welt des Erzählens, der Bilder, der Sprache und der Beziehung", sagt Susanne Mardt, Editorial Director Young Children Oetinger. So simpel erste Bücher auch wirken mögen, sie helfen dabei, einen wesentlichen Grundstein in Richtung Erkenntnisgewinn und Leseverhalten zu legen. Warum? Das kleine Kind erlebt seine Welt und vergleicht diese mit den Abbildungen im Buch. Vice versa vergleicht es das, was es im Buch dargestellt sieht, mit der Realität. Mithilfe des Sachbilderbuchs gelingt also zum einen das reale Weltentdecken und der erste Zugang zum Buch. Zum anderen werde dadurch, so Mardt, eine Bindung "zwischen Kind und Bezugsperson gefördert. Unsere Bücher wollen nicht nur betrachtet, sondern gemeinsam erlebt werden."

Stabiler Markt

Verlage kennen diese Trümpfe und den steten Erfolg der Pappen. "Wir reden bei den Büchern für die Kleinsten über einen seit Jahrzehnten erfreulich stabilen Bereich", resümiert Kathy Heyer, Programmleiterin Kinderbuch bei Coppenrath. Egal ob großer Markt-Player wie Ravensburger (Product PR Managerin Heidi Verbancic: "Hohe Geburten­raten haben den Markt über Jahre wachsen lassen"; Loewe-Programmleiterin Jeannette Hammerschmidt: "Wir haben unser Team im Bereich Pappbilderbuch verstärkt") oder Nischennutzer wie EMF (Verlagsleiterin Mareike Schlensog: "Wir nutzen unsere wenigen Programmplätze in dieser Altersgruppe gern, um Marktlücken zu besetzen"): Im Hinblick auf das Babybuch sind alle einer Meinung – hier gibt es Longsellerpotenzial. Viele Pappen wie Jörg Mühles Hasenkind-­Reihe hätten sich "überaus rentiert", bilanziert Moritz-Verlagsleiter Markus Weber, sie seien "mitunter seit 20 Jahren im Programm". Usborne-Verlagsleiterin Claudia Holzer nennt Zahlen: "'Mein kleiner Bilderschatz'" ist mittlerweile in der 17. Auflage, bei 110.000 Stück." Dass solche Backlistschätze gepflegt sein wollen, bestätigt Gerstenberg-­Verlagschefin Daniela Filthaut. Es brauche "immer wieder Novitäten und Marketing-­Aktionen", selbst bei großen Namen wie Rotraut Susanne Berner und Eric Carle.
 

Kontraste im Trend

Der Markt der Pappen ist sehr viel breiter und abwechslungsreicher geworden; vor allem werden die Novitäten präziser auf das jeweilige Babyalter abgestimmt. Vor Jahren noch undenkbar, heute Trend: Pappen in Schwarz-Weiß und mit starken Kontrast­farben wie "Mein allererstes Kontraste-­Buch" (EMF). Noch genauer nimmt es Oetinger in der Reihe Baby-Experimentier­-Buch: Da kann man auf Entwicklungsmonate heruntergebrochen spannend und fundiert erklärt ("Farbe & Kontrast", "Mensch & Gesicht"), herausfinden, was das Baby wann erkennt und welche Darstellungsart wirklich passt. Um einen längeren Entwicklungszeitraum abdecken zu können, wünscht sich Carlsen-Lektorin Birgit Macke Pappen mit "verschiedenen Anforderungen und Reizen". Solche Titel verlangen schon sehr viel mehr als nur kräftige Farben und wiedererkennbare Formen. Sie rufen nach mehr Komplexität im Bildangebot ("Bilder sehen/Begriffe lernen", Moritz) oder kurzen Texten ("Das mag ich, das mag ich nicht", Calme Mara), die vor allem den Vorlesenden dienen. "Optimalerweise laden die Bilder dazu ein, weitere eigene kleine Geschichten zu erfinden, Suchspiele zu spielen, neue Wörter einzuüben, das Sprechen und Erzählen zu lernen", führt Rebecca Schmalz aus, Programmleiterin bei Penguin Junior. "Oft funktionieren auch rhythmische Texte, Reime oder lautmalerische Sequenzen sehr gut als Brücke zwischen Sehen, Hören und Erleben" ergänzt Corinna Küpper, Editorial Director bei Oetinger, etwa bei Paul Maars "Hundemüde". 

Innovatives Denken

Geht man noch einen Schritt weiter, ­kommen Zutaten ins Spiel wie Schieber, Ausklapper, Stanzen, Sound, Licht, Fühl-, Dreh- und Ziehelemente ("Rundherum, Mein Drehspaß-Buch", Penguin Junior; "Oben oder unten", Minedition) – Interaktion also, vom ersten Tag an. Verlage machen von dem vielfältigen Angebot sehr unterschiedlichen Gebrauch, zeigen Pros und Kontras auf. Vom Baby her gesehen argumentiert Minedition-­Vertriebsleiterin Martina Flessenkemper: "Die Auffassungsgabe wächst mit den Herausforderungen." Vom Inhalt her müssen Thema und Ausstattung einander ergänzen ("Mein erstes Buch der Fahrzeuge", Coppenrath; "Welches Tier wohnt denn hier", Esslinger; "Schau mal, was passiert", Loewe). 

Die Kostenfrage

Schon richtig komplex mit Text, Fühlelemen­ten und Geräuschen erscheint bei Carlsen "Mein erstes Streichelsound-Buch". Da sind die höheren Herstellungskosten nicht zu unterschätzen: "Selbst ein Pappbilderbuch ohne jegliche Ausstattung ist im Vergleich zum normalen Hardcover-Bilderbuch ­deutlich teurer in den reinen Druckkosten", erklärt Birgit Macke. Zudem gibt es nur wenige Druckereien dafür. Die Begeisterung der Verlage wird dadurch nicht gedämpft: Sie sind erfinderischer denn je unterwegs.