Finanzbericht des Schatzmeisters

"Frei nach Churchill: Verschwende niemals eine gute Krise"

18. September 2025
Sabine Cronau

Klaus Gravemann legt beim Börsenverein seinen letzten Finanzbericht als Schatzmeister vor. Ist er mit der Kassenlage zufrieden? Und was rät er seinem Nachfolger, seiner Nachfolgerin? Antworten im Interview.

Klaus Gravemann, Schatzmeister des Börsenvereins.

Nach der Frankfurter Buchmesse legen Sie das Schatzmeisteramt in neue Hände. Erleichtert oder wehmütig?

Klaus Gravemann: Eigentlich von beidem ein bisschen. Das Projekt Schatzmeister war allein durch die Satzung bedingt auf maximal sechs Jahre angelegt, und wenn man schon 2019 weiß, dass allerspätestens 2025 die Amtszeit ausläuft, kommt das nicht so überraschend. Als ich 2019 Schatzmeister wurde und 2022 wiedergewählt wurde, habe ich in zwei Schritten erst überregional und dann in Neuss meine Ämter in der Evangelischen Kirche aufgegeben, um ausreichend Zeit für die Aufgabe beim Börsenverein zu haben. In diesem Jahr sind bei mir nun die Ämter in der Diakonie und beim Börsenverein dran und schaffen Platz für Neues. 
 

Das heißt, die Zeit beim Börsenverein ist damit für Sie abgeschlossen?

Klaus Gravemann: Ja, ich werde keine anderen Ämter oder Arbeitsbereiche im Börsenverein anvisieren. Die A 3 ist, zumindest zwischen Bonn und Wiesbaden, zwar eine landschaftlich schöne Autobahn, doch diese Strecke seltener und ohne Zeitdruck zu fahren, ist schon eine Erleichterung. Natürlich werden mir die Personen in Haupt- und Ehrenamt, mit denen ich enger zusammengearbeitet haben, etwas fehlen. Erleichtert wird der Abschied allerdings dadurch, dass ich als Quereinsteiger nicht, wie viele andere, Jahrzehnte, also quasi ein ganzes Berufsleben, sondern nur sechs Jahre gemeinsame Arbeitsgeschichte im Verband hinter mir lasse.

Haben Sie alles geschafft, was Sie sich in den sechs Jahren vorgenommen hatten?

Klaus Gravemann: Zwei Dinge nicht. Zu Beginn der Amtszeit hätte ich gern eine größere Zahl von Kennenlernbesuchen bei Mitgliedern gemacht. Dann kam Corona dazwischen und nach der Pandemie fing schon die zweite Amtszeit an. Da hätte das Kennenlernen dann keinen Sinn mehr ergeben. Außerdem hätte ich gern noch eine Lösung für den historischen Altbauteil des Hauses des Buches in Leipzig gefunden – mit einer vernünftigen vermieteten Nutzung im Eigentum des Börsenvereins. Das Gebäude ist in der Vergangenheit nicht immer gut behandelt worden. Aber für eine Lösung dieser Frage war die Amtszeit zu kurz.

Gibt es einen Rat, eine Erfahrung, die Sie Ihrem Nachfolger, Ihrer Nachfolgerin mit auf den Weg geben können?

Klaus Gravemann: Verschwende niemals eine gute Krise. Diese Winston Churchill zugeschriebene ­Aussage beschreibt treffend, dass Krisen neben dem Störfaktor immer auch die Chance sind, ­positive Veränderungen vorzunehmen. Diesen Grundsatz haben wir übrigens in der Coronazeit im Verband in etwas kleinerem Maßstab und bei den ­Wirtschaftsbetrieben etwas umfassender angewandt. Und für die Alltagsarbeit bei den Mühen der Ebene auch einige Punkte: Finanzverantwortliche sollen Dinge ermöglichen, nicht verhindern, denn Sparen ist kein Selbstzweck, sondern soll Spielräume eröffnen. Und viele kleine Maßnahmen sofort und dauerhaft sind ­besser als größere Eingriffe erst dann, wenn es nicht mehr anders geht.

Sparen ist kein Selbstzweck, sondern soll Spielräume eröffnen.

Klaus Gravemann

Steigende Kosten und ein eher verhaltenes Umsatzwachstum: Spiegelt sich die wirtschaftliche Situation der Branche in der aktuellen Kassenlage des Börsen­vereins wider?

Klaus Gravemann: Aus meiner Sicht: Nein. Schon in der Coro­nazeit hatten wir anfangs wegen der für alle unkalkulierbaren Ausnahmesituation Mitglieder- und Beitragsrückgänge befürchtet – und waren dann positiv überrascht, dass sich die Pandemie nicht in den Zahlen widerspiegelte. Derzeit ist es trotz der aktuellen wirtschaftlichen Lage genauso. Offenbar gibt es in der Mitgliedschaft eine noch stärkere Bindung an den Börsenverein als wir das ohnehin immer erhofft hatten. Wir zählen offensichtlich nicht zu den ersten Sparmaßnahmen. Etwas anderes ist, dass es natürlich immer Mitgliedsunternehmen gibt, die von besonderen wirtschaftlichen Situationen betroffen sind und waren.

Der Börsenverein hat in diesem Jahr seinen 200. Geburtstag gefeiert, unter anderem mit einem großen Branchen­kongress in Berlin. Für das Jubiläum ­wurden über einige Jahre hinweg Rücklagen angespart. Hat das Geld gereicht? Und: War es gut investiert?

