KI-Lizenzierung: Eric Bartoletti von Bookwire über das Topthema der Messe

"Verlage holen sich damit die Kontrolle zurück"

15. Oktober 2025
Sabine Cronau

Bookwire handelt für Verlage jetzt auch Lizenzvereinbarungen mit KI-Unternehmen aus. Was macht solche Deals für beide Seiten interessant? Und wie viel lässt sich damit verdienen? Fragen an Eric Bartoletti, bei Bookwire Head of Business Development.

Porträtfoto Eric Bartoletti vor neutralem Hintergrund

Eric Bartoletti

Für KI-Unternehmen sind zwei Dinge bei der LIzenzierung am wichtigsten: Geschwindigkeit und Masse.

Eric Bartoletti, Head of Business Development bei Dienstleister Bookwire und beim Börsenverein im Sprecherkreis der IG Digital aktiv

Künstliche Intelligenz ist das Top-Fachthema der Frankfurter Buchmesse - auch für Bookwire?

Ja, absolut!  Wenn ich in meinen Messekalender schaue, dann ist KI das Thema Nr. 1. Vor allem die Lizenzierung von Inhalten spielt im Moment eine enorme Rolle. Einige Verlagskonzerne haben bereits entsprechende Deals mit KI-Unternehmen abgeschlossen.

Parallel dazu werden wir jetzt immer öfter von kleineren Verlagen angesprochen, ob wir sie als Dienstleister für Publishing-Technologie und Distribution bei entsprechenden Verhandlungen unterstützen können. Das wollen wir gerne tun, denn ein attraktives Paket zu schnüren und die besten Konditionen für Verlage rauszuholen – das ist unsere klassische Aufgabe als Aggregator.

Ganz klar ist aber: Ohne das Einverständnis der Verlage passiert hier nichts.

Eric Bartoletti

Wie sieht Ihre Lösung zur KI-Lizenzierung aus?

Wir übernehmen die Rolle des Vermittlers. Das heißt: Erst einmal holen wir bei den Verlagen das grundsätzliche Einverständnis ein, dass wir ihre Titel zur Lizenzierung anbieten dürfen. Daraus stellen wir einen Katalog zusammen und gehen mit diesem auf KI-Unternehmen zu, um den konkreten Bedarf zu eruieren.

Die Kernfragen sind hierbei: Welche Genres sind für den jeweiligen Anbieter interessant? Wie sollen die Inhalte eingesetzt werden – für das Training eines KI-Modells, oder für die Anreicherung von Antworten? Wenn wir uns dann auf eine Titelliste und die entsprechenden Parameter geeinigt haben, machen wir den Verlagen ein Lizenzierungsangebot, das sie annehmen oder ablehnen können. Ganz klar ist aber: Ohne das Einverständnis der Verlage passiert hier nichts.

Das klingt ziemlich aufwendig und kleinteilig. Gibt es schon erste Verträge?

Ja, den „Proof of concept“ haben wir. Erste Vereinbarungen für die Lizenzierung von Trainingsdaten konnten wir bereits abschließen. Aber Sie haben recht: Je nachdem, was die KI-Unternehmen wollen und die Verlage ihnen zugestehen, können solche Lizenzierungsverhandlungen aufwendig und kleinteilig werden. Mittlerweile haben wir die wechselseitigen Vorstellungen jedoch weitgehend abgeklopft – es hat sich gewissermaßen ein Minimalstandard herausgebildet.

Für Verlage ist es ein absolutes No-Go, wenn die KI das komplette Buch vollständig wiedergeben könnte.

Eric Bartoletti

Was ist für Verlage ein No-Go?

Für Verlage ist es ein absolutes No-Go, wenn die KI das komplette Buch vollständig wiedergeben könnte. Zitate sind zwar zulässig, aber nur in einem streng begrenzten Umfang. Eine vertraglich bestimmte Wortanzahl darf nicht überschritten werden. Außerdem darf eine KI keine ähnlichen Inhalte, also direkte Wettbewerbswerke erzeugen können. Kurzum: Den Verlagen ist es wichtig, die Rechte an ihren Büchern so gut wie möglich zu schützen und keine künstliche Konkurrenz zu erschaffen.

Und was ein Must-have für die KI-Unternehmen?

Das Must-have für KI-Unternehmen hängt davon ab, was genau sie mit den lizenzierten Inhalten vorhaben. Werden die Daten zum KI-Training genutzt, wollen die Firmen dabei möglichst frei sein. Am wichtigsten sind jedoch Geschwindigkeit und Masse. KI-Unternehmen wollen ihre Lizenzen mit großen Stückzahlen innerhalb von drei bis vier Wochen einsammeln. Das ist auch für uns eine echte Herausforderung. Denn die Verlage müssen das Angebot ja gründlich prüfen und unter Umständen noch die Zustimmung von Autor:innen einholen, bevor der Vertragsentwurf dann die ganze Kette wieder zurückgeht.

