201. Hauptversammlung des Börsenvereins

"Ich sage von ganzem Herzen: Danke!"

30. September 2025
Sabine Cronau und Christina Schulte

Für die Mainzer Verlegerin Karin Schmidt-Friderichs war es die letzte Hauptversammlung als Vorsteherin: Die Mitglieder des Börsenvereins haben am 30. September digital getagt. Dabei ging es neben der Vorstandswahl auch um die Flut neuer Gesetzesvorgaben, die so manchen an kafkaeske Zustände erinnern.

Karin Schmidt-Friderichs 

Man kann sich in einem Drei-Sparten-Verband herrlich streiten. Man kann aber auch wunderbar zusammenarbeiten und viel erreichen.

Karin Schmidt-Friderichs, scheidende Vorsteherin des Börsenvereins

„Wir möchten für Sie eine starke, solidarische Gemeinschaft bilden“: Das machte Karin Schmidt-Friderichs in ihrer letzten Rede als Vorsteherin auf der Hauptversammlung deutlich. Die Mainzer Verlegerin gibt das Amt satzungsgemäß nach sechs Jahren und zwei Wahlperioden ab - an den Berliner Verleger Sebastian Guggolz, der von den Mitgliedern mit 258 von 401 Stimmen zum neuen Vorsteher gewählt wurde (mehr zur Vorstandswahl und allen gewählten Branchenvertreter:innen lesen Sie hier). 

Mehr Anregung als Aufregung

Dass Wahl und Hauptversammlung ­rein digital stattfanden, war für die Akteure am Bildschirm nicht ganz einfach.. Keine Umarmung, kein Blumenstrauß, kein spontaner ­Zuspruch von Kolleg:innen: Das Menschliche kommt in der virtuellen Welt eben doch zu kurz.

Die scheidende Vorsteherin dürfte das an ihre Anfangszeit erinnert haben: Kurz nachdem sie ihr Amt an der Börsenvereinsspitze 2019 angetreten hatte, kam die Pandemie – und das Land ging in den Lockdown.  Die vergangenen Jahre seien durch die Corona-Krise, aber auch durch weltpolitische Ereignisse wie den Ukraine-Krieg, der Folgen für die energieintensive Druckindustrie hatte, nicht leicht gewesen, so Karin Schmidt-Fridrichs. Trotzdem blicke sie auf sechs gute Jahre zurück – „dank Ihnen allen“.

Die Vorsteherin lobte die gute Zusammenarbeit zwischen Bundesverband und Landesverbänden, Hauptamt und Ehrenamt. Auch allen Mitgliedern dankte sie für das aktive, kritische, unterstützende Miteinander: „Dafür, dass Sie für mehr Anregung als Aufregung gesorgt haben. Man kann sich in einem Drei-Sparten-Verband herrlich streiten – man kann aber auch wunderbar zusammenarbeiten und viel erreichen.“

Peter Kraus vom Cleff

Die Politik muss die großen Tech-Konzerne beim Thema KI zu Fair Play verpflichten.

Peter Kraus vom Cleff, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins

Aus der Arbeit des Vorstands und der Geschäftsführung

Danach gab Karin Schmidt-Friderichs zusammen mit Hauptgeschäftsführer Peter Kraus vom Cleff einen kleinen Abriss über Arbeit und Aufgaben der vergangenen Monate. Ganz vorne dabei: die ausufernden gesetzlichen Vorgaben von der geplanten Entwaldungsverordnung bis zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz – bei dem die Verlage ihre Hausaufgaben gemacht hätten, während die Aufsichtsbehörde in Magdeburg noch immer nicht funktionstüchtig sei: „Wir werden nicht müde, von der Politik den Abbau bürokratischer Hürden zu fordern“, so Karin Schmidt-Friderichs.

Ein "Armutszeugnis“ ist für die Vorsteherin das Aus für den Kulturpass: „Das werden wir bei der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse auch gegenüber dem Kulturstaatsminister noch einmal deutlich machen.“ Auch auf die strukturelle Verlagsförderung, im Koalitionsvertrag der Ampel noch festgehalten, wartet die Buchbranche nach wie vor vergeblich – „während der Handlungsbedarf gerade für die kleineren Verlage wächst“.

