Indie-Verlag trifft Indie-Buchhandlung

"Kooperationen sind ein Geben und Nehmen"

27. Juni 2023
von Sabine Cronau

Kooperation macht stark: Wie kleinere Verlage und Indie-Buchhandel zusammenfinden – darüber diskutieren hier Karina Lotz von der Edition Federleicht und Julia Erlen von der Buchhandlung Winnemuth. 

Karina Lotz, Edition Federleicht und Julia Erlen, Buchhandlung Winnemuth

Edition Federleicht
  • Gegründet: 2015 in Frankfurt am Main, Sitz heute in Fuldatal bei Kassel
  • Inhaberin: Karina Lotz
  • Programm: Literatur, Lyrik, Kinderbuch, Krimis, Künstlerbücher, seit 2017 erscheint das Literarische Journal »Schreibtisch«
  • edition-federleicht.de
Buchhandlung Winnemuth
  • Gegründet: vor über 30 Jahren in Hannoversch Münden von Hella Winnemuth, 50 Quadratmeter
  • Inhaberin: Julia Erlen (Übernahme 2020)
  • Filiale: Kinderbuchladen "Winnemuth Gegenüber"
  • Preis: Niedersächsische Buchhandlung des Jahres 2021
  • winnemuth-hann-muenden.buchhandlung.de
So ist das Gespräch entstanden
  • Das Interview basiert auf einem hybriden Regionaltreffen in Hannoversch Münden, zu dem die Börsenvereins-Landesverbände Nord und Hessen, Rheinland-Pfalz, Saarland Anfang Juni eingeladen hatten.
  • Bei einem Video-Spaziergang durch die Stadt führten die  Landesverbandsgeschäftsführer:innen Andrea Wolf und Volker Petri Livegespräche mit Buchhändlerin Julia Erlen und Verlegerin Karina Lotz, inklusive Lyrikpause am Flussufer. 

Was muss ein Verlag tun, damit Sie als Buchhändlerin gern mit ihm kooperieren, Frau Erlen – 60 Prozent Rabatt gewähren?

Julia Erlen: Gute Konditionen sind wichtig, keine Frage. Vor allem aber kommt es darauf an, dass die Kooperation für beide Seiten sinnvoll ist. Das Verlagsprogramm muss zu unserer Buchhandlung, zu unserem Angebot, zu unserer Kundschaft passen. Wichtig sind auch die übrigen Rahmenbedingungen: Können wir Titel zurückschicken, gibt es Werbematerial und besondere Unterstützung vor Ort? Eine Kooperation muss ein Geben und Nehmen sein.
 

Und Sie, Frau Lotz? Was würden Sie sich umgekehrt als Verlegerin von Buchhandlungen wünschen?

Karina Lotz: (lacht) Natürlich, dass sie meine Bücher ins Schaufenster stellen! Aber im Ernst: Ich würde mir wünschen, dass der Buchhandel kleinere, regionale Verlage zumindest wahrnimmt. Dass er sich Programme und Bücher anschaut und überlegt, was ins Sortiment passen könnte. Und ich wünsche mir Offenheit. Eine Buchhandlung sollte ehrlich sagen: Ja, das nehm ich gern – oder nein, das passt nicht zu uns.
Julia Erlen: Zu uns kommen immer wieder Selfpublisher und Autor:innen aus der Region, um ihre Bücher vorzustellen. Darüber freuen wir uns, denn wir haben eine ausbaufähige Regionalecke und sind wirklich offen für Neues. Was zu uns passt und neben einem lesenswerten Inhalt auch noch attraktiv aufgemacht ist, darf bleiben. Wir sagen aber auch freundlich und klar, wenn ein Buch nicht zu uns und unserer Marke passt. So viel Ehrlichkeit muss sein.
 

Kann das Profil Ihrer Buchhandlung durch Titel aus kleineren Verlagen gestärkt werden?

Julia Erlen: Unbedingt! In den vergangenen Jahren waren wir noch sehr mit uns selbst beschäftigt. Ich habe die Buchhandlung 2020 übernommen, zu Beginn der Corona-Krise. 2022 haben wir dann gegenüber einen eigenen Kinder- und Jugendbuchladen eröffnet. Jetzt, ein Jahr später, ist Zeit für neue Projekte, und wir möchten regional stärker Flagge zeigen. Beispielsweise will ich ein regionales Schaufenster gestalten, um Autor:innen und Verlagen aus Niedersachsen und Nordhessen eine Bühne zu geben.

Julia Erlen

So wie Verlage bekannte und unbekannte Autor:innen ins Programm heben, sollten wir den Büchern aus kleineren wie aus größeren Häusern eine Chance geben.

Julia Erlen, Buchhandlung Winnemuth, Hannoversch Münden

Viele Regionalverlage bieten Bildbände oder Landkarten an, aber auch Literatur. Was kaufen Sie ein?

