Auswertung: Umfrage zu Bestseller-Stickern

Arschgeweih der Literatur

28. Oktober 2025
Madelaine Penzkofer

"Wie stehen Sie zu den Bestseller-Stickern?" Das wollten wir von unseren Leser:innen wissen. Das Ergebnis der Umfrage zeigt: Das "Arschgeweih der Literatur" wird von der Mehrheit als störend wahrgenommen. Auch auf Instagram haben wir nachgefragt: "Abknibbeln oder drauflassen?" Eine Auswahl der Antworten.

Abgeknibbelt: Aufkleber in der Buchhandlung Dietsch in Düsseldorf

Abgeknibbelt: Aufkleber in der Buchhandlung Dietsch in Düsseldorf

Die Debatte um die Bestseller-Sticker wurde durch einen Social Media Post der Barbara Buchhandlung in Moers angefacht und in einem ausführlichen Artikel der "NRZ" aufgegriffen. Die mediale Aufmerksamkeit, die Sticker auf dem Buchcover erhalten, zeigt, wie sehr das Thema polarisiert. 

Wie finden Sie persönlich Bestseller-Sticker? Diese Frage haben wir Ende September zum Artikel der „NRZ“ gestellt – und 459 boersenblatt.net-Leser:innen haben uns darauf geantwortet.

Das Ergebnis ist nicht repräsentativ, zeichnet aber ein Stimmungsbild der Branche:

  • 56,6 Prozent der Antworten (260 Stimmen) halten Bestseller-Sticker für einfach nur nervig und wünschen sich, dass sie verschwinden,
  • Gut 25 Prozent (116 Stimmen) sprechen sich dafür aus, dass Bestseller-Sticker prinzipiell okay sind. Ihnen aber die Frequenz auf jedem 2. Buch zu viel sei.

Sticker auf dem Buchcover? Einfach nur nervig

Einige Teilnehmende haben ihr Votum durch schriftliche Erläuterungen präzisiert, wobei die Tendenz zu kritischen und ablehnenden Meinungen vorherrschend ist: Viele attestieren dem Bestseller-Sticker durch die inflationäre Nutzung einen Bedeutungsverlust, während andere vor allem auf Cover-Verschandelung eingehen. Zwei Zitate:

"Die inflationäre Nutzung auf jedem 2. Buch ist einfach keine Richtungsweisung für Kund:innen mehr. Ich habe festgestellt, dass vielen Lesenden ein 'Spiegel'-Sticker eher zuwider ist und sie dann eher nicht dazu greifen, anstelle das als Kaufargument zu sehen."

"Coverdesigner geben sich unglaublich viel Mühe mit der Gestaltung und dann wird ein Aufkleber draufgepappt. Und manchmal gar nicht das vorliegende Buch betreffend!"

Außerdem wird die Verwechslungsgefahr der Bestseller-Aufkleber von unseren Leser:innen betont:

"Die Irreführung zwischen Bestseller und Bestseller Autor:in muss aufgehoben werden. Die Aufkleber sind leicht zu verwechseln und sagen zwei verschiedene Dinge."

Abknibbeln oder drauflassen? Wir haben auf Instagram nachgefragt. Hier eine Auswahl der Antworten

Buchhandlung Land in Sicht, Frankfurt am Main

"Unsere Kund:innen nervt der Aufkleber (und uns auch). Und leider geht er, je nach Bucheinband, auch nicht rückstandsfrei ab."

Stefanie Urbach, Autorin

Das Entfernen im Handel findet sie "übergriffig gegenüber Verlagen und ­Autor:innen (die sich ihren Erfolg hart erarbeitet haben) – und letztlich auch gegenüber den Kund:innen. Für manche ist das eine Orientierung – und wenn sie das Buch gekauft haben, können sie den ­Aufkleber immer noch abknibbeln."

Buchhandlung Rees, Adenau

"Ich kann den Kolleginnen und Kollegen nur zustimmen. Ich knibbel auch leidenschaftlich ab, da wo es einfach ist. Leider werden sie ja inzwischen auch schon eingedruckt."

Golden Buchhandlung, Mehlbach

"Ich verstehe die ganze Diskussion nicht. Hat man keine Lust auf den Sticker, kann man ihn doch entfernen. Das aber pauschal vorab zu machen, empfinde ich als falsch. Kleine Verlage und Autor:innen sind stolz auf diesen Aufkleber. Das ist doch schön. Auch wenn viele den Aufkleber nicht mögen, gibt es doch viele Kunden, die danach greifen."