Deutlich mehr Regulierung würde sich die Branche dagegen beim gesamtgesellschaftlichen Thema KI wünschen: Künstliche Intelligenz sei ein mächtiges Werkzeug, so Peter Kraus vom Cleff: „Die Politik muss die großen Tech-Konzerne zu Fair Play verpflichten.“

Auch Meinungsfreiheit bleibt ein wichtiges Thema für den Börsenverein. Dazu gehört, dass sich der Verband mit Solidaritätsveranstaltungen und Appellen weiter für die Freilassung des Friedenspreisträgers Boualem Sansal einsetzt, der in seiner Heimat Algerien in Haft sitzt. Im November zeigt der Börsenverein gemeinsam mit vielen Partnern Flagge für eine offene, vielfältige Gesellschaft – beim „Wir lesen“ -Festival in Halle (mehr dazu hier).

Aus dem Inneren des Verbands gab es ebenfalls viel zu berichten: So feilt die AG Kostendruck weiter an den Stellschrauben entlang der Verwertungskette. Ein Baustein: Die Studie zum Umsatzfaktor Backlist. Der zweite Teil wurde im Sommer vorgestellt (mehr dazu hier), 2026 folgt die Fortsetzung. „Wer es noch nicht mitbekommen hat: unbedingt lesen“, so Karin Schmidt-Friderichs.

Das wollten die Mitglieder wissen

Aus der Mitgliedschaft gab es einige Nachfragen – von Buchhändlerin Birgit Grallert etwa zur geplanten Novelle des Preisbindungsgesetzes, die im Moment aus Eis liegt, um ein Verfahren vor dem EuGh abzuwarten (mehr dazu hier im Interview mit Preisbindungstreuhänder Christian Russ). Buchhändlerin Martina Bergmann bat den Vorstand, vorbehaltlos auf den neuen Kulturstaatsminister Wolfram Weimer zuzugehen – auch wenn er, so wie seine Vorgängerin Claudia Roth, durchaus polarisiere.

Auch zur digitalen Hauptversammlung gab es eine Anmerkung: Mansoureh Rahnama, noch neu im Börsenverein, hätte sich ein Mitgliedertreffen in Präsenz gewünscht (und hatte es im Vorfeld auch beantragt, diese Entscheidung liegt jedoch in den Händen des Vorstands) – zumal das eine oder andere technische Problem immer wieder für Verständigungsprobleme im Videocall sorgte.

Stephan Schierke

Franz Kafka hätte seine helle Freude an den aktuellen Gesetzesregellungen.

Stephan Schierke, Ausschuss für den Zwischenbuchhandel

Aus der Arbeit der Fachausschüsse

Aus den Fachausschüssen berichteten die Berliner Buchhändlerin Christiane Schulz-Rother (Sortiment) und Logistiker Stephan Schierke (Zwischenbuchhandel). Schierkes Fazit mit Blick auf die vielen gesetzlichen Neuerungen aus Berlin: „Franz Kafka hätte seine helle Freude“. Mehr über die aktuelle Arbeit der Fachausschüsse finden Sie in unseren Artikeln über die jüngsten Fachgruppenversammlungen (Sortiment hier, Verlage hier, Zwischenbuchhandel hier).

Mit dem Flex-Tarif betreiben wir Zukunftssicherung - ohne den Börsenverein aus der Sparpflicht zu entlassen.

Klaus Gravemann, Schatzmeister

So steht es um die Börsenvereinsfinanzen

Auch die Amtszeit von Schatzmeister Klaus Gravemann endet nach der Buchmesse. Der Buchhändler aus Neuss hat in den zurückliegenden sechs Jahren unter anderem den neuen Flex-Tarif des Börsenvereins auf den Weg gebracht, der ab 2026 greift und die Mitgliedsbeiträge nach einem festgelegten Schlüssel an die Inflationsrate koppelt: „Damit betreiben wir ein Stück Zukunftssicherung“, so Gravemann – „ohne den Börsenverein aus der Sparpflicht zu entlassen.“

Für Gravemann ist die im vergangenen Jahr von den Mitgliedern verabschiedete Neuregelung auch eine große Solidaritätsaktion: Für die Kleinen sei der Flex-Tarif mit Belastungen verbunden – dafür hätten die Großen der Branche zugestimmt, die Deckelung des Konzernbeitrags zu ändern. Ein ausführliches Interview, in dem der Schatzmeister die Finanzlage erläutert, lesen Sie hier.