Julia Erlen: Wir verkaufen viele Rad­karten. Hier versuchen wir in der Tat, eher Produkte regionaler Verlage ins Sortiment zu nehmen. Auch Krimis, die in der Region spielen, etwa in Kassel oder Göttingen, bieten wir an.

Und wenn ein Buch nicht ins Regionalia-Regal passt?

Julia Erlen: Dann muss es an anderer Stelle ins Sortiment passen. Generell gilt: Ein Titel sollte immer gut geschrieben sein, ob er nun aus einem Konzern- oder einem Kleinverlag kommt. Ich habe mir fest vorgenommen, künftig stärker auf die Verlagsprogramme aus der Region zu achten, auch wenn das bei der Fülle nicht ganz leicht ist. Aber vielleicht müssen wir Buchhandlungen eine ähnliche Mischkalkulation betreiben wie Verlage: So wie sie bekannte und unbekannte Autor:innen ins Programm heben, sollten wir den Büchern aus kleinen wie aus großen Häusern eine Chance geben.

Eigentlich könnten Sie Ihre Bücher doch wunderbar übers Internet verkaufen, Frau Lotz. Trotzdem sind Sie erklärter Fan des lokalen Buchhandels. Warum?

Karina Lotz: Ein kleiner Verlag wird im Netz kaum wahrgenommen. Beim Thema Sichtbarkeit ist der lokale Buchhandel für uns enorm wichtig.
 

Karina Lotz

Ich würde mir wünschen, dass der Buchhandel kleinere, regionale Verlage zumindest wahrnimmt -  und überlegt, was ins Sortiment passen könnte.

Karina Lotz, Edition Federleicht

Wenn Indie-Buchhandlungen und Indie-Verlage kooperieren, zählt vermutlich auch das Zwischenmenschliche, oder?

Julia Erlen: Auf jeden Fall. Gerade, wenn es um Bücher geht, die eher ein Nischenthema bedienen. Da verliebt man sich manchmal erst in ein Buch, wenn man es wirklich in den Händen hält. Ist einem dann noch der Mensch hinter dem Verlagsprogramm sympathisch – umso besser. Kann ein Verleger, eine Verlegerin Leidenschaft für die eigenen Bücher vermitteln, dann überträgt sich diese Begeisterung auf uns, und wir wiederum können sie an unsere Kundschaft weitergeben.
 

Wie kann ein regionaler Autor zum Bucherfolg beitragen, Frau Lotz?

Karina Lotz: Autor:innen aus der Region haben den klaren Vorteil, dass sie die Menschen dort kennen. Viele werben aktiv für ihr Buch, durch Lesungen in Buchhandlungen, Bibliotheken, Gemeindehäusern. Oft besser als wir das können.
 

Die Edition Federleicht organisiert seit 2016 jährlich ein Sommerfest. Warum?

Karina Lotz: Zuallererst ist es ein Fest für unsere Autorinnen und Autoren. Aber natürlich laden wir auch Publikum ein, darunter Buchhändler:innen. Wer sich für Literatur interessiert, kann den ganzen Tag über Lesungen erleben, über Romane und Lyrik reden und sich bei den Häppchen am Büfett bedienen. Es gibt also Nahrung für Geist und Körper. Unser nächstes Sommerfest findet übrigens am 17. September in Fuldatal statt. Julia Erlen ist schon mal eingeladen …

Häppchen sind ein gutes Stichwort. Sie bieten auch die Veranstaltungsreihe »Literarische Häppchen« an, bei der Sie mit anderen Verlagen kooperieren …

Karina Lotz: Ja, auch da gibt es ein kulinarisches Begleitprogramm, denn beim Essen kommen Menschen ins Gespräch. 2022 fanden die »Literarischen Häppchen« in der Johanniskirche im Frankfurter Stadtteil Bornheim statt, mit zwölf Autor:innen aus hessischen Indie-Verlagen und mit Kunst, Musik, Literatur.

Hat sich das gelohnt?

Karina Lotz: Definitiv. 80 Gäste sind gekommen, eine Buchhandlung aus Bornheim hat den Büchertisch betreut und alle Titel auch im Laden präsentiert. Die Presse hat berichtet. 
Julia Erlen: Natürlich ist es gut, wenn solche Veranstaltungen direkt mit einem Verkaufserfolg verbunden sind. Aber kulturelle Angebote können auch einen langfristigen Mehrwert haben. Wir haben Anfang des Jahres im Welfenschloss von Hannoversch Münden Novitäten vorgestellt – noch drei Monate später haben Leute nach den Büchern gefragt.
Karina Lotz: Genau. Ich besuche viele regionale Messen. Oft weiß man vorher nicht, ob man mit den Buchverkäufen überhaupt die Standgebühr wieder reinholt, doch dafür bekomme ich viel hilfreiches Feedback vom Lesepublikum. Und nach und nach entsteht ein enormes Netzwerk, auch mit anderen Verlagen und dem Buchhandel.