Spiegel-Bestseller Aufkleber

Kim Leopold, Autorin

"Dieser Sticker bedeutet für ganz viele ­Menschen die Welt, und dass eine Buchhandlung sich anmaßt, darüber entscheiden zu können, ob er aufs Buch kommt oder nicht, finde ich unmöglich. Aber: Ich verstehe auch den Unmut und denke, dass das System ­überholt gehört. Reichen nicht Bestseller­aufkleber für Bücher, die es tatsächlich auf die Liste geschafft haben?"

Marie Graßhoff, Autorin

"Auf jedem Buch ist er drauf, der 'Spiegel'-
Bestselleraufkleber. – Sag mir, dass du nur Mainstream in deiner Buchhandlung hast, ohne zu sagen, dass du nur Mainstream in deiner Buchhandlung hast."

Yvonne Merschmann, Autorin

"Ich finde es respektlos gegenüber den Autor:innen und Verlagen. Beim Kauf kann man anbieten, den Sticker zu entfernen, ansonsten ist das Sache der Kund:innen. Wer sich so sehr daran stört, kann ja mehr Bücher einkaufen, die nicht auf der Liste stehen."

Andrea Lunau, Buchhandlung Ute Hentschel, Burscheid

"Bestseller wären ja noch irgendwie ­nachvollziehbar, wenn auch nicht schön. Aber richtig nerven die Aufkleber mit '­Gegebenenfalls künftiger Bestseller des Dackels der Cousine der Bestsellerautorin'."

Th. Gut Verlag

"Was für ein Gegenvorschlag könnte da angeboten werden? Als Verlag möchte man einen Erfolg gern kommunizieren. Und auch unsere Autoren würden sehr schräg schauen, wenn wir einen Bestseller landen und das keinem sagen. Seit Jahren wird über diese Kleber gemotzt, aber außer leicht ge­hässigen Kommentaren, dass sie abgeknibbelt werden, kommt auch nicht viel Input."

Cover Spiegel-Bestseller

Steffi, Bloggerin "Nur Lesen ist schöner"

"Ich finde den Aufkleber lästig. Er ist nicht nur hässlich, sondern wird oft auch noch an der unglücklichsten Stelle angebracht. Er verhunzt das Cover und gibt dem Buch gar keine Möglichkeit, für sich selbst einzustehen. Für mich braucht eine gute Geschichte kein 'Spiegel'-Bestseller-Branding, um mich als Leserin zu gewinnen."

Susanne Schleyer, Fotografin

"Es ist auch 'arschgeweihhaft', wenn Bücher schon vor Erscheinen den Sticker haben, nur weil irgendein Buch Jahre vorher ­Bestseller war. Auf aktuellen Bestsellern ist es wunderbar!"

Maiken Brathe, Autorin

"Ich finde die Debatte sehr erfrischend. Natürlich möchte ich als Autorin 'das ­Arschgeweih der Literatur', um mehr Sichtbarkeit für meine Bücher aus unabhängigen Verlagen zu haben. Ich will gelesen werden. Aber der Hype um 'Spiegel'-Bestseller, das Taktieren um Starttermine, das Flehen der Schreibenden um Vorbestellungen … hat nichts mit Literatur zu tun."

Spiegel-Bestseller-Autorin Aufkleber

Dunja Brala, Bloggerin "dunis.lesefutter"

"Ich finde es absolut irreführend, wenn so ein Buch den Aufkleber 'Spiegel-Bestseller Autor / Autorin' bekommt. Sieht genauso aus und impliziert damit, dass es sich hier um eine Empfehlung handelt, einzig und allein auf der Basis, dass der Autor, die Autorin schon mal ein Buch in den Bestsellerlisten hatte. Der Zweck ist, etwas zu suggerieren, was noch nicht eingetreten ist – nämlich, dass dieses Buch ein Bestseller werden könnte. Über irgendeine Art von Qualität sagt das ja erst mal nichts aus."

Ob Bestseller-Sticker auf Buchcovern eine Zukunft haben, oder bald nur noch als abgeknibbelter Klebehaufen im Müll jeder Buchhandlung landen, bleibt offen. Klar ist: Die hitzige und polarisierende Debatte wird fortgeführt.