Mit großer Mehrheit stimmten die Mitglieder dem Jahresabschluss 2024 (bei drei Gegenstimmen und 4 Enthaltungen) zu, ebenso dem Jahresbericht des Vorstands und der Hauptgeschäftsführung (4 Nein-Stimmen und 6 Enthaltungen). Alles in allem gab es bei dieser Abstimmung 156 Stimmberechtigungen (bei fast 200 Teilnehmern). Das Budget für 2025 wurde bei 3 Gegenstimmen und 4 Enthaltungen angenommen.

Porträtfoto Sebastian Guggolz

Sebastian Guggolz

Als unabhängiger Verleger bin ich gewissermaßen der natürliche Verbündete des unabhängigen Buchhandels.

Sebastian Guggolz, neu gewählter Vorsteher des Börsenvereins

Sebastian Guggolz macht das Rennen

Danach stellten sich die Kandidat:innen für die Vorstandswahl vor – allen voran die beiden Vorsteher-Kandidaten. Sebastian Guggolz betonte dabei, dass er als unabhängiger Verleger gewissermaßen der „natürliche Verbündete des unabhängigen Buchhandels“ sei. Bücher zu machen und lesen, schaffe Momente des Glücks, aber: Alle Beteiligten müssten auch davon leben können.

Er wolle frischen Wind in den Börsenverein bringen, versprach der Verleger – mit einem Blick von außen, was die Verbandsarbeit angehe, aber mit der Innenperspektive der Branche. Guggolz plädierte dafür, die Spannungen, die in der Branche spürbar seien – zwischen den Generationen, zwischen Gründern und Traditionsfirmen, zwischen Konzernfirmen und Indies – vor allem produktiv zu nutzen, als Potenzial für Veränderungen. „Ich bin sicher: der vermittelnde, ausgleichende, abwägende Einsatz für Kompromisse und Lösungen wird belohnt. Dazu möchte ich gerne beitragen.“ Die Mitglieder gaben ihm ihre Stimme.

Porträtfoto Katja Berger

Katja Berger

Die Buchbranche ist die beste Branche ever!

Katja Berger, frisch gewählte Schatzmeisterin des Börsenvereins

Kein Seiteneinsteiger ist Stefan Könemann vom Barsortiment Könemann. Der Jurist ist seit vielen Jahren im Börsenverein aktiv: „Ich kenne den Verband und die Interessen der Mitglieder entsprechend gut.“ Die Branche stehe vor großen Herausforderungen, so Könemann - steigende Kosten, sinkende Erlösen, dazu eine Flut neuer Regelungen: „Das zeigt, dass wir uns im Börsenverein auf die wichtigen Themen der Wirtschaftlichkeit konzentrieren müssen“. Nach der Wahl dankte Karin Schmidt-Friderichs noch einmal allen Kandidat:innen, die sich für ein Vorstandsamt beworben hatten - auch wenn sie am Ende nicht zum Zug kamen. 

Ob gewählt oder nicht: Die neun Bewerber:innen für den Vorstand dürften vermutlich einhellig der neuen Schatzmeisterin Katja Berger (Geschäftsführerin der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland) zustimmen, die bei ihrer kleinen Vorstellungsrunde sagte: "Die Buchbranche ist die beste Branche ever." Berger übernimmt im Vorstand die Nachfolge von Klaus Gravemann. Außerdem gewählt:

  • Lucia Bornhofen, Inhaberin der Buchhandlung Bornhofen in Gernsheim
  • Klaus Kowalke, Vorstand der Buchhandlung Lessing und Kompanie in Chemnitz
  • Alyna Wnukowsky, bei Libri Sprecherin der Geschäftsführung

Carina Fricke

Janneke de Vries

Beim Mentoringprogramm hatten wir 32 Matches. Daran lässt sich erkennen, wie wichtig dieses Instrument für beide Seiten ist.

Carina Fricke und Janneke de Vries, Zukunftssprecherinnen des Börsenvereins

Die Arbeit des Zukunftsparlaments

Die Sprecherinnen Carina Fricke (Marketing-Managerin bei Oetinger) und Janneke de Vries (Volontärin bei Fischer Sauerländer) gaben einen Überblick über die Aktivitäten des Jahres 2024 und die anstehenden Aktivitäten in den Jahren 2025 und 2026.