Wir versuchen dabei, das unterschiedliche Tempo anzugleichen und die vielen unterschiedlichen Erwartungshaltungen zu managen. Als Aggregator ist Bookwire für diesen Prozess aber sowohl strukturell als auch durch das breite Netzwerk zu den Verlagen sehr gut aufgestellt. Das hilft uns übrigens auch, um auf Augenhöhe mit den KI-Unternehmen zu verhandeln.

Lässt sich das aktuelle Interesse an Lizenzmodellen auch damit erklären, dass sich das Absaugen geschützter Inhalte ohnehin nicht stoppen lässt – die Verlage aber wenigstens etwas Geld dafür sehen wollen?

Natürlich ist jeder Euro nett, den Verlage und Autor:innen auf diesem Weg einnehmen. Allerdings darf man auch keine Riesenumsätze erwarten, denn für Trainingsdaten fließt in der Regel nur einmal Geld und auch bei den nutzungsabhängigen Modellen halten sich die Beträge in Grenzen.

Das ist aus meiner Sicht aber auch gar nicht der springende Punkt. Was zählt, ist ein anderer Aspekt: Lizenzvereinbarungen geben den Verlagen die Kontrolle über ihre Inhalte zurück. Denn am Ende steht ein klares Regelwerk, das absteckt, was wie genutzt werden darf.

Ist das im Zweifelsfall nicht ähnlich schwer nachzuweisen wie eine unerlaubte Nutzung?

Das mag sein, aber wir sprechen hier von großen Unternehmen mit entsprechenden Compliance-Regeln, die sich mit Geschäftsrisiken und Haftungsfragen auseinandersetzen müssen. Geschützte Inhalte ohne Erlaubnis einzusammeln und sich dabei mit der amerikanischen „Fair use“-Regel rauszureden – das ist leichter, als wenn es eine Lizenzvereinbarung gibt, in der alles klipp und klar geregelt ist.

KI-Unternehmen haben vor dem Hintergrund der vielen laufenden Gerichtsverfahren durchaus ein Interesse daran die KI-Produkte ohne rechtliche Risiken verkaufen zu können.

Eric Bartoletti

Wenn die Lizenzierung sie eher knebelt – warum sollten Tech-Firmen dann ein Interesse daran haben?

Ganz einfach: Das Internet ist leer gesaugt, die illegalen Datenbankwelt durchsucht. Die Tech-Konzerne brauchen frische, qualitätvolle Inhalte, haben im Moment aber immer schwerer Zugang dazu. Und im Blick auf die Rechtslage ist es auch eher unklar, wie schnell und in welche Richtung sich Rechtsprechung und Gesetzgebung entwickeln. Wir merken in den Gesprächen daher immer öfter, dass KI-Unternehmen ein zunehmendes Interesse an Rechtssicherheit haben.

KI-Unternehmen haben vor dem Hintergrund der vielen laufenden Gerichtsverfahren durchaus ein Interesse daran die KI-Produkte ohne rechtliche Risiken verkaufen zu können und keine Schadenersatzansprüche riskieren zu müssen. Und: Sie wollen es sich mit der Kreativbranche nicht ganz verscherzen – denn sie brauchen von Menschen erdachte Inhalte, um ihre KI weiter zu optimieren. Anders formuliert: KI-Unternehmen, die Lizenzvereinbarungen abschließen, sichern sich einen Wettbewerbsvorteil.

Mit welchen Anbietern ist Bookwire konkret im Gespräch – auch mit großen wie Open AI?

Das ist vertraulich. Aber: Wir sind mit den relevanten Stakeholdern im Gespräch und versuchen, unser Netzwerk permanent zu erweitern. Dazu gehören auch junge Unternehmen, die kein umfassendes Large Language Modell wie Chat GPT trainieren, sondern sich auf spezielle Anwendungsfälle konzentrieren – etwa für die Untertitelung von Filmen, speziellen Sprachassistenten oder fachspezifische Chat-Bots. Es gibt viele kleinere Anwendungsbereiche, die für Verlage interessant sind.

Was kann ein Verlag für einen Titel bekommen?

Darauf lässt sich leider keine einheitliche Antwort geben, denn das hängt von verschiedensten Faktoren ab – von der geplanten Nutzungsart durch das jeweilige KI-Unternehmen, von der Sprache, um die es geht, vom Genre, vom Erscheinungsjahr der Titel, vom Umfang usw.

Aber wie gesagt: es geht aus unserer Sicht nicht ausschließlich um die Erlöspotenziale, sondern um einen angemessenen Schutz geistigen Eigentums. Die Verlage haben jetzt die Chance, gemeinsam mit Bookwire darauf Einfluss zu nehmen, wie ihre Inhalte von KI-Unternehmen genutzt werden dürfen und wie die Buchbranche daran partizipieren kann. Es geht um die Zukunft des Buches im KI-Zeitalter.

Termintipp

  • How licensing book content for AI models and companies is currently happening (English):
    So heißt eine Veranstaltung, die Bookwire auf der Buchmesse anbietet. Mehr dazu hier. 
  • Wann: Freitag, 17. Oktober, 15 Uhr
  • Wo: Innovation Stage, Halle 4.0, H104