Klaus Gravemann: Wir hatten über eine Reihe von Jahren eine Rücklage in Höhe von 425.000 Euro angespart, sodass die Jubiläumsfeierlichkeiten in Leipzig und Berlin nicht aus dem laufenden Budget finanziert werden mussten. Die Rücklage hat fast gereicht. Wir haben sie komplett zur Finanzierung verwendet, da weniger Erträge aus Ticketverkauf und Sponsoring realisiert werden konnten und das Organisationsteam diese Mindereinnahmen nicht vollständig auf der Kostenseite einsparen konnte, ohne das Programm zu gefährden. 13.000 Euro werden wir dann noch im Rahmen des Jahresabschlusses 2025 abdecken. Das ändert aber nichts daran, dass beide Veranstaltungen hervorragende Feiern unseres 200. Geburtstags waren.

Jubiläumskongress in Berlin: Für den runden Geburtstag des Börsenvereins wurde eine Rücklage angespart.

Ab 2026 wird der Mitgliedsbeitrag, wie 2024 von der Hauptversammlung beschlossen, an die Inflation gekoppelt. Den "Flex-Tarif" haben Sie als Schatzmeister auf den Weg gebracht. Sind Sie froh darüber, dass er bald greift?

Klaus Gravemann: Ja, das bin ich. Das war der fünfte Punkt meiner zehn Punkte, die ich auf der Mitgliederversammlung 2019 in Berlin bei meiner Vorstellung vorgetragen habe – und daran habe ich mehrere Jahre gearbeitet. Der "Flex-Tarif" ist einer der wichtigsten Punkte. Er macht den Verband zukunftssicher, weil die Inflation eingearbeitet ist. Trotzdem nimmt er durch seine Ausgestaltung nicht den Kostendruck von Vorstand und Ehrenamt, weil es keinen vollständigen Ausgleich gibt. Und er erspart dem Verband alle paar Jahre harte Diskussionen um große Beitragserhöhungen mit all den möglichen Verwerfungen, die damit verbunden sind.

Geht der Verband mit einem ausgeglichenen Haushaltsentwurf ins neue Jahr 2026? Und wie eng muss der Gürtel geschnallt werden, um das zu erreichen?

Klaus Gravemann: Das Budget 2026 weist mit einem Plus von 6.000 Euro eine schwarze Null aus. Man muss aber ganz klar sehen, dass die sich nicht von allein einstellt. Wie schon 2024 und 2025 werden wir die 200.000 Euro Tilgung vom Haus des Buches in Leipzig realisieren müssen. Wir erhöhen die Ausschüttung der Wirtschaftsbetriebe, was neben dem Bundesverband auch den Landesverbänden zugutekommt. Ebenso werden die Lizenzgebühren steigen, die die MVB für das Verzeichnis lieferbarer Bücher an uns zahlt. Aber es wird auch gespart. Erwartete Tariferhöhungen werden vollumfänglich auf Zulagen angerechnet, im außertariflichen Bereich gibt es keine Gehaltserhöhungen und bei den Aushilfen soll reduziert werden. Die Fachabteilungen selbst haben alles abgeklopft und auch kleinste Beträge zur Disposition gestellt. Und das mobile Arbeiten in der Belegschaft ermöglicht es, weitere ­Flächen in der Frankfurter Braubachstraße frei zu machen und extern zu vermieten – um nur einige Punkte zu nennen.

Das mobile Arbeiten in der Belegschaft ermöglicht es, weitere Flächen in der Frankfurter Braubachstraße extern zu vermieten.

Klaus Gravemann

Die Lage der Wirtschaftsbetriebe war durch die Corona-Krise lange angespannt, vor allem bei der Frankfurter Buchmesse. Geht es hier weiter aufwärts? Und bei welchen unternehmerischen Aktivitäten muss unbedingt nachjustiert werden?

Klaus Gravemann: Bei der Buchmesse geht es weiter aufwärts, auch wenn es für alle Messen nach wie vor nicht leicht ist, sämtliche Vor-Corona-Zahlen zu erreichen oder gar zu übertreffen. Aber schon unser früherer Bundeskanzler Helmut Kohl hat ja richtigerweise gesagt, dass nicht wichtig sei, was vorne reingehe, sondern was hinten herauskomme. Wir können also mit der Messe zufrieden sein und auch MVB ist auf einem guten Weg – inklusive des Auslandsgeschäfts, das wir aber weiter im Auge behalten sollten.

Wenn Sie zurückblicken auf die vergangenen sechs Jahre: Welche Sparmaß­nahme, die Sie durchsetzen mussten, hat Sie persönlich sehr geschmerzt?

Klaus Gravemann: Wenn man professionell die Finanzen regeln will, darf das letztlich keine Größenordnung sein. Sparmaßnahmen sollten im Hinblick auf ihre Machbarkeit und ihre Vertretbarkeit beurteilt werden. Und wenn die Existenz des Unternehmens auf dem Spiel stehen könnte, ist alles vertretbar, was machbar und legal ist. Trotzdem sind natürlich alle Maßnahmen, die Menschen existenziell treffen können, weil sie nicht weiterbeschäftigt oder gar entlassen werden, eine besondere Hausnummer. Ähnliches gilt für zuliefernde Dienstleistungsunternehmen, denen vielleicht der zentrale, die Existenz sichernde Auftrag wegbricht. 

Die Mitglieder entscheiden

Der Schatzmeister stellt den Finanzbericht auf der digitalen Hauptversammlung des Börsenvereins am 30. September vor. 

Anmeldung und Download des Finanzberichts 2025: www.boersenverein.de/hauptversammlung.  Fragen können bereits vorab eingereicht werden. Mail: finanzen@boev.de

Außerdem wählen die Mitglieder in der Hauptversammlung einen neuen Vorstand. Für das Schatzmeisteramt kandidieren Katja Berger, Geschäftsführerin der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland, und Robert Schefenacker, kaufmännische Geschäftsleitung der S. Fischer Verlage. Alle Kandidaten im Kurzporträt: boersenverein.de/wahlen