De Vries berichtete, dass die Tagung des Nachwuchses am 20. und 21. Juli auf den Mediacampus in Frankfurt 76 Teilnehmer:innen hatte. Thema war die „Diskurskultur als Fundament der Demokratie“.

In Sachen Gütesiegel für Ausbildungen hat sich eine neue Taskforce gegründet, die ein "Remake" vorbereitet, wie die beiden Zukunftssprecherinnen berichteten. Außerdem habe sich das Mentoringprogramm mit 32 Matches bewährt. „Daran lässt sich erkennen, wie wichtig dieses Instrument für beide Seiten ist“, betonte de Vries.

Carina Fricke stellt drei Meilensteine vor, die im letzten Jahr erreicht wurden:

  • Projekt „Digitalkampagne zur Bundestagswahl“
  • Workshop Next Generation: Digitale Talente für die Buchbranche der Zukunft
  • Projekt „Erfolgreich im Berufseinstieg“

Für die Jahre 2025 / 2026 steht eine Projektidee im Raum, bei der eine KI-Webinar-Reihe entwickelt werden könnte.

Janneke de Vries bat die Teilnehmer:innen der Hauptversammlung um drei Dinge:

  • Nachwuchskräfte für Bildungsveranstaltungen und Ehrenamt freizustellen
  • Junge Menschen zu motivieren, sich zu engagieren
  • Interdisziplinäre Fähigkeiten und Talente zu fördern

Das politische Umfeld der Buchmesse ist nicht einfacher geworden, kulturelle Debatten werden scharf ausgetragen

Carsten Schmidt-Hern, Vorsitzender im Aufsichtsrat der Börsenvereinsholding

Bericht des Aufsichtsrats

Karsten Schmidt-Hern, Vorsitzender des Aufsichtsrats, gab einen kurzen Einblick in die Entwicklung der Frankfurter Buchmesse und von MVB.

Frankfurter Buchmesse
Das Geschäftsmodell der Messe bezeichnete Schmidt-Hern als „belastbar“. Es gebe keine großen Sprünge bei den Ausstellerzahlen, allerding einen Zuwachs bei den Privatbesuchern und einen zunehmenden Eventcharakter der Messe. „Das politische Umfeld der Buchmesse ist nicht einfacher geworden, kulturelle Debatten werden scharf ausgetragen“, das sei eine Herausforderung, der sich die Messe stellen müsse.

MVB
Das Unternehmen befinde sich in einer „strategischen Überprüfung“, führte der Aufsichtsratschef aus. „Es wird geschaut, was funktioniert und was verbessert werden kann.“ Weil man sich mitten im Prozess befinde, gebe es noch keine konkreten Ergebnisse. In Richtung Börsenverein sagte Schmidt-Hern, dass die gesamte BBG (konsolidiert für alle Wirtschaftstöchter) insgesamt 800.000 Euro an die Gesellschafter (Bund und Landesverbände) ausschütten werde.

Die Anträge auf der Tagesordnung

Satzungsänderung

Um die Vereinbarkeit mehrerer Ehrenämter ging es bei einer Satzungsänderung. Die Hauptversammlung hat beschlossen, den Paragrafen 45 der Satzung um einen neuen Absatz 6 zu ergänzen. Dabei geht es um die Zulässigkeit von Doppelmitgliedschaften im Vorstand eines Landesverbands und im Vorstand des Bundesverbands. Eine Doppeltätigkeit als Vorsitzende / Vorsteher:in und als Schatzmeister:in wird durch den Umfang und die herausgehobene vereinsrechtliche Bedeutung als unvereinbar angesehen. Ansonsten soll die Doppelmitgliedschaft in beiden Vorständen jedoch ausdrücklich zugelassen werden.

Anträge aus der Mitgliedschaft

Zur Hauptversammlung hat Verlegerin Mansoureh Rahnama von Thinkup Editions Anträge eingereicht, die auf den Börsenvereins-Seiten zur Hauptversammlung einsehbar sind. Darin fordert sie unter anderem Einsichtnahme und Offenlegung bezüglich des TEUK-Programms und einen Transparenzbericht zu Kooperationsprojekten. Die Hauptversammlung hat beschlossen, dass die Anträge des Mitglieds an die Satzungs- und Schiedskommission überwiesen und dort in einer Sondersitzung behandelt werden.