Interview zum Jahreswechsel (16): Stefanie Schelleis, Herstellungsleiterin bei Hanser

Vorübergehende Lage oder strukturelle Verschiebungen?

29. Dezember 2021
von Stefan Hauck

Sind die neue Homeoffice-Kultur oder die Papierknappheit Teil einer vorübergehenden Lage oder geht es hier um strukturelle Verschiebungen? Das fragt sich Stefanie Schelleis, Herstellungsleiterin bei Hanser. 

Was war 2021 Ihre größte Herausforderung? 
Genau wie es in den vergangenen Monaten in der Öffentlichkeit diskutiert wurde, war die größte Herausforderung tatsächlich, unsere Titel vor allem auch die Nachauflagen lieferbar zu halten. Denn die in dieser Konzentration noch nie gekannten Veränderungen in der Materialdisposition und die daraus resultierenden langen Lieferzeiten und Preissteigerungen haben uns erheblich zugesetzt.

Verschärft hat sich die Situation im 4. Quartal durch die - wegen Buchmesse und Weihnachtsgeschäft - übliche Kapazitätsenge in den Druckereien, die zusätzlich mit einem hohen Corona bedingten Krankenstand umgehen mussten. Selbstverständlich musste das immer wieder neu kommuniziert werden im Verlag, aber auch mit den Autor:innen, bei einer sich von Woche zu Woche verändernden Situation. Bewährt hat sich dabei die gute Zusammenarbeit und der permanente Austausch mit langjährigen Druckereipartnern, aber auch die enge Kooperation zwischen Herstellung, Vertrieb und Verlagsleitung. Eine bei aller Herausforderung sehr gute Erfahrung.

Was haben Sie dabei gelernt? 
Hochinteressant war es dabei, zu erfahren, dass so fernscheinende Faktoren wie die seit Jahren europaweit sinkende Produktion für graphische Papiere, der Boom von Verpackungen aus Karton (weg vom Plastik) oder auch eine Borkenkäferplage in den USA sich plötzlich in unserem alltäglichen Arbeiten niederschlagen. Solche Zusammenhänge und damit verbundene Herausforderungen bleiben auch in den kommenden Jahren bestehen.

Welche Folgen - und Arbeitsaufgaben - ergeben sich aus der neuen Homeoffice-Kultur für Ihren Bereich?
Es wird wichtig sein, das durch Corona extrem forcierte mobile Arbeiten und die daraus resultierenden nötigen Veränderungen anzugehen und neue Abläufe zu definieren sowie andere Räume für Kommunikation und Teambildung zu schaffen. Veränderungen, die unter anderen Umständen Jahre gedauert hätten, sind jetzt innerhalb kürzester Zeit umgesetzt worden. Wir müssen diese kritisch hinterfragen und darüber entscheiden, was wir verstätigen oder auch wieder zurücknehmen. 

Denn es stellt sich die Frage, ob wir es mit einer vorübergehenden Lage zu tun haben, oder ob wir mittendrin sind in einem strukturellen Wandel, der zusätzlich angetrieben sein könnte vom grundlegenden Wechsel des Papier- und Druckereimarktes. Der verschiebt sich momentan, so ahne ich, von einem Kunden- hin zu einem Anbietermarkt. Aber zu diesen weitläufigen Herausforderungen gerne an anderer Stelle mehr. Denn bei all dem will ich eine unserer größten Freuden nicht aus dem Blick verlieren: besonders schöne, qualitativ hochwertige, ästhetisch überraschende und langlebig ausgestattete Bücher zu schaffen.

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